Politik

Justizia, die Unbestechliche: Dass Parteien - im aktuellen Fall die FDP - das Vorschlagsrecht für juristische Spitzenämter haben, gefällt nicht allen. (Foto: Bilderbox)

29.04.2011

Braucht Bayern politische Beamte?

Der Streit um die Besetzung des Generalstaatsanwaltspostens in Nürnberg wirft auch grundsätzliche Fragen auf

Skandal, rufen die einen. Übertriebene Panikmache, sagen die anderen: Die Besetzung des Generalstaatsanwaltspostens in Nürnberg sorgt in Bayern seit Wochen für Zoff. Für den seit Januar vakanten Job hat sich die FDP das Vorschlagsrecht ausbedungen – was sie laut Koalitionsvertrag darf. „Herausgehobene Personalentscheidungen“, heißt es darin, müssten vom Koalitionsausschuss „einstimmig getroffen werden“.
Tatsächlich haben sich die Koalitionäre Ende März auf einen Kandidaten geeinigt: den von der FDP vorgeschlagenen Thomas Janovsky, derzeit Leitender Oberstaatsanwalt in Bayreuth. Gegen Janovsky jedoch hat sich der Hauptstaatsanwaltsrat, eine Art Personalvertretung der Staatsanwälte, ausgesprochen – angeblich deshalb, weil Janovsky einen eigenwilligen Führungsstil praktiziert; auch private Details spielen eine Rolle. Zudem soll Janovsky kurzfristig noch eine bessere Benotung (15 Punkte statt bisher 14) bekommen haben, um gegen den vom Justizministerium favorisierten Hasso Nerlich bestehen zu können. Der Hauptstaatsanwaltsrat hat ganz offiziell ein Mitsprache-, aber kein Vetorecht bei der Besetzung juristischer Ämter.
Ein kürzlich anberaumtes Gespräch mit Justizministerin Beate Merk (CSU) verlief ergebnislos. Ministerialbeamte und Politiker aller Couleur sind nun gespannt, ob sich Merk auf die Seite der Justiz schlägt – oder dem Votum des Koalitionsausschusses folgt. Ohnehin muss, bevor die Stelle besetzt wird, das Kabinett entscheiden. Bislang steht noch kein Termin für die umstrittene Personalfrage fest. Das Ganze wäre kein Problem, heißt es aus der Staatskanzlei, wenn die Liberalen einen weniger angreifbaren Kandidaten präsentiert hätten. Staatskanzlisten verweisen auf die ebenfalls auf dem FDP-Ticket ins Amt gekommene Dienststellenleiterin der Bayerischen Vertretung in Brüssel: Die Juristin, wird von Ministerialen unisono als „Glücksfall“ gepriesen.
Für diejenigen in CSU und Staatsverwaltung, denen die FDP ohnehin ein Dorn im Auge ist, bietet die Causa Janovsky jedenfalls reichlich Gelegenheit, sich zu ereifern. „Wohin sind wir mittlerweile gekommen“, ätzt der CSU-Vizefraktionschef Alexander König. Er findet es „völlig unangemessen, in der Justiz Ämter nach Parteienproporz zu vergeben“. In CSU und Opposition wurden Warnungen davor laut, im Freistaat eine Art politischen Beamten zu schaffen – ohne gesetzliche Grundlage.

Ramsauer schmiss alle Top-Beamten raus


Tatsächlich ist Bayern das einzige der 16 Bundesländer, in dem es bislang keine politischen Beamten gibt – also Spitzenbeamte, die ohne Angabe von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können. Auch im Bund sind politische Beamte gang und gäbe. Die jeweiligen Minister handhabten das sehr unterschiedlich: Während etwa Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) die gesamte Führungsspitze austauschte, ließ der damalige Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer sämtliche von seiner grünen Vorgängerin Renate Künast berufenen Top-Beamten auf ihren Posten.
Dass der Freistaat bis heute keine politischen Beamten hat, dürfte vor allem daran liegen, dass hier über Jahrzehnte die gleiche Partei das Sagen hatte. Wer in Bayern etwas werden wollte, war gut beraten, zur CSU zu gehen – oder sich zumindest nicht öffentlich gegen christsoziale Politik zu positionieren. Die FDP argwöhnt ohnehin, dass auf den einflussreichen Beamtenposten vorwiegend CSU-Treue sitzen; gerne verweist man darauf, dass Spitzenbeamte schon mal zwischen CSU-Parteizentrale und Staatskanzlei hin und herwechseln. Eine Praxis, die auch in der Ministerialverwaltung gelegentlich gerügt wird. Insgesamt, klagt ein erfahrener Ministerialer, „ist es für Beamte nicht nur nicht schädlich, sondern sogar sehr förderlich, wenn sie in der CSU-Landesleitung gedient haben“.
Sollte in Bayern auch nach der nächsten Landtagswahl eine Koalition regieren, spekuliert man in der Staatskanzlei, käme man wohl nicht mehr umhin, den politischen Beamten im Beamtengesetz zu verankern.


Die Arroganz der Ministerialbürokratie


Für viele Staatsdiener ein Alptraum: „Da könnten Leute von außen ohne den nötigen Sachverstand in Spitzenpositionen kommen“, warnt der Vorsitzende des Beamtenbundes, Rolf Habermann. Derzeit gilt für den bayerischen Staatsdienst das Prinzip der Platzziffern: Wer unter den soundsoviel Prozent der Jahrgangsbesten ist, hat einen – einklagbaren – Anspruch darauf, in der Staatsverwaltung unterzukommen.
Die Qualität, argumentiert dagegen der Potsdamer Politikprofessor Werner Jann, sei auch bei politischen Beamten das aussschlaggebende Kriterium. „Jeder Minister hat schließlich ein großes Interesse daran, gut beraten zu werden.“ Jann ist überzeugt davon, dass die Vorteile der Institution politischer Beamter die Nachteile – etwa hohe Versorgungskosten – überwiegen. Ein Vorteil, gibt die CSU-Abgeordnete Ursula Männle zu bedenken, sei auch, dass die „Arroganz der Macht“ im Beamtenapparat besser gebändigt werden könnte. Denn die Gewissheit, praktisch unkündbar zu sein, habe bei einigen in der Ministerialbürokratie „zu einer gewissen Überheblichkeit geführt“.
SPD und Grüne übrigens beteuern, selbst im Falle einer Regierungsübernahme keine politischen Beamten einführen zu wollen: Sie würden dies, sagen die Rechtsexperten von SPD und Grünen, Franz Schindler und Christine Stahl, „auf gar keinen Fall befürworten“. Anders FDP-Fraktionschef Thomas Hacker. Er plädiert dafür, dass sich Bayern mit Blick auf den politischen Beamten nach der nächsten Landtasgwahl „der Mehrheit der Länder angleicht“.
Ob das dann automatisch zu weniger Ärger bei der Besetzung von Generalstaatsanwälten führen würde, steht dahin: In den meisten Ländern nämlich sind Generalstaatsanwälte keine politischen Beamten. Und Brandenburg, wo der „General“ lange Zeit ein politischer Beamter war, hat dies vor einiger Zeit revidiert. Begründung der damaligen CDU-Justizministerin: Der Verdacht, man könne auf den Chefankläger politisch Einfluss nehmen, solle „von vornherein ausgeschlossen werden“. (Waltraud Taschner)

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