Politik

Zu klein, zu eng, aus der Mode gekommen - Gründe, den Kleiderschrank auszumisten, gibt es viele. (Foto: dpa/peter Schatz)

07.12.2025

Schwieriges Recycling: Altkleidersammlung vor dem Aus?

Eine neue EU-Richtlinie und die allgemeine Marktlage setzen der Recyclingbranche massiv zu

Lange Zeit war das Sammeln von Altkleidern ein lukratives Geschäft: Gemeinnützige Verbände wie die Diakonie oder das Bayerische Rote Kreuz (BRK) vertrieben einen Teil in den eigenen Second-Hand-Läden, der Rest wurde an Textilsortierer und -händler weiterverkauft. Mit dem Erlös deckten sie die Sammelkosten und finanzierten soziale Angebote wie die Seniorenarbeit. Doch die Zeit der sprudelnden Gewinne ist vorbei.

Mittlerweile können die Betreiber froh sein, wenn sie ihren Betrieb überhaupt noch aufrechterhalten können. Unzählige Container wurden schon abgebaut, einige private Firmen gingen pleite. Auch das BRK, einer der größten Sammler in Bayern, warnt eindringlich: Wenn keine finanzielle Hilfe kommt, droht der Altkleidersammlung in Deutschland das Aus.

Das hat mehrere Gründe: Die Qualität der Kleidung hat im Laufe der Jahre schwer nachgelassen und damit auch deren Verwertbarkeit. Hinzu kommen immer höhere Kosten für Personal und Logistik, weniger Absatzmärkte sowie ein Phänomen, das die Kommunen kaum mehr in den Griff bekommen: In den Containern landet jede Menge Müll, der mit hohem Aufwand von der Recyclingware getrennt werden muss. Das im Januar in Kraft getretene novellierte Kreislaufwirtschaftsgesetz hat das Problem noch deutlich verstärkt.

Das Gesetz setzt die EU-Abfallrahmenrichtlinie in Deutschland um. Ein Ziel der Richtlinie ist es, mit der Pflicht einer getrennten Sammlung die Recyclingquote von Kleidung und anderen Textilien zu erhöhen. EU-weit landen nämlich laut Europäischem Parlament 87 Prozent der getragenen Kleidung entweder auf Mülldeponien oder in Verbrennungsanlagen. Deutschland hat die EU-Vorgaben eigentlich schon erfüllt: Hier gibt es längst ein Altkleidersammelsystem. Mehr als 60 Prozent der benutzten Textilien werden darüber entsorgt.

Sogar tote Tiere wurden im Container entsorgt

Das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz geht aber noch einen Schritt weiter: Alle Textilien müssen in den Altkleidercontainer, also auch Vorhänge oder Bettwäsche – so, wie es in München auf freiwilliger Basis bereits praktiziert wurde. Nur dachten nun einige Verbraucherinnen und Verbraucher, sie dürften selbst verschmutzte oder beschädigte Textilien nicht mehr in die Mülltonne schmeißen – und warfen sie in die Sammelbehälter.

Doch in die Sammelbehälter gehören sie nicht, heißt es unisono von Betreibern sowie aus den Rathäusern und Landratsämtern. „Da derzeit eine sinnvolle Verwertung von stark verschmutzten, defekten oder unbrauchbaren Textilien praktisch nicht möglich ist, werden diese momentan weiterhin als Restmüll entsorgt“, erklärt etwa Carina Oberhuber, Sprecherin des Landratsamts München. Britta Walthelm, Referentin für Umwelt und Gesundheit und Erste Werkleitung des Abfallbetriebs der Stadt Nürnberg, verweist auf den „gesunden Menschenverstand“: Was man noch tragen könne oder noch gut erhalten sei, gehöre in die Altkleidersammlung. Alles andere sei selbstverständlich Müll.

Doch um den gesunden Menschenverstand ist es offensichtlich nicht gut bestellt. Auch nicht in Nürnberg: „Das Sammelsystem, das bei uns in Deutschland jahrelang gut funktionierte, wird durch die Richtlinie massiv belastet“, erklärt Walthelm. So nahm in der Frankenmetropole der Müll in und an den Containern seit Januar massiv zu. Sogar tote Tiere wurden dort gefunden. Massenweise wurden auch verdreckte Kleider unverpackt hineingeworfen und beschädigten so auch die noch brauchbaren Textilien.

Viele Container hätten den „Charakter von öffentlichen Abfalleimern“ gehabt, sagt Walthelm. Die Stadt zog mittlerweile gemeinsam mit dem zur Altkleidersammlung beauftragten BRK die Konsequenzen: 115 Container an 100 Standorten wurden abgezogen. Ähnliche Klagen über zugemüllte Container gibt es auch in zahlreichen anderen Kommunen Bayerns.

Wegen des verstärkten Müllproblems, der gestiegenen Kosten und der gesunkenen Nachfrage nach Alttextilien mahnt das BRK eine baldige Lösung an. Ab Anfang 2026 drohe die Kleidersammlung finanziell nicht mehr tragfähig zu sein und zum Draufzahlgeschäft für das BRK zu werden, erklärt Pressesprecher Sohrab Taheri-Sohi. „Im schlimmsten Fall ist mit einem vollständigen Stillstand der Altkleidersammlung zu rechnen.“

Rund 200 Euro pro Tonne

Taheri-Sohi rechnet vor: Aktuell zahle das BRK für die Entleerung der Container pro Tonne rund 200 Euro, womit man derzeit noch kostendeckend arbeiten könne. Da aber die Verträge mit einigen Dienstleistern ausgelaufen sind und zu wohl schlechteren Konditionen neu ausgehandelt werden müssen, droht ein gewaltiges Defizit. Beim BRK geht man von einem künftigen Erlös von etwa 50 Euro pro Tonne aus. Bei jährlich gesammelten 14 700 Tonnen wäre das ein Defizit von rund 2,2 Millionen Euro. Und da sind die Kosten für die Sortierung noch nicht eingerechnet.

Ein Teil der Lösung könnte ausgerechnet die EU-Abfallrahmenrichtlinie sein. Denn die sieht auch vor, die Hersteller der Textilien künftig stärker in die Verantwortung zu nehmen – entweder durch die Übernahme der Recyclingkosten oder durch eine bessere Verwertbarkeit des Materials. Momentan ist in Deutschland nur die Hälfte der gesammelten Textilien wiederverwendbar. Mit dieser Herstellerverpflichtung könne die Textilsammlung dauerhaft tragfähig sein, schätzt Marie Bund, die Sprecherin des Abfallwirtschaftsbetriebs München.

Aktuell dürfte das der Branche aber wenig helfen. Denn bis die sogenannte erweiterte Herstellerverantwortung von den EU-Mitgliedstaaten umgesetzt werden muss, wird noch viel Kleidung über die Ladentische und in die Container gehen. Stichtag ist erst der 17. April 2028. (Thorsten Stark)

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