Politik

Auch die Gruppe "Querdenken 911 Nürnberg" nahm das Bündnis unter die Lupe. (Foto: Paul Zinken/dpa)

04.11.2020

Bombenbau und Esoterik

Corona-Leugner und die rechte Szene: Das Nürnberger Bündnis Nazistopp dokumentiert, wie sich "Rebellen" zunehmend radikalisieren

Nein, beileibe nicht alle seien radikal rechts, die bei so genannten „Corona-Demos“ mitlaufen, betont Ulli Schneeweiß. Doch bei einigen Leugnern der Gefahren des Covid-19-Virus sei die Radikalisierung inzwischen sehr weit gediehen, stellt der Nürnberger Verdi-Gewerkschaftssekretär heraus. Und er belegt das mit einer detailgenauen Bombenbau-Anleitung, die Anfang November auf der Telegram-Seite von „Widerstand100“ (W100) zu finden war.

W100 ist nur eine in einer ganzen Reihe von Organisationen, die das Nürnberger Bündnis Nazistopp in den vergangenen Monaten intensiv ins Auge genommen hat. Die Erkenntnisse daraus hat das Bündnis, das sich gegen Faschismus engagiert, in der Broschüre „Mit Nazis gegen den vermeintlichen Faschismus? Die „Corona-Rebellen“ Nürnberg: Rechtsoffen, unsolidarisch und wissenschaftsfeindlich“ zusammengefasst.  

Eine zentrale Erkenntnis war laut Birgit Mair vom Institut für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung e.V. (ISFBB): Auf den Demos, die sich 2020 gegen coronabedingte Einschränkungen wenden, seien oft dieselben Sprüche zu hören oder lesen, die „rechte Friedensapostel bereits 2014 vor der Lorenzkirche bei ihren Montagsmahnwachen verwendet haben“. Und auch wenig später der Nürnberger Pegida-Ableger Nügida. Und obwohl bei den Corona-Demos auch Esoteriker oder normale Familien mitmarschieren würden, betont sie: „Neonazis, AfD-ler, Pegida-Aktivisten, Reichsbürger: Alle werden integriert.“

Drohungen auch bei der Vorstellung der Dokumentation

Auch viele handelnde Personen von damals seien bei den mehr als 40 Anti-Corona-Kundgebungen in Nürnberg seit dem Frühjahr 2020 dabei gewesen, berichtet Mair: Ein AfD-Kandidat aus Rosenheim beispielsweise. Ein Soldat, der sich schon mal mit der Nazi-Reichskriegsflagge zeige. Oder ein Ex-NPD-Funktionär, der 2019 auch bei einer rechten Fackeldemo auf der Hitler-Tribüne beobachtet worden sei.

Wenn der Spruch „Impfen macht frei“ in das „Arbeit macht frei“-Foto eines Konzentrationslager-Tores eingefügt werde, sei das laut Mair „schlichtweg eine Verharmlosung des faschistischen Nazi-Regimes“. Und wenn – wie im Juni 2020 registriert – davon „geschwurbelt wird, dass Zionisten den Massenmord durch Impfungen planen, sei das Antisemitismus der eindeutigen Sorte“, so die ISFBB-Wissenschaftlerin.

Die Nürnbergerin Anna Heinze-Lahcalar hat ehrenamtlich Webseiten von W100 und anderen durchforstet. Sie fand nicht nur die anfangs erwähnte Bombenbauanleitung, sondern registrierte auch eine „Radikalisierung. Die Aggressivität der Propaganda und die zunehmende Vernetzung sind beunruhigend“, sagt sie.

Auch bei der auf Youtube öffentlich zu verfolgenden Vorstellung der Broschüre konnte man diese Aggressivität erfahren. So schrieb ein Zuschauer unter dem Pseudonym „Unter Vorbehalt“: „Was macht eine echte deutsche Bulldogge mit einer Katze? Er zerfleischt sie.“ Er drohte der Wissenschaftlerin Mair: Nach einer Machtübernahme der Rechten „wird diese Frau in nicht allzu langer Zeit vor ein Gericht gestellt“. Denn deren Demorecherchen seien „ja schlimmer als die Stasi 1.0“ in der DDR.

Roland Sauer, einer der Fotografen, von denen die Bilder in der Broschüre stammen, merkte kopfschüttelnd an: „Die verhalten sich wie Pegida, sehen sich aber in einer Reihe mit den überzeugten Antifaschisten Sophie Scholl oder Dietrich Bonhoeffer.“

Rüdiger Löster, der zweite Demo-Fotograf berichtete von seinen Erfahrungen: „Auch vor gewalttätigen Attacken wird nicht haltgemacht.“ Eine Frau, die eine Ordnerbinde umhatte, griff   ihn dennoch an. Das hat er auf einem Bild festgehalten.

Einer, der die Vorstellung im Netz ebenfalls verfolgte - unter dem Kunstnamen „Querdenken 911“ -, beteuerte: „Wir treten für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Frieden und Wissenschaft ein.“ Den Gewerkschafter Schneeweiß und seine Mitstreiter konnte er damit freilich nicht überzeugen. Für ihn steht fest:  All diese Organisationen „sind rechtsoffen und gefährlich“.
(Heinz Wraneschitz)

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