Politik

Agnes Becker im Landtag: Sie saß mit Markus Söder am Runden Tisch. (Foto: Matthias Balk/dpa)

04.04.2019

Agnes Becker - Gewinnerin ohne Applaus

Rund 1,75 Millionen Menschen haben das Volksbegehren Artenschutz unterzeichnet und damit die Regierung zu einer politischen Kehrtwende gezwungen. Trotzdem sind die Verantwortlichen dafür den meisten unbekannt

Im Moment des großen Triumphes steht Agnes Becker mal wieder nicht im Rampenlicht. Als Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Mittwochnachmittag im Lesesaal des Landtags verkündet, dass die schwarz-orange Koalition nun die Forderungen des Volksbegehrens für mehr Artenschutz in Bayern umsetzen will, ist Becker nicht mal im Raum. "Es gehört zum Prototyp des ÖDP'lers, sich nicht in letzter Konsequenz und mit Freude in den Vordergrund zu stellen", sagt sie. Das heißt aber nicht, dass sie sich nicht freut. Nur leiser und ohne Kameras.

Unterstützt wurde das Volksbegehren zuletzt zwar von vielen Parteien, Verbänden und Organisationen, allen voran von den Grünen, dem Landesbund für Vogelschutz und dem Bund Naturschutz. Doch angestoßen hatte das Ganze die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), eine Kleinpartei, die sich seit Jahren vergeblich um einen Einzug in den Landtag bemüht. 2018 scheiterte sie mit 1,6 Prozent erneut.

Becker ist bei der ÖDP die Beauftragte des Volksbegehrens - also ein Kopf der Kampagne. Von der Idee über die Unterschriftensammlungen bis hin zu den Verhandlungen am Runden Tisch - ohne die studierte Tierärztin ging in den vergangenen Wochen und Monaten nichts. "Ich bin seit dem Jahresbeginn praktisch rund um die Uhr im Einsatz", sagt Becker. Das sei sehr oft sehr anstrengend gewesen, aber habe natürlich auch Spaß gemacht. "Es ist ja auch noch nicht vorbei. Die Beratungen in den Fachgruppen am Runden Tisch gehen ja weiter."

Bei Wahlen läuft die ÖDP unter "Sonstige"

Die schlechten Wahlergebnisse der ÖDP in der Vergangenheit seien natürlich "sehr schade und auch manchmal frustrierend", gibt Becker zu. Doch anstatt sich nach der Landtagswahl dem Frust zu ergeben, habe man lieber eine ganz tolle Sache angestoßen, die am Ende in das bisher erfolgreichste Volksbegehren in Bayern gipfelte. "Wir haben bei der Wahl einen außerparlamentarischen Oppositionsauftrag erhalten und den nehmen wir ernst und den ziehen wir durch."

Dabei versteht sich die ÖDP nicht nur als Opposition zur Regierung, sondern auch zu den anderen Parteien im Landtag. "Wir haben wohl schon jetzt mehr Gesetze gegen den Willen der CSU durchgebracht, als die Opposition im Landtag", betont Becker, die man mit Fug und Recht als Idealistin bezeichnen darf - und so sieht sie sich auch selber. So hat die ÖDP beispielsweise das strikte Rauchverbot in Bayerns Gaststätten initiiert und die Streichung des bayerischen Senats.

"Aus Überzeugung und Leidenschaft" sei sie 1997 in die ÖDP eingetreten, erzählt Becker. Seit 2009 ist sie stellvertretende Landesvorsitzende, seit 2014 sitzt sie für die ÖDP im Kreistag von Passau, Mitte 2018 wurde sie Beauftragte des Volksbegehrens. "Da geht es um mein Herzblut", sagt sie.

Erst Schreinerlehre, dann Tiermedizin

Geboren wurde Becker in Augsburg. Seit 20 Jahren lebt sie in Wegscheid im Landkreis Passau. Erst machte sie eine Schreinerlehre, dann studierte sie Tiermedizin in München. Eine große Landwirtschaft hat sie zwar nicht, aber sie kümmert sich um die eigenen fünf Hektar Grünland und acht Hektar Wald, dazu zwei Pferde und ein paar Hühner.

Eine große Karriere in der Politik ist auch nach dem erfolgreichen Volksbegehren aber nicht in Aussicht. Ob die ÖDP davon bei kommenden Wahlen profitieren kann, ist jedenfalls fraglich. Immerhin konnte die Partei in den vergangenen Wochen und Monaten einen deutlichen Mitliederzuwachs verbuchen - auf aktuell rund 4400. "Wir wollen natürlich in parlamentarische Verantwortung kommen", sagt Becker. Entscheidend sei aber nun erstmal die Kommunalwahl 2019. "Das ist unsere Basis, wir haben derzeit rund 400 kommunale Mandate im Land und hoffen natürlich auf einen deutlichen Zuwachs."

Und sonst? Becker kann sich vorstellen, dass die Bündnispartner für den Artenschutz schon bald wieder aktiv werden. "Lust haben wir schon und es gibt noch viele offene Baustellen - etwa beim Flächenverbrauch oder bei Naturschutzgebieten", betont Becker. Sie habe das Gefühl, dass aus dem aktuellen Bündnis für Artenschutz gar eine neue Umweltbewegung werden könne. "Wir haben gelernt, dass man auch den dicken Hintern der CSU bewegen kann, wenn man an einem Strang zieht."
(Marco Hadem und Christoph Trost, dpa)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Sollen Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.