Politik

01.09.2023

Aiwangers Flugblatt-Affäre: Verheerendes Krisenmanagement

Ein Kommentar von Thorsten Stark

Keine Frage: Der Sturm, der dem Vizeministerpräsidenten und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger gerade entgegenbläst, ist gewaltig. Er hat nicht einmal alle Fragen rund um das Flugblatt, das bei ihm vor 36 Jahren gefunden wurde, beantwortet, schon tauchen die nächsten heftigen Anschuldigungen auf. Hat er als Schüler mehrfach den Hitlergruß in der Klasse gezeigt, hat er auf Klassenfahrt Judenwitze erzählt, wie es jetzt frühere Mitschüler*innen behaupten? Und das, nachdem bekannt geworden war, dass in Aiwangers Schultasche damals ein Flugblatt mit widerlichen rechtsextremen Inhalten gefunden wurde?

Die Anschuldigungen, die immer noch mehr oder weniger alle im Raum stehen, wiegen schwer. Dass das mediale Dauerfeuer in den vergangenen Tagen immer heftiger loderte, lag aber nicht nur daran, sondern auch an der Reaktion eines der führenden politischen Repräsentanten in Bayern. Man muss schon fragen: Was war denn das bitte schön für ein Krisenmanagement? Entweder war er schlecht beraten – oder beratungsresistent.

So ungerecht er die Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung über den alten Vorfall auch empfunden haben mag: Nach mehrfachen Anfragen zu einer Stellungnahme hätte dem Politprofi bewusst sein müssen, dass der Artikel erscheinen wird, auch ohne seine Erklärungen. Er hatte also Zeit genug, sich eine Strategie zurechtzulegen. Doch eine erste Äußerung zu den Vorwürfen kam erst spät – und warf weitere Fragen auf. Dass noch später Aiwangers Bruder die Urheberschaft für sich reklamierte, mutete zumindest merkwürdig an. Geradezu verheerend wirkten die jüngsten Aussagen, er sei „seit dem Erwachsenenalter kein Antisemit, kein Extremist“. Er hat es sicher anders gemeint, aber es verleitet zur Frage, ob er dann in seiner Jugend Antisemit und Extremist gewesen sei.

Warum hat er sich nicht sofort hingestellt und in einer Pressekonferenz besonnen und umfassend über seine Sicht der Dinge gesprochen? Stattdessen wirkte er wie ein permanent Getriebener – von den Medien, den politischen Gegner*innen und auch vom Ministerpräsidenten Markus Söder. Erst am Donnerstag erklärte er sich, zeigte auch Reue. Es war womöglich zu spät.

Es mag sein, dass Aiwanger gerade viele Sympathien zufliegen, bei Weitem nicht nur von den Freien Wählern. Doch der öffentliche Druck wird weiter zunehmen. Der Ausgang bleibt offen, auch nach seiner Erklärung.

 

 

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