Massenprügeleien in Freibädern in Mannheim und Berlin, sexuelle Belästigung mehrerer Mädchen in Nürnberg: Die Schlagzeilen sind bestürzend. Und doch wäre es überzogen, sich davon den Schwimmbadbesuch vermiesen zu lassen. Denn in den allermeisten Bädern geht es deutlich ruhiger zu. Für Bayern scheint das ganz besonders zu gelten. Die polizeiliche Kriminalstatistik zeigt, so Florian Leitner von der Gewerkschaft der Polizei Bayern (GdP), keine signifikante Steigerung von Körperverletzungsdelikten in Schwimmbädern.
„In Bayern sind die Schwimmbäder sicher“, betont auch ein Sprecher des Innenministeriums. Im Jahr 2022 kam es in Schwimmbädern zu insgesamt 1287 Straftaten – weniger als in den Vor-Corona-Jahren. Zwar wurden 47 Fälle von Gewaltkriminalität im Freibad gemeldet, rund doppelt so viele wie vor der Pandemie. Aber aufs Ganze gesehen sind Straftaten deutlich die Ausnahme. Aggressionen und Prügeleien seien „jugendtypisch, nicht schwimmbadspezifisch“.
Ähnliches hört man aus der Landeshauptstadt. „Aktuell sind größere Konflikte bis dato erfreulicherweise nicht zu vermelden“, so eine Sprecherin der Münchner Stadtwerke. Bis zu einer Million Gäste besuchten im Jahr eines der Münchner Schwimmbäder. Dass sich darunter einige befänden, die Konflikte austragen wollten, sei nicht zu vermeiden. „Das ist im Bad nicht anders als im Park oder an anderen Orten, an denen viele Menschen zusammenkommen.“
Kein Grund zur Entwarnung
Ein Grund zur Entwarnung also? Nicht für Ralf Großmann, den Vorsitzenden des bayerischen Landesverbands der deutschen Schwimmmeister. „So extrem wie in Berlin ist es bei uns zwar nicht“, sagt er, „aber das wird auch bei uns ankommen.“
Von seinem Berufsalltag im Freibad Meitingen zeichnet er ein eher ungemütliches Bild. Immer häufiger werde er beschimpft und beleidigt. „Die kommen schon rein, grüßen nicht und stänkern.“ Großmann versucht, sich davon nicht provozieren zu lassen. „Manchmal überhöre ich das.“ Dann wieder bemüht er sich um ein Gespräch.
Denn natürlich hat auch Großmann ein Deeskalationstraining gemacht. Also sagt er Dinge wie: „Jungs, hört auf, das bringt nichts!“ Und erklärt, dass er hier einfach nur in Ruhe seinen Job machen will. Ab und an verfängt das. „Aber manchmal muss man auch laut werden.“
Zum Beispiel vor Kurzem, als ein Badegast sich auf Großmanns Kollegen stürzen wollte. Großmann ging dazwischen. „In solchen Fällen übe ich mein Hausrecht aus und fertig!“ Der Angreifer flog aus dem Schwimmbad.
Aber Spuren hinterlassen all die Respektlosigkeiten und Streitereien doch. Der Job leidet, wenn ständig deeskaliert werden muss. Viele Schwimmmeister, erzählt Großmann, hätten keine Lust mehr auf ihre Arbeit. Und überhaupt: „Irgendwann muss man durchgreifen. Wenn jetzt nicht vorgebeugt wird, will dann eine Kommune in zehn Jahren überhaupt noch ihr Bad aufmachen?“
Auch Jürgen Köhnlein von der Deutschen Polizeigewerkschaft Bayern empfiehlt, die Entwicklung in anderen Bundesländern durchaus ernst zu nehmen. Sie entspricht den Erfahrungen, die Polizisten und Polizistinnen überall machen, nicht nur im Freibad. „Übergriffiges und aggressives Verhalten, gerade durch Jugendliche, nimmt zu.“
Ärger gibt es vor allem in den Städten
Von Freibaddelikten seien vor allem bayerische Städte betroffen, auf dem Land komme es kaum dazu. „Nicht jeder Vorfall bedarf einer gezielten polizeilichen Aufmerksamkeit“, erklärt Köhnlein. „Teilweise handelt es sich um harmlose Schubsereien und Querelen.“ Übergriffe und Aggressionen gingen fast immer von Gruppen männlicher Jugendlicher oder junger Männer aus. Köhnlein sagt auch, woher diese Gewaltbereitschaft kommt: „Unzureichende Familienstrukturen, fehlende Vaterfiguren, schlechte Lebenssituationen, Perspektivlosigkeit und dergleichen mehr.“
Um der Entstehung eines „Angstraums Freibad“ bereits im Vorfeld entgegenzuwirken, seien die Schwimmbadbetreiber aufgefordert, die Verstöße in ihrer Hausordnung klar zu definieren und Hausverbote konsequent anzuwenden. „Wer betatscht oder randaliert, wird angezeigt und fliegt raus und muss sein Gemüt anderweitig abkühlen – aber nicht im Wasser im Freibad.“
Dabei setzt Köhnlein auf den verstärkten Einsatz von Sicherheitsdiensten. „Denn klassische Bademeister haben sich in erster Linie um eine sichere Badesituation und die Wasserqualität zu kümmern, nicht um das Gewaltpotenzial von Badegästen.“
Im Fall eines 20-Jährigen, der verdächtigt wird, vergangene Woche mehrere Mädchen in einem Nürnberger Schwimmbad sexuell belästigt zu haben, hält Köhnlein es für entscheidend, dass Polizei und Staatsanwaltschaft schnell handeln. „Jugendliche müssen merken, dass ihre Taten schnell Konsequenzen haben.“
Die GdP fordert ebenfalls Prävention, etwa verstärkte Zugangskontrollen in Bädern. Auch eine Kameraüberwachung sei denkbar, wegen der abschreckenden Wirkung.
Eine Absage erteilt die Gewerkschaft dem Vorschlag der Schwimmmeister, die Polizeipräsenz generell zu erhöhen. „Dass unsere Kolleginnen und Kollegen in Freibädern Streife laufen, lehnen wir kategorisch ab“, so Florian Leitner. „Dies gibt die ohnehin angespannte Personalsituation bei der bayerischen Polizei, die immer mehr Zusatzaufgaben übernehmen muss und nach zwei Jahren Corona-Pause immer mehr Großereignisse zu betreuen hat, keinesfalls her.“ (Monika Goetsch)
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