Nach umfangreichen Ermittlungen zur Regensburger Korruptionsaffäre hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den suspendierten Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) erhoben. Ihm werden Bestechlichkeit in zwei Fällen, Vorteilsannahme, zwei wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen und fünf Verstöße gegen das Parteiengesetz vorgeworfen, wie die Staatsanwaltschaft am Donnerstag mitteilte. Außerdem angeklagt wurden ein Bauunternehmer, ein früherer Mitarbeiter des Unternehmers und der ehemalige SPD-Fraktionsvorsitzende im Regensburger Stadtrat.
Wolbergs soll den Unternehmer bei der Vergabe eines früheren Kasernenareals im Oktober 2014 bevorzugt haben. Im Gegenzug soll der Firmenchef an die Regensburger SPD von September 2011 bis März 2016 rund 475 000 Euro gespendet haben. Um die Herkunft des Geldes zu verschleiern und die Veröffentlichungsgrenze von 10 000 Euro nach dem Parteiengesetz zu unterschreiten, sei das Geld in 48 Einzelbeträgen zu je 9900 Euro über Strohmänner an die Partei geflossen.
Dem Unternehmer wird Bestechung in zwei Fällen, Vorteilsgewährung sowie Mittäterschaft bei den widerrechtlichen Absprachen vorgeworfen. Er soll Wolbergs, oder Personen, die diesem nahestehen, geldwerte Vorteile verschafft haben - etwa Vergünstigungen für zwei Eigentumswohnungen in Höhe von insgesamt rund 100 000 Euro.
Im Fall des 35 Hektar großen Kasernengeländes war die Baufirma des angeklagten Unternehmers nicht als Sieger aus der ersten Ausschreibung hervorgegangen. Bereits an seinem ersten Tag im Amt als neuer Regenburger OB im Jahr 2014 habe Wolbergs dann aber eine neue Ausschreibung angeordnet. Diese sei auf das Unternehmen zugeschnitten worden, ohne dass der Stadtrat davon gewusst habe. Der mitangeklagte frühere SPD-Fraktionschef soll Wolbergs dabei geholfen haben.
In seiner Funktion als Vorsitzender des Kreditausschusses der Sparkasse Regenburg soll Wolbergs zudem dem Unternehmer im Februar 2016 einen Kredit über 4,5 Millionen Euro verschafft haben.
Auch der Fußballverein SSV Regensburg soll in die Affäre verwickelt sein. Wolbergs wurde 2014 Mitglied des Aufsichtsrates. Im Gegenzug für den Zuschlag für das Kasernengelände soll der Unternehmer dem Verein eine Kapitalerhöhung von knapp drei Millionen Euro ermöglicht haben - nur sechs Tage, nachdem der Stadtrat über die Vergabe des Kasernenareals zugunsten von dessen Baufirma entschieden hatte.
Wolbergs war am 18. Januar 2017 verhaftet worden und kam zunächst in Untersuchungshaft. Das Landgericht Regensburg setzte den Haftbefehl am 28. Februar außer Vollzug, verhängte jedoch mehrere Kontaktverbote - damit Wolbergs nicht auf mögliche Zeugen einwirken kann. Das Landgericht Regensburg muss die Anklagen nun prüfen - erst wenn es sie zulässt, kommt es zum Prozess.
(
dpa)
Die Regensburger Korruptionsaffäre
Im Sommer 2016 gibt die Staatsanwaltschaft bekannt, dass sie gegen den Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) ermittelt. Zunächst geht es um den Verdacht auf Vorteilsannahme und -gewährung im Zusammenhang mit Parteispenden. In den folgenden Monaten entwickelt sich der Fall zur parteiübergreifenden Korruptionsaffäre - auch gegen den Ex-OB Hans Schaidinger wird ermittelt. Die Deutsche Presse-Agentur blickt auf die wichtigsten Stationen in diesem Skandal.
1996: Hans Schaidinger (CSU) wird Oberbürgermeister von Regensburg.
2008: Joachim Wolbergs (SPD) wird dritter Bürgermeister.
2012: Eine Wolbergs nahestehende Person kauft laut Staatsanwaltschaft dem Geschäftsführer einer Bauträgergesellschaft eine Eigentumswohnung ab und bekommt dabei einen Nachlass von 37 600 Euro. Außerdem organisiert der Unternehmer unentgeltlich die Renovierung eines Hauses, dessen Miteigentümer Wolbergs ist, und verschafft ihm einen Kostenvorteil von 1600 Euro.
Ende 2013/Anfang 2014: Nach den Ermittlungen vereinbaren Wolbergs und der mitbeschuldigte Baulöwe einen Deal: Wolbergs soll das Unternehmen bei einer Grundstücksvergabe unterstützen; der Unternehmer soll im Gegenzug eine hohe Summe Spenden an die SPD überweisen. Zudem soll er den Fußballverein SSV Jahn unterstützen.
2013-2015: Laut Anklagebehörde spendet der Unternehmer mit Hilfe von Strohmännern jährlich 108 900 Euro an den SPD-Ortsverein Regensburg Stadtsüden - gestückelt in Einzelspenden von rund 9900 Euro.
Januar 2014: Der Unternehmer bietet Schaidinger laut Staatsanwaltschaft einen lukrativen Beratervertrag in seiner Firma und eine Reise mit seiner Segeljacht an.
