Politik

Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) auf dem Gillamoos-Festplatz. (Foto: dpa)

08.09.2017

"Auf den haben wir nicht gewartet"

Karl-Theodor zu Guttenberg tourt durch Bayern, und alle sind elektrisiert – allerdings sind viele CSU-Mandatsträger verstimmt

Das fränkische Wunder Karl-Theodor zu Guttenberg tourt derzeit als CSU-Wahlkampf-Matador durch Bayern – und alle sind elektrisiert. In einer aktuellen Umfrage wünscht sich eine Mehrheit der Unions-, FDP- und sogar der AfD-Wähler die Rückkehr zu Guttenbergs in die aktive Politik.

Der Zuspruch der Wähler indes ist indirekt proportional zur Begeisterung, die Guttenberg in der CSU-Landesgruppe sowie in der Landtagsfraktion auslöst. Auf den wegen einer Plagiatsaffäre zurückgetretenen Adligen habe man keineswegs gewartet, lästern CSU-Bundestags- ebenso wie Landtagsabgeordnete. Allerdings, räumt ein führender CSU-Mann aus Berlin ein, sei der Baron „ein begnadeter Kommunikator“ und verfüge „über Mobilisierungsfähigkeiten, die andere nicht haben“. Ein anderer CSU-Bundestagsabgeordneter sagt, er „verstehe den Hype nicht“. Die Erfolgsbilanz von zu Guttenberg im Bundestag sei überschaubar, „und es sollte doch um Politik gehen“. Viele in der CSU halten die vom Ex-Verteidigungsminister zu Guttenberg initiierte Abschaffung der Wehrpflicht inzwischen für einen Fehler.

In der Landtagsfraktion äußert man von offizieller Seite jedenfalls gebremste Euphorie. „Es freut mich, dass Karl-Theodor zu Guttenberg für volle CSU-Veranstaltungen sorgt“, so Fraktionschef Thomas Kreuzer. Der Baron habe in Fragen der Wirtschafts- und der Außen- und Sicherheitspolitik viel zur Debatte in Deutschland beizutragen. „Alle weiteren Fragen stellen sich derzeit nicht“, betont Kreuzer und verweist auf Aussagen Seehofers und Guttenbergs selbst. Was allerdings nur die halbe Wahrheit ist, nachdem Seehofer erst dieser Tage in einem Interview erklärt hatte, Guttenberg sei prinzipiell „überall“ einsetzbar, also in Berlin wie in München.

Eine Kritik: Guttenberg drängt Herrmann in den Hintergrund

Ex-Parteichef Erwin Huber sieht deshalb in Seehofer den Treiber dafür, dass derzeit in CSU-Kreisen über die Personalie Guttenberg „lebhaft spekuliert“ werde. Den aktuellen Hype erklärt auch Huber mit der anstehenden Bundestagswahl. „Veranstaltungen mit Guttenberg haben starken Zulauf, das tut uns gut im Wahlkampf“, sagt er. Es gehe um die Mobilisierung der eigenen Anhänger, das gelinge mit Guttenberg. Doch dass ein Comeback schon jetzt anstehe, wo sich Guttenberg weder um Amt noch Mandat bewerbe, glaubt Huber nicht. Die Rückkehr ist für ihn daher eher „mittelfristig“ eine Option – und wenn, dann in der Bundespolitik.

Hinter vorgehaltener Hand werden auch Landtagsabgeordnete deutlicher: „Wegen mir brauchen wir den nicht, wir haben genug gute Leute in der Partei“, erklärt einer aus der Nachwuchsriege. Würde Guttenberg jetzt ohne Amt und Mandat quer einsteigen, brüskiere das die, die sich durch Einsatz in den Gremien und Arbeit an der Basis einbrächten. In der CSU sorgt es für Verdruss, dass plötzlich zu Guttenberg „als faktischer Spitzenkandidat“ auftrete, während der in der CSU als honorig erachtete tatsächliche Spitzenkandidat Joachim Herrmann in den Hintergrund gedrängt werde.

Guttenberg habe einen „unglaublich großen Wortschatz, aber wenig Substanz“, lautet ein weiteres Urteil. Er sei einer für den Stimmenfang, aber keiner, dem man Partei oder Land anvertrauen sollte. Die aktuelle Heimholung und die damit verbundenen Spekulationen seien ein „typischer Seehofer“. Vor der letzten Landtagswahl habe der das gleiche Spiel mit Ilse Aigner gespielt. Von dieser rede derzeit keiner mehr – inklusive Seehofer. (Waltraud Taschner, Jürgen Umlauft)

Kommentare (4)

  1. Giorgio Bavarese am 10.09.2017
    Die Haltung der zitierten CSU-Politiker spiegelt nichts weiter als die altgewohnte, typische deutsche/bayerische Parteienmentalität wider. Politische Talente versucht man durch den Schulterschluss der Mittelmäßigen zu eliminieren. Politikschwächlinge, die es sich alleine nicht zutrauen, in der Konkurrenz zu zu Guttenberg bestehen zu können, proben offensichtlich bereits die Meutenbildung. Doch dieser Hase wird für diese Meute vermutlich ein wenig schnell sein.
  2. Thomas Mittelfranken am 10.09.2017
    Bei der Europawahl hat Seehofer auf Scharnagl und Gauweiler, zwei Europakritiker, gesetzt. Eine Schweinerei gegenüber unseren CSU-Europaabgeordneten. Das Ergebnis war ein Wahldebakel, das Seehofer aus mir unerfindlichen Gründen politisch überlebt hat. Jetzt setzt Seehofer auf jemanden, der aus Deutschland geflüchtet ist, weil er vom Leben hier angewidert und die Menschen hier überdrüssig war. Und niemand in der CSU steht auf und schreit: "Seehofer, spinnst Du? Verschwinde!" Unfassbar.
  3. NaAlso! am 10.09.2017
    Aber er sah dabei eben verdammt gut aus!
  4. otto regensbacher am 09.09.2017
    Die Winkelzüge des MP Seehofer sind schon immer etwas Besonderes.

    Den von Guttenberg wieder ins politische Geschehen zu holen, dabei hat Seehofer wohl einen Hintergedanken: Es gilt, mit allen Mitteln, dem Söder zu schaden.

    Was von Guttenberg betrifft: Was hat er eigentlich als Verteidigungsminister geleistet? Er war ein Showman, sonst nichts!
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