Politik

Erentrud Stark ist seit 1945, dem Gründungsjahr der CSU, Mitglied in der Partei. (Foto: Armin Weigel/dpa)

07.09.2020

Bayern, Berlin, Brüssel: Die CSU wird 75

Nicht nur das Land Bayern hat die CSU seit ihrer Gründung mit ihrer Politik geprägt. Dabei hat sich die Partei immer mit verändert. Und muss dies auch weiterhin tun, findet Parteichef Söder

Auf ihren Eintritt in die CSU ist Erentrud Stark bis heute stolz. Das war 1945, sie war ein Teenager. "Und wir hatten die schlimme Nazi-Zeit gerade hinter uns", erinnert sich die 92-jährige aus Fürstenzell bei Passau im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Die Idee zur Mitgliedschaft habe ihr Bruder gehabt, nach dem Krieg an der Ostfront. "Hier konnte man endlich ohne Angst vor den Nazis sagen, was man denkt." Erst habe sie gefürchtet, eine Mitgliedschaft sei teuer. "Aber das stimmte nicht, ich glaub, es waren nicht mal fünf Mark, und die habe ich mir beim Nachhilfeunterricht dazuverdient."

75 Jahre ist es nun her, dass die CSU gegründet wurde und Erentrud Stark in die Partei eintrat. Beide haben seither viel erlebt, und wenn man mit der alten Dame über die Geschichte der CSU spricht, gerät sie immer wieder ins Schwärmen. Dabei fallen immer wieder zwei Namen: Franz Josef Strauß und Alois Hundhammer. Wie viele in der CSU verehrt Stark den einstigen Parteichef Strauß bis heute. Und Hundhammer, den auch in Bayern weniger bekannten Ex-Minister und Landtagspräsidenten, habe ihr Vater gut gekannt.

Strauß und Hundhammer gehörten zu den Gründern der CSU. Für Stark verdienen sie aber nicht nur deshalb Respekt: "Am Aschermittwoch 1974 habe ich von beiden in Passau eine persönliche Widmung mit Autogramm bekommen. Das ist ein Heiligtum, das bewahre ich gut auf." Lachend fügt sie hinzu: "Meine Kinder haben mich immer dafür verspottet, dass ich dafür so lange vor der Nibelungenhalle auf Strauß gewartet habe."

Dass die CSU ihren 75. Geburtstag am nächsten Samstag wegen der Corona-Krise nicht groß feiern kann, ist für Erentrud Stark schrecklich: "Eine Feier wäre mehr als angebracht, aber es geht einfach nicht."

Dabei wurde das Jubiläumsdatum 12. September nachträglich festgelegt. "Vor 75 Jahren wurde in München die CSU gegründet. Später folgten weitere Gründungen in ganz Bayern, ehe sich erst am 8. Januar 1946 ein Landesverband formierte", sagt der Vorsitzende der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung, Markus Ferber. Beim Treffen in München wurde auch der Name "Bayerische Christlich-Soziale Union" beschlossen.

Erentrud Stark (95) setzt große Hoffnung auf Söder

In der Folge wuchs die CSU stetig, Anfang der 1970er Jahre hatte sie erstmals mehr als 100 000 Mitglieder. 1990, im Jahr der Wiedervereinigung, waren es 186 000, bis heute der Rekord, aktuell sind es nach Angaben der Partei rund 140 000. Wie auch die CDU oder auch die SPD kämpft die CSU seit Jahren nicht nur mit einer Überalterung. Das Durchschnittsalter der Mitglieder beträgt derzeit 59 Jahre, und mit 21 Prozent sind Frauen deutlich unterrepräsentiert. Zum Vergleich: 1990 waren gar nur 15 Prozent der Mitglieder weiblich.

Dass die CSU von einer Regionalpartei zu einer Partei heranwachsen würde, die nicht nur über Jahrzehnte die Regierung in Bayern stellt, sondern auch auf Bundes- und Europaebene Einfluss hat, konnte sich 1945 vermutlich keiner vorstellen. In ihrem ersten programmatischen Konzept, der Zehn-Punkte-Erklärung, wurden mit dem Wiederaufbau des Deutschen Reichs, sozialer Gerechtigkeit, "der rücksichtslosen" Bekämpfung von Korruption sowie der internationalen Friedensgestaltung aber bereits Ziele weit über den Freistaat hinaus formuliert.

Dabei, davon kann auch Erentrud Stark viele Geschichten erzählen, hat die CSU seit 1945 nicht nur Erfolge gefeiert, sondern auch viele Krisen durchstehen müssen. Für Stark gehört dazu auch, dass die CSU bei Wahlen nicht mehr an die Ergebnisse früherer Jahre mit Werten von 60 Prozent und mehr herankommt. Die Machtkämpfe mit der CDU - 1976 mit dem Kreuther Trennungsbeschluss zur Auflösung der Unionsfraktion im Bundestag und 2015 mit dem Streit um die Zuwanderung - habe sie genau verfolgt. "Es war gut, dass die CSU für ihre Ansichten gekämpft hat."

Auf der heutigen Parteichef Markus Söder setzt Stark große Hoffnungen - er sollte aus ihrer Sicht in die Fußstapfen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) treten. "Er ist zwar nicht so wie Strauß, der konnte wie kein anderer auf den Tisch hauen, aber er kann gut reden und ist sehr sympathisch. Ich hoffe, dass er die Nachfolge von der Merkel kriegt. Aber das wird noch ein Riesenkampf."

Söder selbst sieht die Partei in einem Dauerreformprozess: "Die CSU muss immer modern bleiben, um das Lebensgefühl der Menschen zu repräsentieren. Volksparteien sind auch ein Spiegel ihrer Zeit, sie dürfen gesellschaftlichen Entwicklungen nicht hinterherlaufen, sondern sie müssen sich aus und mit der Bevölkerung entwickeln." Die CSU sei immer dann am stärksten gewesen, wenn sie das Lebensgefühl der Bayern abgebildet und danach ihre Politik definiert habe. "Nicht ideologisch, aber auch nicht beliebig."

"Wir haben uns in den letzten zwei Jahren neu positioniert", betont Söder. Er verweist dabei auch seinen auf dem Parteitag vor einem Jahr nur bedingt gelungenen Versuch, Frauen bessere Chancen in Führungsgremien zu geben. "Auch in der ökologischen Frage haben wir uns fundamental weiterentwickelt. Wir sind auf dem richtigen Weg."
(Marco Hadem, dpa)

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