30. März 2014: Wolbergs gewinnt die Oberbürgermeisterwahl. Schaidinger durfte aus Altersgründen nicht mehr antreten.
1. Mai 2014: Wolbergs übernimmt das Amt des Oberbürgermeisters.
2. Mai 2014: Wolbergs informiert laut den Ermittlern die Verwaltung darüber, dass die SPD eine neue Ausschreibung für die ehemalige Nibelungenkaserne will.
Mai 2015: Schaidinger nimmt das Angebot des Unternehmers an, als Berater in dessen Firma tätig zu werden.
Juni 2014: Wolbergs wird Aufsichtsratsvorsitzender des SSV Jahn Regensburg.
Oktober 2014: Vergabe des begehrten Baugeländes der ehemaligen Nibelungenkaserne nach einer erneuten Ausschreibung an das Regensburger Immobilienunternehmen Bauteam Tretzel (BTT). Sechs Tage später beschließt die Gesellschafterversammlung des SSV Jahn eine Kapitalerhöhung, die der beschuldigte Unternehmer mit insgesamt 1,7 Millionen Euro verwirklicht.
Dezember 2014: Die CSU scheitert mit einer Rechtsaufsichtsbeschwerde zur Vergabe des Kasernenareals. Nach Ansicht der Regierung der Oberpfalz war die Grundstücksvergabe nicht zu beanstanden.
2015: Eine Wolbergs nahestehende Person kauft laut Staatsanwaltschaft dem beschuldigten Baulöwen eine Eigentumswohnung ab und bekommt dabei einen Nachlass von rund 40 000 Euro.
14. Juni 2016: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Wolbergs wegen Vorteilsannahme.
16. Juni 2016: Wolbergs beantragt ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst. Damit strebt er die Entlastung vom Verdacht eines Dienstvergehens an. Er beteuert seine Unschuld.
25. Juni 2016: Wolbergs räumt Versäumnisse im Umgang mit einem Privatdarlehen an seinen SPD-Ortsverein ein. Dass er dem Ortsverein Regensburg-Süd etwa 220 000 Euro zur Verfügung gestellt habe, ohne dies vom Landesverband der Partei genehmigen zu lassen, sei ein Fehler gewesen.
19. Juli 2016: Der Bundestag untersucht ebenfalls die mutmaßliche Parteispendenaffäre.
Ende 2016: Die Staatsanwaltschaft leitet Ermittlungsverfahren gegen Schaidinger und den Geschäftsführer der Bauträgergesellschaft ein.
18. Januar 2017: Die Staatsanwaltschaft verhaftet Wolbergs, den Geschäftsführer einer Bauträgergesellschaft sowie einen weiteren Beschuldigten wegen Bestechlichkeit beziehungsweise Bestechung oder Beihilfe zur Bestechung.
20. Januar 2017: Die Staatsanwaltschaft gibt nun auch offiziell bekannt, gegen Schaidinger zu ermitteln. Auch er soll in seiner Amtszeit das Wohnungsbauunternehmen rechtswidrig einseitig unterstützt haben.
23. Januar 2017: Der Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion Regensburg, Norbert Hartl, tritt von seinen Ämtern zurück. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft auch gegen Hartl.
25. Januar 2017: Die Landesanwaltschaft leitet ein Disziplinarverfahren gegen Schaidinger ein.
27. Januar 2017: Die Landesanwaltschaft suspendiert Wolbergs vorläufig vom Dienst.
3. Februar 2017: Die Landesanwaltschaft behält die Hälfte der Bezüge von OB Wolbergs ein. Der Beamte erbringe derzeit keine Gegenleistung, heißt es.
16. Februar 2017: Es wird bekannt, dass Wolbergs bei der Vergabe eines Kredites in Höhe von 4,5 Millionen Euro an den mitbeschuldigten Baulöwen zu Vorzugskonditionen als Mitglied des Verwaltungsrates der Sparkasse mitgewirkt haben soll.
28. Februar 2017: Das Landgericht Regensburg setzt den Haftbefehl gegen Wolbergs außer Vollzug. Das Gericht verhängt mehrere Kontaktverbote.
März 2017: Auch der verdächtige Bauunternehmer sowie ein weiterer Beschuldigter werden aus der U-Haft entlassen. In allen Fällen bestätigte das Landgericht, dass dringender Tatverdacht besteht und Verdunkelungsgefahr vorliegt. Angesichts der fortgeschrittenen Ermittlungen seien mildere Mittel jedoch ausreichend, hieß es.
27. März 2017: Wolbergs kündigt bei einer SPD-internen Sitzung an, dass er seine Ämter im SPD-Landesvorstand, als stellvertretender Bezirksvorsitzender und als Unterbezirksvorsitzender ruhen lässt. Er kam damit möglicherweise einem Parteiordnungsverfahren zuvor.
24. April 2017: Der ehemalige SPD-Fraktionschef Hartl tritt aus der Stadtratsfraktion aus.
27. Juli 2017: Die Staatsanwaltschaft Regensburg erhebt Anklage gegen Wolbergs wegen Bestechlichkeit in zwei Fällen, Vorteilsannahme und Verstöße gegen das Parteiengesetz.
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!