Politik

Berchtesgaden wehrt sich dagegen, dass viele Wohnungen mehr als die Hälfte des Jahres leerstehen. (Foto: dpa/Peter Kneffel)

28.11.2019

Bitte geht auch wieder heim!

Immer mehr Kommunen wehren sich gegen Zweitwohnsitze

Bayern ist das beliebteste Tourismusland in Deutschland. Im vergangenen Jahr konnte sich die Fremdenverkehrsbranche über den Rekord von 39 Millionen Gästen freuen. Ebenso wächst die Zahl der Menschen, die regelmäßig beruflich im Freistaat zu tun haben. Unter beiden Gruppen gibt es immer mehr, die während dieser Zeit nicht im Hotel nächtigen wollen. Und schließlich ist das politisch stabile und wirtschaftlich prosperierende Bayern bei all jenen beliebt, die viel Geld haben, aber in Zeiten von Minuszinsen nach einer sicheren Anlage suchen – sehr gern im sogenannten Betongold. Die muss dann auch nicht mal vermietet sein.

Alle Genannten eint, dass sie sich in Bayern verstärkt nach einer Zweitwohnung umschauen. Das hat negative Auswirkungen auf die Einheimischen, also die Menschen mit Hauptwohnsitz in Bayern. Denn sie finden in einem ohnehin schon angespannten Mietmarkt noch schlechter eine bezahlbare Wohnung. Parallel steht eben dieser dringend benötigte Wohnraum teilweise bis zu 45 Wochen im Jahr leer. Die Gemeinden wollen sich das nicht länger gefallen lassen und möchten deshalb Zweitwohnsitze stärker reglementieren.

Der Königsweg dafür ist eine sogenannte Fremdenverkehrssatzung. Darauf greifen jetzt Kommunen im Alpenraum zurück. Im März dieses Jahres machte Berchtesgaden den Anfang. Bürgermeister Franz Rasp (CSU): „Die Nutzung von Räumen in Wohngebäuden oder Beherbergungsbetrieben als Nebenwohnung unterliegt der Genehmigung, wenn die Räume insgesamt mehr als die Hälfte des Jahres leer stehen.“ Das Gleiche wurde etwas später in Schönau beschlossen. Als Nächstes will nun Bischofswiesen nachziehen.

Das Problem: So eine Fremdenverkehrssatzung funktioniert nur, wenn der Ort zu einem bedeutenden Teil vom Tourismus lebt und die Zweitwohnungen diese Einnahmequelle bedrohen. Darauf weist auch das bayerische Bauministerium hin: dass eine Kommune sich nicht mal fix zur Fremdenverkehrsregion erklären kann. Das müsse in einem Bebauungsplan auch ausgewiesen sein. Ein spontaner Stadtratsbeschluss reiche nicht, so das Haus von Ressortchef Hans Reichhart (CSU) auf Nachfrage.

Eine Wohnung in München nur für Theaterbesuche

Was aber machen nun Kommunen, die nicht als klassische Tourismusdestination gelten und für die eine Fremdenverkehrssatzung von vornherein wegfällt – die aber auch mit Zweitwohnungen zu kämpfen haben wie beispielsweise München? Auch die Landeshauptstadt ist bei Interessenten an einer Zweitwohnung sehr beliebt – seien es Geschäftsleute, die regelmäßig beruflich hier zu tun haben, Freunde des Oktoberfests oder wohlhabende Eltern, die ihrem Nachwuchs für die Zeit des Studiums eine Unterkunft zur Verfügung stellen. Rund 34 000 Zweitwohnsitze gibt es in München – so viel wie nirgends sonst im Freistaat. Wer eine solche nutzt, muss zwar seit 1. Februar 2006 entsprechend dafür bezahlen, die Zweitwohnungssteuer beträgt neun Prozent der Jahresnettokaltmiete. Das scheint aber nicht abzuschrecken.

Aus diesem Grund hat München eine sogenannte Zweckentfremdungssatzung beschlossen. Diese verbietet, dass eine Wohnung länger als drei Monate im Jahr leer steht. Das zielt vor allem auf die Nutzer von Airbnb, die gern in den Sommermonaten nach München drängen und zum Oktoberfest. Ursprünglich gedacht war Airbnb ja für den Wohnungstausch von Privatleuten in der Urlaubszeit: A kommt nach München und wohnt bei B, dafür wohnt B bei A auf Sylt.

Viele Besitzer einer bei Airbnb angebotenen Münchner Zweitwohnung verdienen aber inzwischen in den Sommermonaten genug, um sie für den Rest des Jahres leer stehen zu lassen. Das soll sich ändern. Verena Dietl, die Fraktionsvorsitzende der SPD im Münchner Stadtrat, verweist auf neue Kontrollkräfte, die auf Betreiben ihrer Partei dafür bei der Stadt eingestellt werden.

Dass München sich mit Blick auf die Beeinträchtigung des Tourismus auch eine Fremdenverkehrssatzung gibt, hält der Mietrechtsanwalt Johannes Gold für ausgeschlossen. Dafür spiele der Tourismus keine ausreichend bedeutende Rolle. Gleiches gelte für das Münchner Umland, wohin inzwischen immer mehr Interessenten an einer Zweitwohnung in München ausweichen. Der ÖPNV im Großraum ist ja auch ganz gut ausgebaut und soll in den nächsten Jahren noch besser werden. Deshalb rät Johannes Gold den Umlandgemeinden, sich schnell auch um die Zweckentfremdungssatzung wie München zu kümmern; die meisten haben nämlich noch keine.

Und wie sieht es mit einem generellen Verbot jeglicher Zweitwohnungen aus? Antwort: Ganz schwierig. In einer Studie aus dem Jahr 2014 kommt der wissenschaftliche Dienst des Bundestags zur Einschätzung, dass ein solches Verbot „bei einer sehr angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt zwar nicht verfassungsrechtlich ausgeschlossen“ wäre. Doch sei die Umsetzung „erheblichen Einschränkungen unterworfen. Es wären weitgehende Härtefall-, Übergangs- und Entschädigungsregelungen vorzusehen.“

Der Münchner Mieterverein befürwortet ein solches Verbot trotzdem. „Das wäre ein weiterer Kündigungsschutz für Mieter in Sachen Eigenbedarf. Denn bislang war es möglich, einem Mieter wegen Eigenbedarf – etwa mit dem Hinweis auf regelmäßige Theaterbesuche – zu kündigen“, gibt Geschäftsführer Volker Rastätter zu bedenken. Der Haus- und Grundbesitzerverband ist dagegen. Wenn überhaupt, solle über Verbote von Zweitwohnungen nur „im Einzelfall entschieden werden“, heißt es auf BSZ-Anfrage.

Fazit: Mit Satzungen oder gar Verboten die Wohnungsknappheit und die ständigen Mieterhöhungen zu bekämpfen, ist aufwendig und nur bedingt von Erfolg gekrönt.
(André Paul)

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