JA
Klaus Holetschek (CSU), bayerischer Gesundheitsminister
Die Impfung ist unser Ausweg aus der Pandemie. Die allgemeine Impfpflicht hilft dabei, dass die Bürgerinnen und Bürger sich selbst und das Gesundheitssystem schützen, und sie ist solidarisch. Ich bin deshalb für eine allgemeine Impfpflicht, die auf zwei Jahre befristet ist.
Wir müssen diese notwendige Maßnahme rasch beschließen und auch umsetzen, damit in der Bevölkerung rechtzeitig vor dem Herbst ein ausreichender Immunschutz für eine dann mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder auf uns zurollende Infektionswelle vorhanden ist. Leider ist die Bundesregierung dieses wichtige Thema von Anfang an falsch angegangen. Es hätte Chefsache in Berlin sein müssen, mit einem eigenen Gesetzentwurf der Bundesregierung. Stattdessen streitet man nun wochenlang über verschiedene Gruppenanträge. Was bleibt, ist die leise Hoffnung auf einen tragfähigen Kompromiss. Doch ich bin da inzwischen skeptisch.
Dabei ist die allgemeine Impfpflicht auch eine Gerechtigkeitsfrage. Es war von Anfang an klar, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht nur ein erster Schritt hin zu einer allgemeinen Impfpflicht sein sollte. Wie soll man einer Pflegekraft dauerhaft erklären, dass sie geimpft sein muss, Besucher, Angehörige und die vulnerablen Gruppen, die sie pflegt, dagegen nicht? Auch den Beschäftigten in unseren Kliniken ist nicht zu vermitteln, dass sie selbst sich impfen lassen müssen – und sich dann im Herbst aber wieder höchstbelastet um die Menschen kümmern müssen, die das versäumt oder immer noch nicht für notwendig gehalten haben.
Auch der Novavax-Impfstoff hat leider wenig neue Impulse bei der Impfbereitschaft gebracht. Wir müssen uns eingestehen, dass wir einige Menschen mit den vielen guten Argumenten für eine Impfung nicht mehr erreichen. Wir wollen aber vermeiden, dass wir uns im Herbst mit einer aggressiveren Virusvariante konfrontiert sehen, die auf eine unzureichend geschützte Bevölkerung trifft. Deshalb brauchen wir jetzt schnell die allgemeine Impfpflicht.
NEIN
Martin Hagen, Vorsitzender der FDP in Bayern und der Fraktion im Landtag
Eine Impfpflicht greift in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ein. So ein Eingriff ist nur dann verfassungskonform, wenn er einen legitimen Zweck verfolgt und dazu geeignet, erforderlich und angemessen ist. Diesen Kriterien hält eine allgemeine Corona-Impfpflicht nicht stand.
Dass es vernünftig ist, sich durch eine Impfung vor einer schweren Erkrankung zu schützen, rechtfertigt nicht, Menschen dies gegen ihren Willen aufzudrängen. Medizinische Behandlungen sind grundsätzlich freiwillig. Eine Nötigung zum Selbstschutz verletzt das Selbstbestimmungsrecht und stellt damit keinen legitimen Zweck dar.
Anders sieht es mit dem Ziel aus, die Verbreitung des Coronavirus zu stoppen oder zumindest einzudämmen. Dafür ist die Impfpflicht jedoch ungeeignet, da die verfügbaren Vakzine eine Ansteckung und Übertragung nicht verhindern. Herdenimmunität lässt sich damit nicht erreichen.
Ein ebenfalls legitimer Zweck wäre die Abwendung eines Zusammenbruchs der medizinischen Versorgung. Ob dieser überhaupt droht, ist aber fraglich: Die Omikron-Variante verursacht überwiegend milde Krankheitsverläufe, eine Überlastung der Krankenhäuser ist trotz hoher Inzidenz unwahrscheinlich geworden. Und selbst für den Fall, dass sich die Lage ändert, wäre eine allgemeine Impfpflicht nicht erforderlich, da das Hospitalisierungsrisiko stark vom Alter abhängt. Mit einer altersspezifischen Impfpflicht stünde ein milderes Mittel zur Verfügung. Allerdings beträgt die Impfquote unter den über 60-Jährigen ohnehin schon knapp 90 Prozent. Ist ein Gesetz, das sich in der Praxis schwer durchsetzen lässt, wirklich geeignet, diesen Anteil signifikant zu erhöhen?
Die Frage, ob eine allgemeine Impfpflicht angemessen wäre, muss angesichts der Schwere des Grundrechtseingriffs und der Unwägbarkeiten mit Blick auf das weitere Pandemiegeschehen verneint werden. Der Bundestag wäre gut beraten, das Gesetz abzulehnen.
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