Politik

Europa muss seine digitale Souveränität zurückbekommen, meinen Experten. Dazu nötig: kompetente Informatiker. (Foto: dpa/Jan Woitas)

22.03.2019

Blindes Vertrauen ins Silicon Valley

Amerikanische Algorithmen bestimmen unseren Alltag – Europa ist dabei, seine digitale Souveränität zu verlieren

Anfang März stürzte ein Flugzeug des US-Herstellers Boeing ab – mutmaßlich wegen eines Software-Fehlers. Es wäre bereits der zweite Absturz dieses Modells. Höchste Zeit also zu fragen, wie mächtig Algorithmen sind. Damit befassten sich diese Woche Experten an der Universität der Bundeswehr in München. „Wir sind von Algorithmen abhängig“, meinte Manfred Broy vom Zentrum Digitalisierung Bayern. Sie entschieden zum Beispiel über Jobvergabe, Kreditverträge oder Versicherungsprämien. Broy fordert daher, in der Informatik häufiger Philosophie und Ethik einzubeziehen.

Für die Informatiker im Silicon Valley zählen aber derlei Werte wenig – ihnen geht es ums Geld. Ihre Algorithmen durchschauen selbst Fachleute nicht mehr. „Europa muss seine digitale Souveränität zurückbekommen“, unterstrich Bundeswehr-Professorin Gabi Rodosek. Nur so könne der Kontinent zwischen China und den USA bestehen. Tatsächlich wäre es wünschenswert, wenn Daten unter Einhaltung der Datenschutzgrundverordnung gesammelt würden, anstatt sie gewinnorientierten US-Unternehmen zu überlassen. Leider gibt es außer dem Musikstreaminganbieter Spotify keine ernstzunehmenden europäischen IT-Produkte oder IT-Dienstleistungen. Google hat bei uns sogar mehr Marktanteile als in den USA. Das muss sich dringend ändern.

Ethik, Philosophie, Werte: Digitalisierung ist mehr als nur Netzausbau

Aufgrund der schnellen Entwicklung hinkt der Gesetzgeber hinterher. „Die Politik hat unter Digitalisierung zu lange den Netzausbau und nicht den Schutz unserer Werte verstanden“, sagte Ulrich Wilhelm, BR-Intendant und ARD-Vorsitzender. Er verlangte, gemeinwohlorientierte soziale Netzwerke zu etablieren, in denen alle Argumente zur Geltung kommen. Ansonsten würden freie Gesellschaften langfristig zugrunde gehen. Da heute jeder Mensch Öffentlichkeit herstellen kann, besteht dringend Handlungsbedarf. Das zeigte zuletzt wieder der live auf Facebook übertragene Amoklauf in Neuseeland.

Aber ist Facebook-Chef Marc Zuckerberg wirklich allein schuld? Nein, meinte zumindest Software-Experte Ernst Denert. Schuld seien die Nutzer. Eine digitale Gesellschaft benötigt digitale Kompetenz. Er forderte daher, den Informatikunterricht an Schulen zu verbessern. Dafür brauche es keine Tablets, das Geld solle lieber in das Gehalt der Lehrer investiert werden. Momentan verdienen Informatiker in der freien Wirtschaft locker das Doppelte.

Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) hielt dagegen, dass Informatik und Mediennutzung im Unterricht seit letztem Jahr eine große Rolle spielten. Die Bezahlung von Informatik-Lehrern sei verbessert und die Landeszentrale für politische Bildung im Bereich Medienbildung gestärkt worden. Das ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Jetzt müssen Brüssel und Berlin die dicken Bretter bohren. (David Lohmann)

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