Politik

Gemeindetagspräsident Uwe Brandl (CSU). Foto: Armin Weigel/dpa

13.08.2019

Kommunen lehnen Deckelung des Flächenverbrauchs ab

Beim Thema Flächenbegrenzung verhärten die Fronten zwischen dem Bayerischen Gemeindetag und den Grünen. Nachdem Verbandspräsident Uwe Brandl der Ökopartei „Dirigismus in Reinkultur“ und „nicht zu überbietende Schizophrenie“ vorgeworfen hatte, titulierte Fraktionschef Ludwig Hartmann die „Funktionärsriege des Gemeindetags als Hort der Unwilligen und Unbelehrbaren“. Brandl, so Hartmann, predige „entfesselten Flächenfraß“.

Rückblick: Vor gut einem Jahr scheiterte das von Naturschützern und Grünen beantragte Volksbegehren „Betonflut eindämmen – damit Bayern Heimat bleibt“ wegen Unzulässigkeit. Dies hatte der Bayerische Verfassungsgerichtshof entschieden. Die gesetzlichen Voraussetzungen seien nicht gegeben, sagte der Präsident des Gerichts, Peter Küspert, bei der Urteilsverkündung. Durch die Ziele des Volksbegehrens würde die kommunale Planungshoheit unzulässig eingeschränkt.

Doch damit wollen sich die Grünen nicht abfinden, präsentierten einen neuen Gesetzesentwurf. „Wir brauchen eine verbindliche Höchstgrenze von fünf Hektar pro Tag in Bayern“, fordert Ludwig Hartmann. „Das ist eine Halbierung des Istzustands. Es ist dann an den Planern und Architekten, intelligente bauliche Lösungen zu schaffen: Ein mehrstöckiges Parkhaus statt des ebenerdigen Parkplatzes, Hochregallager statt großflächiger Lagerhallen.“

Uwe Brandl kontert: „Wir lehnen eine staatliche Deckelung des Flächenverbrauchs bei der kommunalen Planung kategorisch ab. Es ist politisch nicht fair und gesellschaftspolitisch riskant, den Kommunen dafür Fesseln für ihre Entwicklung in Gestalt von starrem Flächenvorgaben anzulegen. Und der Gemeindetagspräsident fügt hinzu: „Bayerns Gemeinden und Städte bauen Straßen, damit die Menschen in Stadt und Land gleichberechtigt mobil sein können. Sie bauen Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser und Seniorenheime, um die sozialen Bedürfnisse der Menschen zu decken.“

Durch Gewerbebauten, Büros und Fabriken sorgten Kommunen zudem dafür, dass Menschen überall in Bayern ein Einkommen hätten und nicht abwandern müssten. „Und vor allem schaffen sie bezahlbaren Wohnraum, damit die Menschen ein Dach über dem Kopf haben, was einem derzeit besonders drängenden Anliegen entspricht. Dafür müssen selbstverständlich Flächen bereitgestellt werden.“

Beispiel 4000-Einwohner-Ort: Schon für eine neue Kita reichen 2400 Quadratmeter nicht aus

Die von den Grünen vorgegebene Richtgröße – etwa 2400 Quadratmeter für eine 4000 Einwohner zählende Kommune – sei nicht praktikabel. Ein durchschnittlicher Gewerbebetrieb, rechnet Brandl vor, brauche schon mindestens einen Hektar. Auch ein vernünftiger Radweg, einen dreigruppigen Kindergarten oder ein sozial gerechtes Geschosswohnungbauvorhaben sei damit nicht zu realisieren.

Der Gemeindetag hat sich aber auch Gedanken für einen Ausweg gemacht, „Vorschläge für ein integriertes Innenentwicklungs- und Flächenoptimierungsgesetz (3-Säulen-Modell) heißt das Konzept. Zunächst sollten Bund und Land sollten ihre infrastruktur- und baupolitischen Förderprogramme dahingehend prüfen, ob diese nicht mit einer „flächeneffizienz- und innenentwicklungssteigernden Lenkungswirkung“ – etwa mit einer Flächenbegrenzung beim Baukindergeld. Außerdem müsse der Gesetzgeber an Baugesetzbuch ran. Derzeit existiere noch ein „fehlinterpretierter Eigentumsbegriff“, wenn also Interessen privater Grundstücksbesitzer, die statt auf leeren Grundstücken endlich zu bauen egoistisch auf Wertsteigerung warten.

Drittens könne das Bauen vor allem in ländlichen Gemeinden erleichtert werden – wenn man die Geruchsemmissionsrichtlinien anpasst. Häufig ist nämlich die reine Wohnbebauung auf stillgelegten Ackerflächen in Nachbarschaft zur aktiven Landwirtschaft nicht gestattet.
(André Paul)

Anmerkung der Redaktion: Der Text wurde durchgehend aktualisiert.

Kommentare (1)

  1. Markus am 14.08.2019
    Wir meinen, die politische Diskussion um den sogenannten Flächenverbrauch sollte sachlicher geführt werden, insbesondere weil sie dann brauchbare Ergebnisse bringt.

    Zunächst, feste Flächenverbrauchs-Obergrenzen können bei der Umsetzung immer zu Schwierigkeiten führen, weil keine Kommune mit einer anderen Kommune genau vergleichbar ist. Andererseits kann dies nicht bedeuten, dass jede Kommune für sich in Anspruch nimmt, nur ihren eigenen Zuständigkeitsbereich zu berücksichtigen.

    Es darf in diesem Zusammenhang an manche kommunalen Bauobjekte erinnert werden, die es nur deshalb gibt, weil es irgendwann finanzielle Fördermittel gab.

    Unstrittig sollte es sein, dass in den letzten Jahrzehnten bei kommunalen Baumaßnahmen bezahlbare Wohnungen keine wesentliche Bedeutung hatten.
    Unstrittig dürfte auch sein, dass einige kommunalen Finanzhaushalte defizitär sind bzw. Finanzhilfen aus Steuermitteln benötigen.
    Unverständlich wäre es dann, wenn staatliche Hilfestellungen/Beratungen bei Planungen zu Projekten, welche zu einem erheblichen Flächenverbrauch führen, von den Kommunen strikt abgelehnt werden.

    Die sicher nicht beabsichtigte Konsequenz könnte eine Verknüpfung von staatlichen Fördermitteln mit einem noch akzeptablen Flächenverbrauch sein.

    Ein guter Zwischenschritt wäre, wenn der Bay. Gemeindetag mit seinem Fachwissen die Beratung der Kommunen beim Thema Flächenverbrauch übernimmt.
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