Politik

Lorenz Wolf, Vorsitzender des Rundfunkrates: Das Gutachten zu den Missbrauchsfällen wirft ihm Fehlverhalten als Kirchenjurist im Umgang mit mutmaßlichen Tätern und Opfern vor. (Foto: dpa/Lino Mirgeler)

02.02.2022

BR-Rundfunkrat im Schatten des Missbrauchsskandals der Kirche

Seit zwei Wochen erschüttert das Gutachten zu Missbrauch im Erzbistum München-Freising die katholische Kirche bis in die Spitze. Medien berichten ausführlich. Nun muss sich auch der BR-Rundfunkrat intern damit beschäftigen

Nach dem Missbrauchsgutachten des katholischen Erzbistums München-Freising steht dem Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks (BR) eine außergewöhnliche Sitzung bevor. Der Vorsitzende des Aufsichtsgremiums, Prälat Lorenz Wolf, will sich am Donnerstag erstmals zu den Vorwürfen des Gutachtens gegen ihn persönlich als hohen Kirchenmann äußern.

Wolf ist als Offizial oberster Kirchenrichter im Erzbistum und zudem Leiter des Katholischen Büros in Bayern - der Verbindungsstelle zur Politik. Im BR-Rundfunkrat vertritt er die katholische Kirche und ist seit 2014 Vorsitzender des Gremiums, das den öffentlich-rechtlichen Sender überwacht. Nach der Veröffentlichung der Missbrauchsstudie vor zwei Wochen lässt er diesen Vorsitz - wie seine Kirchenämter - derzeit ruhen, ohne aber zurückzutreten.

Wolf wird im Gutachten neben anderen Kirchenmännern stark kritisiert. Dem 66-Jährigen wird Fehlverhalten als Kirchenjurist im Umgang mit mutmaßlichen Tätern und Opfern vorgeworfen. Den Gutachtern hatte Wolf gesagt, er habe Fälle, von denen er Kenntnis erlangt habe, sehr ernst genommen und auch dementsprechend bearbeitet.

Rufe nach Rücktritt des Rundfunkratschefs, der im Gutachten stark kritisiert wird

"Ich will mich im Rundfunkrat dazu äußern, warum ich bisher so gehandelt habe", sagte Wolf der Deutschen Presse-Agentur in München. Die Stellungnahme samt Aussprache sind im nicht-öffentlichen Teil zu Beginn vorgesehen, bestätigte die Geschäftsstelle des Rundfunkrats auf Anfrage. Wolf kündigte auch an: "Selbstverständlich werde ich darüber hinaus eine Stellungnahme zu den Vorwürfen im Gutachten erarbeiten." Zeitpunkt der Veröffentlichung: offen.

Aus der Opposition im Landtag gab es schon Rufe nach einem Rücktritt des Rundfunkratschefs. Der FDP-Abgeordnete und Ex-"Focus"-Herausgeber Helmut Markwort - selbst im Rundfunkrat - sagte: "In der Aufgabe geht es um Transparenz, Aufklärung und Wahrheit." Die Grünen-Vertreterin im Gremium, Susanne Kurz, verlangte ebenfalls Wolfs Rückzug.

Zur Abwahl braucht es im Rat eine Zweidrittel-Mehrheit. Es lägen bisher keine Anträge zur Abwahl vor, so die Geschäftsstelle. Wolf lehnt einen Rücktritt ab, will das Amt nur nicht wahrnehmen. "An den Sitzungen werde ich nicht mehr teilnehmen, außer für eine persönliche Stellungnahme wie diesmal."

Die Geschäfte des Rundfunkrates führt vorerst der stellvertretende Vorsitzende Godehard Ruppert (68). Er vertritt Bayerns Hochschulen in dem 50-köpfigen Gremium gesellschaftlicher Gruppen, das auch die Intendantin der ARD-Anstalt wählt - vor einem Jahr Katja Wildermuth.

Ende April scheidet Prälat Wolf ohnehin aus dem Rundfunkrat aus

Ende April läuft turnusgemäß die jeweils fünfjährige Amtszeit von 38 Mitgliedern des Rundfunkrates ab. Dann scheidet Wolf ohnehin aus. Er hatte schon vor längerem erklärt, dass er nicht mehr zur Verfügung stehe. Vize Ruppert, früher Präsident der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, gilt im Rat als aussichtsreicher Nachfolgekandidat. Ruppert selbst sagt lediglich diplomatisch: "Meinerseits strebe ich den Vorsitz nicht an."

Die Diskussion um Wolf will Ruppert nicht kommentieren. "Mir geht es darum, dass die Sitzung in angemessener Atmosphäre Sachfragen behandelt", sagt er. Eigentlich wollte ein Teil des Rundfunkrats den scheidenden Wolf am Donnerstag in den siebenköpfigen Verwaltungsrat wählen, der die BR-Finanzen und die Geschäftsführung der Intendantin überwacht. Daraus wird - auch nach Protesten der Landtagsopposition - nichts. "Ich wurde für den Verwaltungsrat vorgeschlagen", sagt Wolf. "In der jetzigen Situation werde ich nicht zur Wahl stehen."

Verwaltungsratschefin Aigner will das Gespräch mit Wolf suchen

Chefin des Verwaltungsrats ist Bayern Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU). Sie kündigte ein Gespräch mit Wolf zu den Vorwürfen an: "Ich werde mit ihm auf alle Fälle auch noch darüber reden", sagte sie der dpa. "Aber ich möchte jetzt erst mal abwarten, wie er sich zu dem Thema äußert. Da gilt für mich jetzt Offenheit und Klarheit. Ich will jetzt wissen, was da dran ist, und wie er sich dazu äußert."

Sie könne nur ihre eigene Arbeit mit Wolf beurteilen, sagt Aigner. "Ich weiß, wie hochsensibel er mit Personalfragen innerhalb des Rundfunks umgegangen ist", betonte sie. "Deswegen bin ich über die Passagen im Missbrauchsgutachten einfach verstört. Das ist bei seiner Person jenseits meiner Vorstellungen. Ich habe ihn nicht so erlebt."

Das vom Erzbistum München und Freising selbst in Auftrag gegebene Gutachten der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) war zu dem Ergebnis gekommen, dass Fälle von sexuellem Missbrauch in der Diözese über Jahrzehnte nicht angemessen behandelt worden waren. Die Gutachter gehen von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern, zugleich aber von einer deutlich größeren Dunkelziffer aus.
(Roland Freund, dpa)

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