Politik

Die Drogenverherrlichung und -verharmlosung in sozialen Netzwerken bereitet Fachleuten große Sorgen. (Foto: dpa/Robin Utrecht)

18.07.2025

Auf Tiktok und Co wird die Sucht verherrlicht

Die Zahl der Drogentoten in Bayern ist rückläufig, bleibt aber hoch – soziale Medien verstärken das. Der Streit um Drogenkonsumräume bleibt bestehen

Zum zweiten Mal in Folge sanken die Zahlen: 2024 starben 214 Menschen laut Landeskriminalamt im Freistaat an Drogen. 2022 waren es noch 277 gewesen. Fakt ist indes: Die Zahl der Drogentoten bleibt bayern- und deutschlandweit sehr hoch. 

Anlässlich des Gedenktags für verstorbene Drogenabhängige am 21. Juli fordert Dirk Schäffer von der Deutschen Aidshilfe, endlich auch in Bayern Drogenkonsumräume zuzulassen.

Was den Drogenkonsum selbst anbelangt, steigen nach seinen Erkenntnissen die Zahlen kontinuierlich. Es scheine aktuell einen großen Wunsch danach zu geben, sich entweder mithilfe von Substanzen entweder aufzuputschen oder zu sedieren. Diesem gesellschaftlichen Trend müsse man sich stellen. Die Betroffenen zu kriminalisieren, führe zu Ausgrenzung. Und letztlich dazu, dass sie sich aus Angst vor Repressalien keine Hilfe holen.

Einen Grund für den steigenden Konsum sieht Schäffer in den sozialen Medien: „Auf Tiktok gibt es Wettbewerbe unter Jugendlichen, die sich beim Experimentieren mit Drogen filmen.“ Eine Studie im Auftrag der Berliner Kommission für Jugendmedienschutz hatte 2023 zum Ergebnis, dass Drogenverherrlichung und -verharmlosung auf Instagram, Tiktok und Youtube weitverbreitet sind. Auch die niedrigen Preise für Kokain und Crack sind für den Anstieg verantwortlich.

Nicht alle jungen Leute belassen es beim Experimentieren. Nicht allen gelingt der Ausstieg. Bei manchen dominiert die Sucht irgendwann den Alltag. Alles andere ist plötzlich nicht mehr so wichtig. Leute werden obdachlos. In der Obdachlosigkeit verschlechtert sich der Gesundheitszustand oft rapide.

Harte Drogen werden bei Minderjährigen beliebt

Zum Drogentod kommt es nicht nur durch Überdosierung, sondern auch durch Infektionen oder Schlaganfälle. Die Aidshilfe plädiert dafür, Drogenkonsumräume auch in Bayern zu eröffnen. Weltweit gibt es sie seit fast 40 Jahren: 1986 eröffnete die Drogenberatungsstelle „Contact“ im schweizerischen Bern die erste Fixerstube. In Deutschland dürfen Drogenkonsumräume seit März 2000 eingerichtet werden. Hier erhalten Süchtige saubere Spritzen. Drogen können hygienisch und sicher konsumiert werden. Infektionen werden vermieden. Nicht selten schlagen Fixerstuben Dirk Schäffer zufolge Brücken in die Substitution, Therapie, Reha oder zu Wohnprojekten. Rein fachlich gibt es laut Schäffer keinerlei Zweifel mehr daran, dass Drogenkonsumräume Leben retten.

Schäffer sagt, dass Vertreter von Städten wie Augsburg, Regensburg und München versuchen, die Staatsregierung vom Nutzen der Drogenkonsumräume zu überzeugen. Denn Städten ist die Eröffnung von Fixerstuben verboten.

Für eine Integration von Drogenkonsumräumen in die Suchthilfe spricht sich auch Olaf Ostermann von Condrobs in München aus. Schätzungen zufolge könnten dadurch bis zu 80 Prozent der Drogentoten reduziert werden. Dies jedenfalls legen Erfahrungen aus Frankfurt am Main nahe. Laut Jürgen Klee von der Aidshilfe gab es 1991 in Frankfurt noch 150 Drogentote. In den vergangenen Jahren starben in der hessischen Metropole jährlich nur noch rund 30 Menschen an den Folgen ihrer Rauschgiftabhängigkeit.

Sorgen bereitet Ostermann, dass inzwischen sehr junge Leute wieder Opiate konsumieren. Bis 2018 hatte es Condrobs kaum mit minderjährigen Konsumenten harter Drogen zu tun. Laut Landeskriminalamt war der jüngste Drogentote 2024 erst 16 Jahre alt.

Gemäß Fabian Puchelt vom Bayerischen Landeskriminalamt handelt es sich bei den Drogentoten in Bayern im vergangenen Jahr (Zahlen für die ersten Monate 2025 stehen noch nicht zur Verfügung) häufig um Konsumenten von Heroin. Danach rangieren Kokain, Amphetamin und Fentanyl. Mehr als jeder fünfte Drogentote stammt aus dem Ballungsraum München: „Die geringste Anzahl ist in den Polizeipräsidien Schwaben Nord, Oberfranken und Mittelfranken zu verzeichnen.“ Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen. Der älteste Drogentote zählte 80 Jahre.

„Jeder Drogentote ist einer zu viel“, betont Bernhard Seidenath (CSU), Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Landtag. Um Todesfälle zu verhindern, sei Prävention das „Allerwichtigste“. Bayerns Drogenpolitik setzt nach seinen Worten auf einen „bewährten Dreiklang“: auf Prävention, Hilfe und Unterstützung, „aber auch auf konsequente Strafverfolgung bei illegalem Drogenhandel“. Drogenkonsumräume lehnt Seidenath ab. Besitz und Erwerb bestimmter Drogen strafrechtlich zu verfolgen und gleichzeitig den Konsum in Fixerstuben staatlicherseits zu tolerieren, geht für ihn nicht zusammen. (Pat Christ)

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