So wie Michael Adam (SPD) aus Bodenmais geht es derzeit vielen Rathauschefs im Freistaat. „Wir haben noch drei Hausärzte“, berichtet der Bürgermeister. Klingt zunächst nicht schlecht bei einer Gemeinde mit knapp 3600 Einwohner*innen. Allerdings: „Die sind alle kurz vorm Rentenalter oder sogar schon darüber.“ Nach Angaben der auf die gesundheitspolitische Beratung von Kommunen spezialisierten Agentur Dostal in Vilsbiburg fehlen im Freistaat aktuell 443 Hausärzt*innen. Und die Perspektiven für Kranke klingen gruselig. Kommunalberater Adrian Dostal sagt: „Bis zum Jahr 2030 werden in Bayern schätzungsweise rund 1200 Hausarztpraxen unbesetzt sein.“
Wobei die Unterversorgung nicht überall in Bayern gleich schlecht ist – was mit den Planungsregionen der hausärztlichen Bedarfsplanung, den sogenannten Mittelbereichen, zusammenhängt. Innerhalb dieser Mittelbereiche können sich Praxen an jedem beliebigen Ort niederlassen. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) hat keine Steuerungsmöglichkeit. Das Problem: Die meisten wollen sich in Ballungsgebieten niederlassen. Eher beliebt sind außerdem Gebiete mit hoher Lebensqualität wie das Allgäu oder mit niedrigen Lebenshaltungskosten wie Oberfranken. Besonders unbeliebt: die ländlichen Gegenden im Großraum München. Denn dort sind Immobilien teuer, urban ist es trotzdem nicht.
Die Staatsregierung versucht schon länger, das Problem zu lösen. Seit 2020 läuft das Programm zur Landarztgewinnung. Wer sich verpflichtet, nach dem Studium für mindestens zehn Jahre in einer unterversorgten Region zu praktizieren, erhält für maximal vier Jahre eine monatliche Unterstützung von 600 Euro. Laut Gesundheitsministerium konnten so bereits mehr als 440 Nachwuchskräfte gewonnen werden. Zusätzlich wird bereits seit 2012 die Eröffnung einer Praxis in einem ländlichen und unterversorgten Gebiet mit bis zu 60.000 Euro bezuschusst. Insgesamt mehr als 1200 Niederlassungen seien so gefördert worden, davon 828 Hausarztpraxen. Darüber hinaus macht sich die CSU-Landtagsfraktion stark für eine Absenkung des Numerus clausus, der zum Medizinstudium berechtigt. „Auch mit einer Abiturnote 2,0 können engagierte junge Menschen sehr gute Ärzte werden“, meint Fraktionschef Klaus Holetschek. Wobei diese nicht ganz neue Idee schon früher auf Ablehnung in den Verbandsgremien der Ärzteschaft stieß.
Kommunen als Träger?
Doch diese Initiativen reichen nicht. Eine deutliche Verbesserung wäre möglich durch medizinische Versorgungszentren (MVZ). Das sind Einrichtungen, in denen mehrere ambulant tätige Ärzt*innen unter einem Dach arbeiten. Träger sind in der Regel Ärzte und Krankenhäuser. Doch auch Kommunen könnten als Träger fungieren. Eine Möglichkeit, die das bayerische Gesundheitsministerium ausdrücklich erwähnt: „Immer mehr Gemeinden, gerade in ländlichen Regionen, sind bereit, sich selbst für den Erhalt oder die Verbesserung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zu engagieren“, so das Ministerium. Auch Bürgermeister Adam aus Bodenmais kann sich das vorstellen. Doch der Bayerische Gemeindetag will das nicht, er befürchtet finanzielle Probleme: „Es ist keine Lösung, den kreisangehörigen Gemeinden im Bereich der Gesundheitsvorsorge mit dem Lockmittel befristeter Fördergelder weitere Verantwortung aufzubürden“, kritisiert Gemeindetagspräsident Uwe Brandl. Die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung sei Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung. Diese verweist darauf, dass in den vergangenen zehn Jahren 74,6 Millionen Euro aus dem Strukturfonds der KVB und der Krankenkassen in die Verbesserung der ambulanten Versorgung Bayerns geflossen seien.
Zwei Trends erschweren laut KVB die Nachfolgesuche für Praxen: der Wunsch nach Anstellung und nach Teilzeit. Mediziner*innen legten „zunehmend Wert auf eine ausgewogene Mischung zwischen Arbeit und Freizeit und achten darauf, dass die Zeit mit der Familie nicht zu kurz kommt“, so der Berufsverband. Genau das könnten die medizinischen Versorgungszentren aber bieten: die Möglichkeit zur Anstellung und zur Teilzeit. Fragt sich bloß, wer als Träger fungiert.
(André Paul)
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