Politik

Bundeswehrsoldaten beim Beladen von Marder-Panzern – die gezeigten Fahrzeuge gingen 2017 nach Litauen. -(Foto: dpa/Armin Weigel)

10.06.2022

Branche im Aufwind

Die Rüstungsindustrie erwartet steigende Umsätze

Es ist noch gar nicht lange her, da rümpften viele Deutsche verächtlich die Nase, wenn es um die Rüstungsindustrie ging. Der Kalte Krieg schien überwunden. Pensions- und Staatsfonds warfen Rüstungsaktien aus ihren Portfolios. Doch jetzt wittert die Branche Morgenluft. „Der Krieg in der Ukraine hat die Rüstungsbranche aufgewertet“, analysiert Andreas Glas, Experte für Beschaffungswesen an der Bundeswehr-Uni in München. Seit Beginn des russischen Überfalls setzen sogar viele Grüne statt auf Peace-Fahnen lieber auf Panzer. Zu real scheint die Gefahr, dass Putins Truppen im Falle eines Sieges in der Ukraine an den Nato-Grenzen nicht haltmachen.

Die von Kanzler Olaf Scholz (SPD) Ende Februar ausgerufene „Zeitenwende“ bedeutet jedoch nicht nur einen Imagegewinn für die Verteidigungsindustrie – sie ist vor allem mit viel Geld verbunden. 100 Milliarden Euro will der Bund bis 2027 zusätzlich in die Bundeswehr investieren. Die restlichen Mitgliedstaaten der EU wollen in den kommenden Jahren noch einmal dieselbe Summe an zusätzlichen Mitteln für die Verteidigung ausgeben.

Doch werden von dem Geldsegen auch hiesige Waffenschmieden profitieren? Zwar gibt es dem Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) und dem bayerischen Wirtschaftsministerium zufolge keine validen Zahlen, wie viele Menschen in der Rüstungsbranche im Freistaat ihr Geld verdienen. Doch Branchenexperte Glas schätzt, dass von den bundesweit bis zu rund 135 000 Beschäftigten etwa 40 000 bis 45 000 in Bayern arbeiten.

Positive Effekte für die bayerischen Konzerne

Nicht nur bei der militärischen Luftfahrt ist der Freistaat mit Unternehmen wie Airbus Defence führend – auch in anderen Gattungen wie Raketensystemen oder sogenannter intelligenter Munition ist man Weltspitze. Im FW-geführten bayerischen Wirtschaftsministerium rechnet man aufgrund des 100-Milliarden-Euro-Prgramms jedenfalls „mit positiven Effekten“ für den weiß-blauen Rüstungsstandort. Auch ein BDSV-Sprecher sagt, es sei absehbar, dass die Anzahl der Beschäftigten „nicht zuletzt auch in Bayern steigen wird“. Glas geht davon aus, dass das Personal der Rüstungsbauer im Freistaat in den kommenden Jahren um mindestens 5 Prozent wachsen dürfte.

Guter Dinge ist man etwa in Röthenbach an der Pegnitz. Das dort ansässige Familienunternehmen Diehl stellt unter anderem diverse Luftverteidigungssysteme her. Auch die Tornados der Bundeswehr werden mit dessen Flugkörpern bestückt. Der Teilbereich Defence, der bei Diehl im Jahr 2020 noch 571 Millionen Euro ausmachte, dürfte einer Einschätzung des Unternehmens zufolge in diesem Jahr etwa 800 Millionen erwirtschaften, in den kommenden fünf Jahren werde man die Milliardengrenze knacken. Der Münchner Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann (KMW) nennt zwar keine konkreten Prognosen. Ein Sprecher zeigte sich jedoch sicher, dass das Unternehmen „in den kommenden Jahren weiter profitabel wirtschaften kann“.

Kampfjets aus den USA

Mehrere andere bayerische Rüstungsfirmen äußerten sich auf BSZ-Anfrage dagegen nicht zu ihren Geschäftsaussichten. Weniger zugeknöpft gibt sich Deutschlands größter Rüstungshersteller Rheinmetall. In diesem Jahr wollen die Düsseldorfer allein in Deutschland knapp 1000 neue Stellen schaffen.

Der Umsatz mit Gütern aus dem Verteidigungsbereich könnte sich in den kommenden Jahren bei Rheinmetall mehr als verdoppeln. „Wer von dem 100-Milliarden-Programm des Bundes allerdings tatsächlich profitiert, hängt stark davon ab, welche Produkte die Bundeswehr am Ende kauft und wer diese Waffensysteme künftig warten wird“, erläutert Beschaffungsexperte Glas. Denn einen Teil der geplanten Neuanschaffungen will das Verteidigungsministerium bei ausländischen Herstellern bestellen. Als sicher gilt, dass die Truppe F-35-Kampfjets und Transporthubschrauber aus den USA kaufen wird. Diese allein dürften bereits über elf Milliarden Euro kosten. Ein BDSV-Sprecher fordert von der Bundesregierung deshalb, dass diese „für die deutsche Industrie weitreichende Instandhaltungsanteile durchsetzt“.

Der Vorsitzende des Arbeitskreises Wehrpolitik der CSU-Fraktion, Johannes Hintersberger, lehnt Rüstungskäufe im Ausland zwar nicht grundsätzlich ab. Es sei aber wichtig, beim 100-Milliarden-Programm „die heimische Industrie für die zukunftsfähige Weiterentwicklung wehrtechnischer Systeme nachhaltig zu berücksichtigen“. Bei taktischen Luftverteidigungssystemen solle besser auf den Schrobenhausener Hersteller MBDA gesetzt werden, als sofort israelische oder US-Produkte zu bestellen, fordert der Augsburger Abgeordnete.

Ein Problem könnte dem erhofften Job-Plus in der Rüstungsbranche jedoch noch im Wege stehen. „Denn es fehlen die Fachkräfte“, sagt Experte Glas. Der Imagewandel kommt den Waffenherstellern da gerade gelegen.  (Tobias Lill)

 

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
X
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.