Politik

Schülerinnen in der Bibliothek des Johann-Schöner-Gymnasiums in Karlstadt (Bayern). (Foto: David Ebener/dpa)

05.11.2021

Anspruch und Wirklichkeit

Ab 2026 gibt es ein Recht auf Ganztagsbetreuung für Schulkinder – doch wie man das stemmen kann, ist völlig offen

Viele Eltern haben ihn herbeigesehnt, bei etlichen Kommunalpolitiker*innen und sozialen Trägern verursacht er hingegen Sorgenfalten: der kürzlich von Bund und Ländern getroffene Beschluss, dass Grundschulkinder ab 2026 einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung erhalten. Vor allem westdeutsche Flächenländer wie Bayern hätten hier großen Nachholbedarf, stellte kürzlich eine Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) und der TU Dortmund fest. 38 Prozent der Grundschulkinder im Freistaat haben demnach zwar einen Betreuungsplatz, Bedarf hätten jedoch 54 Prozent. Um den Rechtsanspruch zu erfüllen, brauche es zwischen 108 000 und 136 000 weitere Plätze. Je nach Personalschlüssel und Qualifikation seien dafür 4100 bis 7800 Vollzeitstellen nötig, was laut Studie Kosten von 300 bis 600 Millionen Euro pro Jahr verursacht. Die Investitionskosten für den Ausbau der Ganztagsbetreuung in Bayern beziffert sie mit 1,2 bis 1,5 Milliarden Euro.

Im bayerischen Sozialministerium gibt man sich trotzdem entspannt. Eine Sprecherin verweist unter anderem darauf, dass der Freistaat Anfang 2020 ein Förderprogramm zur Schaffung von bis zu 10 000 zusätzlichen Betreuungsplätzen aufgelegt habe. Außerdem seien die Zahlen deutlich höher als in der Studie angegeben: Laut Ministerium nutzen 55 Prozent der bayerischen Grundschulkinder eine Form der ganztägigen Betreuung, beispielsweise schulische Angebote, Horte oder Mittagsbetreuung. 

Das Problem dabei: Nicht alle Angebote erfüllen die ab Herbst 2026 geltenden Vorgaben. Diese sehen nämlich montags bis freitags einen Betreuungsumfang von je acht Stunden vor, inklusive Unterrichtszeit. Auch in den Ferien, abgesehen von einer maximal vierwöchigen Schließzeit pro Jahr. Außerdem müssen pädagogische Fachkräfte eingesetzt werden. Vor allem Letzteres dürfte in den Mittagsbetreuungen das größte Problem werden, denn hier sind etliche Quereinsteiger tätig. „Das sind sehr qualifizierte Leute“, sagt Stephanie Haan, Referentin für Kinder- und Jugendhilfe im bayerischen Landesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO), „aber oft ohne Erzieherausbildung oder sozialpädagogische Ausbildung.“ Ihre Befürchtung: Wegen des Fachkräftegebots könnte man dieses Personal nicht mehr weiter beschäftigen. Zwar sind bereits Fort- und Weiterbildungen geplant. Aber ob das reicht?

Klar ist: Für örtliche Schulträger, also Kommunen und Landkreise, ist der Rechtsanspruch mit hohen Kosten verbunden. Zwar will der Bund bis zu 3,5 Milliarden Euro für Investitionen im Bereich Ganztagsbetreuung bereitstellen sowie jährlich bis zu 1,3 Milliarden Euro für die Betriebskosten. Doch das werde bei Weitem nicht ausreichen, um die Ausgaben zu decken, sagt Gerhard Dix vom Bayerischen Gemeindetag: „Wir sehen hier auch den Freistaat in der finanziellen Verantwortung.“ Zumal der Ausbau möglicherweise in weit größerem Umfang erfolgen muss als in der DJI-Studie errechnet. „Ich vermute, dass wir für rund 80 Prozent der Grundschulkinder Betreuungsplätze brauchen werden“, sagt Dix und erinnert an die Einführung des Rechtsanspruchs für Kita- und Krippenplätze. Auch damals hätten sich deutlich mehr Eltern gemeldet als ursprünglich angenommen. (Brigitte Degelmann)

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