Politik

Das Niedrigwasser der Donau behindert regelmäßig die Binnenschifffahrt in Bayern. (Foto: dpa/Armin Weigel)

09.09.2022

"Bayern ist weniger anfällig für Dürrefolgen"

Klimaforscher Andreas Marx über die Folgen der zunehmenden Hitzeperioden für die Wasserversorgung in Deutschland und Bayern

Klimaforscher Andreas Marx vom Helmholtz-Zentrum warnt auch für Deutschland vor zunehmenden Dürren im Sommer. Die Trinkwasserversorgung sieht er bis auf regionale Ausnahmen nicht in Gefahr, doch für Teile des Landes, beispielsweise Franken, seien Dürren zunehmend ein Problem. Daran, dass die Deutschen aufgrund höherer Trinkwasserpreise mehr Wasser sparen würden, glaubt er nicht.

BSZ: Herr Marx, Italien erlebt gerade das trockenste Jahr seit zwei Jahrhunderten. Manche Städte haben den Gebrauch von Trinkwasser stark rationiert. Auch anderswo in Südeuropa wurde wegen Wasserknappheit der Notstand ausgerufen. Wie dramatisch ist die Lage in Europa?
Andreas Marx: Europa ist großflächig von Dürren betroffen – von der Ukraine über Zentraleuropa bis Italien und Frankreich. Spanien und Portugal sind sogar flächendeckend von Dürre betroffen. Ein so großes kontinentales Wasserdefizit habe zumindest ich bislang noch in keinem Jahr wahrgenommen. Die Böden sind in vielen Ländern stark ausgetrocknet. Das Pflanzenwachstum ist deshalb nicht so, wie es in normalen Jahren wäre.

BSZ: In Deutschland sind die Niederschläge seit Wochen gering, die Pegel vieler Flüsse stark gesunken. Auch 2018, 2019 und 2020 hatten wir sehr trockene Sommer.
Marx: Es ist nicht das Problem, dass die Böden mal trocken sind. Das Problem ist, dass die Böden über Jahre hinweg bis in große Tiefen hinein ausgetrocknet sind. Der Niederschlag, der seit Mitte 2018 gefallen ist, hat nicht gereicht, um die Böden wieder ausreichend feucht zu machen. In der Folge wird das Grundwasser nur noch wenig gespeist: Denn damit sich neues Grundwasser bilden kann, muss der Boden so nass sein, dass der Niederschlag durch den Boden bis zum Grundwasser durchlaufen kann. Die zuletzt trockenen Böden bedingen dagegen, dass die Grundwasserstände stagnieren oder fallen.

BSZ: Und das heißt?
Marx: Als Folge haben wir auf Deutschlands Flüssen fast überall extrem niedrige Pegelstände. Das hängt damit zusammen, dass ein großer Teil des Wassers in den Flüssen im Sommer normalerweise nicht aus der Welle von oben kommt, sondern über das Grundwasser seitlich in die Flüsse fließt. Wenn wie vielerorts die Grundwasserstände jedoch seit Jahren fallen, bedeutet dies, dass weniger Wasser in die Flüsse fließt und die Pegel deutlich sinken. So gab es dieses Jahr auf dem Rhein schon außergewöhnlich früh Probleme, die Kohle per Schiff zu den Kraftwerken zu bringen. Auch Konzerne wie BASF haben wegen des Niedrigwassers Probleme bei der Lieferung von Rohstoffen.

BSZ: Inwieweit wird die Trinkwasserversorgung beeinträchtigt?
Marx: Wir haben bei der Trinkwasserversorgung nur lokal Probleme. Deutschland hat eine unglaublich gute, regional vernetzte Infrastruktur. Wir sind eine sehr wasserreiche Region, die unterschiedlichste Wasserquellen nutzt. Wir haben Talsperren, in denen wir Wasser im Winter sammeln, das wir dann im Sommer nutzen können. Es gibt hierzulande Tausende von Trinkwasserbrunnen, teilweise nehmen wir auch Wasser aus Flüssen für die Trinkwasserversorgung. Deutschland hat ein sehr gutes Leitungsnetz: Das Wasser wird aus verschiedenen Regionen über viele Kilometer hinweg dorthin transportiert, wo es benötigt wird. Selbst bei einem so außergewöhnlich seltenen Extremwetterereignis, wie wir es derzeit erleben, bricht deshalb die Trinkwasserversorgung hierzulande nicht zusammen.

