Arabische Touristen lieben Bayern: Sie kommen seit Jahren zum Shoppen, Schlösser-Gucken – und wegen des hiesigen Gesundheitssystems. Weil Bayerns Mediziner einen guten Ruf haben, lassen sich Araber besonders gern im Freistaat kurieren. Einer der Gründe dafür, dass der Gesundheitsausschuss die Emirate bereiste. Man wollte aber auch herausfinden, was Bayern von Arabien lernen kann.
Fahrstuhlmusik plätschert zu Klischeebildern von Bayern – Neuschwanstein, Nürnberger Burg, Flughafen München, wo ein BMW-Cabrio vorfährt – schließlich eine Frau im Dirndl an einer Zirbelholzrezeption, dann ein milde über den Rand seiner Brille hinwegerklärender Arzt, später schneller geschnittene Bilder von Sport und Wellness. Immer wieder taucht ein Mann offenbar arabischer Herkunft in traditionellem Gewand samt Kopftuch auf. Was sich in die Länge zieht wie ein Spot vom Fremdenverkehrsamt, ist das Video "Bavaria – A better state of health" (
siehe unten). Der Film ist von 2011, und die dazugehörige Website www.state-of-health.bayern.de ist längst offline, doch die arabischen Gesundheitstouristen kommen auch so in den Freistaat: 3500 Patienten im Jahr 2014 allein aus den Golftstaaten, um sich stationär behandeln zu lassen, und etwa ebenso viele noch einmal zur ambulanten Behandlung, sagt das Gesundheitsministerium. „Dies zeigt eindrucksvoll: Unsere bayerische Hochleistungsmedizin ist bekannt und genießt international größtes Vertrauen!“, freut sich Ministerin Melanie Huml (CSU).
Vielleicht muss Huml die Kampagne bald wieder aufmöbeln und reaktivieren, denn: „Es gibt eine Tendenz, die uns hellhörig macht“, sagt Kathrin Sonnenholzner (SPD), Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bayerischen Landtag, die in dieser Woche mit zehn Ausschusskollegen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) besucht hat. „Thailand und Korea versuchen, die Patienten hier für sich zu gewinnen.“ Den Emiratis könnte es egal sein, wo sie sich behandeln lassen, denn diese asiatischen Länder „sind von den VAE aus genauso schnell erreichbar wie wir“, gibt Sonnenholzners Stellvertreter Bernhard Seidenath (CSU) zu bedenken. Außerdem gehe Abu Dhabi immer mehr dazu über, eigene Strukturen aufzubauen, die bewirken sollen, „dass die Patienten eben nicht mehr zur Behandlung weggehen“.
Eine konkrete Perspektive gibt es im Kur- und Reha-Bereich
Zwar genieße – so die Reiseteilnehmer – die Behandlung in Bayern einen guten Ruf in den VAE, doch Gefahren drohen auch aus einer ganz anderen Ecke: „Wir haben von den Vertretern der deutschen Wirtschaft hier gehört, dass der Ruf Deutschlands auch durch Themen wie VW-Skandal und ,dass wir keinen Flughafen bauen können’ insgesamt leidet“, berichtet Sonnenholzner. Und beruft sich auf Gespräche vor Ort mit Vertretern der Medizintechnikbranche, der Außenhandelskammer, der Botschaft, den Behörden in Abu Dhabi und Dubai, mit Versicherungsvertretern und Klinikleitungen. Ausschuss-Kollege Karl Vetter (FW) berichtet, dass nach wie vor die Qualität der Behandlung in Deutschland gelobt werde, aber: „An Service und Preisen wird Kritik geübt“.
So richtig willkommen fühlen sich viele Emiratis zum Beispiel in München sicherlich nicht, wenn sie die Zeitungen lesen: Da wird die 17-Millionen-Spende des Scheichs von Oman für den Neubau der LMU-Kinderklinik hinterfragt und eben nicht nur bejubelt, da werden Petitionen eingereicht und Gerichtsurteile angestrengt, weil die Nachbarschaft sich am Verhalten der mitreisenden arabischen Familien stört. Ein weiteres Problem sind selbsternannte Patientenvermittler: In Abu Dhabi entscheidet noch ein staatliches Büro, wer wohin zur Behandlung ausreist. Emiratische Staatsbürger bekommen nicht nur die Behandlung, sondern auch den Aufenthalt von Angehörigen und Taschengeld für diese bezahlt. „Aber hier in Deutschland ist eine Art Grauzone entstanden“, sagt Kathrin Sonnenholzner. „Offenbar sind es irgendwelche nicht vereidigten Dolmetscher, die sich da nebenher bei Patienten oder auch bei Praxen und Kliniken durch Provisionen bereichern“, meint Sonnenholzner während der Reise. „Aber wir haben in Dubai gehört, dass jetzt in München ein Büro eingerichtet wurde, das solche Dinge verhindern soll.“
Die Reise war unnötig, glauben die Grünen
Was die Ausschussvorsitzende besonders beeindruckt hat: Es gibt in Abu Dhabi einen Capacity Masterplan. Darin werde festgelegt, wo in dem schnell wachsenden Staat welche medizinische Versorgungseinrichtung nötig sei, zum Beispiel pro 6000 Einwohner ein ambulantes medizinisches Zentrum und pro 30 000 Einwohner ein Krankenhaus. „Der Plan ist prospektiv, also in die Zukunft gerichtet, so etwas fehlt bei uns völlig“, sagt Sonnenholzner.
Eine konkrete Perspektive für bayerische Kommunen gibt es im Kur- und Reha-Bereich, denn solche Einrichtungen existieren in den VAE kaum. Diese Erkenntnis will Sonnenholzner nützen, um die Ministerien in Bayern zu aktivieren. „Wechselseitige Kooperationen sind hier sehr erwünscht, da brauchen die bayerischen Kurbäder und Reha-Einrichtungen aber mehr Unterstützung vom Staat.“
Nur elf der 18 Ausschussmitglieder waren bei der Reise von Sonntag bis Donnerstag (3. März) dabei und haben das durchgetaktete Programm mitgemacht. Die Grünen haben sich ganz bewusst dagegen entschieden: „Uns hat sich der Sinn der Reise nicht erschlossen“, sagt deren Gesundheitspolitiker Ulrich Leiner. „Wir denken, es hilft uns nicht weiter, dort hinzufahren, weil von dort die Medizintouristen ja zu uns kommen. Da kann ich fachlich nichts draus ziehen.“
Die Grünen finden außerdem, dass die politische Situation in den Emiraten „nicht so ist, dass medizinische Hilfe von uns nötig ist“. Da gehe es vielmehr um Menschenrechte, Rechte von Homosexuellen und Frauen. Letztere waren allerdings ein Thema beim Ausschussbesuch, wenn auch eher „als Nebenbefund“, wie Kathrin Sonnenholzner sagt: „Wir haben sehr viele toughe Frauen auf hohen Führungsebenen getroffen. Da ist Bayern lange noch nicht so weit.“ (
Anja-Maria Meister)
Info: Reisen der Ausschüsse
4400 Euro stehen jedem Landtagsabgeordneten pro Wahlperiode zur Verfügung. In der vergangenen Woche verreisten neben dem Gesundheitsausschuss auch der Rechtsausschuss (nach Kuba), der Bildungsausschuss (nach Finnland) und der Petitionsausschuss (nach Brüssel).
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