BSZ: Sind Sie dennoch besorgt angesichts der derzeitigen Situation?
Marx: Ein Forscherteam um meine Kollegen Rohini Kumar und Oldrich Rakovec hat in Langzeitsimulationen die historischen Dürren im Zeitraum von 1766 bis 2020 rekonstruiert. Seit dem Startpunkt ist in Europa der Studie zufolge keine Dürre so heftig gewesen wie die von 2018 bis 2020. Doch dieses sehr starke Extremereignis wird nicht für immer andauern. Natürlich ist es nicht so wie bei einem Hochwasser, dass das alles nach drei, vier Tagen vorbei ist. Eine Dürre dauert mindestens ein halbes Jahr – und bis sich ein Dürreereignis in größeren Tiefen wieder auflöst, kann es sogar Jahre dauern. Aber klar ist: Es geht wieder vorüber. Wir sind in Mitteleuropa in der glücklichen Situation, dass der Jahresniederschlag in Zukunft leicht steigen wird. Das heißt, Deutschland wird eine wasserreiche Region bleiben. Deshalb sehe ich keine Gefahr für die Trinkwasserversorgung.

„Selbst bei einer Verdoppelung des Preises wäre Wasser noch sehr billig“

BSZ: Bislang wird in Deutschland gerade einmal ein Prozent der Wasserentnahmen für die Landwirtschaft genutzt. Das Umweltbundesamt geht aber davon aus, dass der Bewässerungsbedarf tendenziell zunehmen wird. Könnte das in Sommern mit weniger Niederschlägen zu Problemen führen?
Marx: Derzeit spielt Bewässerung in der Landwirtschaft in Deutschland außerhalb von Niedersachsen de facto keine Rolle. Und dort stellt man sich schon heute darauf ein. So wird etwa im Winter Wasser aus Flüssen entnommen und dem Grundwasser zugeführt. Im Sommer hat man dann ein höheres Wasservolumen für die Landwirtschaft zur Verfügung. Wenn in der Landwirtschaft mehr bewässert werden würde, wäre dies in normalen Zeiten kein Problem. Bei einer Extremsituation wie jetzt, wo jahrelang die Grundwasserstände sinken, ist es aber eine ganz schlechte Idee, Grundwasser für die Bewässerung in der Landwirtschaft zu nutzen.

BSZ: Wie zentral sind die Beschaffenheit der Böden und die Versiegelung vieler Flächen für eine mögliche Wasserknappheit?
Marx: Die Versiegelung der Böden führt dazu, dass das Wasser nicht in den Boden eindringen kann und schnell abläuft. In manchen Städten wird da schon gegengesteuert und darauf geachtet, dass es mehr Flächen gibt, auf denen das Wasser regional versickern kann und nicht in der Kanalisation landet. So wird auch Überschwemmungen vorgebeugt.

BSZ: In Bayern stellten zuletzt bei einer Umfrage 80 Prozent der teilnehmenden Landkreise und kreisfreien Städte eine Wasserknappheit fest. Ist Bayern mehr oder weniger als andere Regionen von drohender Wasserknappheit betroffen?
Marx: Bayern ist insgesamt weniger anfällig für Dürrefolgen als die meisten anderen Bundesländer, jedoch gibt es regional große Unterschiede. Die regenreichen Gebiete südlich der Donau sind in den letzten Jahren relativ gut durch die Dürre gekommen. Dementgegen haben Land-, Forst- und Wasserwirte in weiten Teilen Frankens erhebliche Einschränkungen und dürrebedingte Schäden erlebt. Nicht umsonst tragen Regionen Namen wie zum Beispiel „Fränkische Trockenplatte“ in Unterfranken. Auch in Normaljahren regenarme Gebiete sind unter Dürre noch einmal stärker betroffen.

BSZ: Wie können sich Städte und Landkreise besser gegen eine drohende Wasserknappheit rüsten?
Marx: Die Kommunen können in Extremsituationen, wie jüngst zum Teil geschehen, Wasserentnahmeverbote aussprechen oder die private Wassernutzung einschränken. In vielen Regionen Deutschlands durfte man zuletzt zwischen 10 und 18 Uhr zu Hause die Grünflächen nicht mehr bewässern. Dass sich manche Landräte bei ihren Bürgern für diese Einschränkungen entschuldigt haben, zeigt, dass viele Menschen noch nicht verstanden haben, in was für einem außergewöhnlichen Dürreereignis wir uns gerade befinden. Die Dürre hat in vielen Sektoren der Wirtschaft Milliardenschäden verursacht.

BSZ: Manche Fachleute etwa beim Umweltbundesamt halten höhere Preise für sinnvoll, um den Wasserverbrauch hierzulande zu reduzieren. Sie auch?
Marx: Selbst bei einer Verdoppelung des Wasserpreises wäre Wasser immer noch sehr billig. Ich denke nicht, dass Erhöhungen beim Wasserpreis für Privatverbraucher etwas bringen würden. Die Menschen zahlen ja im Geschäft für eine Flasche Wasser mitunter das Tausendfache von dem, was es aus der Leitung kosten würde – dabei ist die Qualität des Leitungswassers in vielen Regionen sehr gut. (Interview: Tobias Lill)

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