Politik

23.02.2023

Braucht es eine Enquetekommission zur Aufarbeitung der Pandemie?

Die Corona-Pandemie politisch aufarbeiten: das möchte Bayerns FDP-Chef Martin Hagen. Der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion fordert dafür die Ernennung einer Enquetekommission. Bernhard Seidenath, der gesundheitspolitische Sprecher der CSU-Landtagsfraktion, hält davon allerdings wenig.

JA

Martin Hagen, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion

„Wir werden einander viel verzeihen müssen“, prophezeite zu Beginn der Pandemie der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn. Er sollte recht behalten. Die deutsche Corona-Politik war geprägt von gravierenden Fehlentscheidungen, der leichtfertigen Einschränkung von Grundrechten, mangelnder Sensibilität für die Belange von Kindern und Jugendlichen und einer Spaltung der Gesellschaft. Um Verzeihung gebeten hat die Bürger freilich keiner der Verantwortlichen – nicht Angela Merkel, nicht Markus Söder, nicht Karl Lauterbach. 

Eine politische Aufarbeitung ist notwendig. Sie sollte im Rahmen einer Enquetekommission im Bundestag erfolgen. Ziel muss es sein, für künftige Krisen zu lernen. Zum Beispiel, dass unser Gesundheitssystem robuster werden muss, die Verwaltung digitaler und Beraterstäbe interdisziplinärer. Und unsere Debattenkultur offener, denn viele zunächst an den Rand gedrängte Minderheitenpositionen haben sich im Nachhinein als richtig erwiesen. Zum Beispiel, dass die langen Schulschließungen ein Fehler waren, die strengen Ausgangsbeschränkungen in Bayern rechtswidrig und eine Impfpflicht unnötig. Inzwischen alles Konsens, doch der Tunnelblick vieler Medien und der intolerante Umgang mit abweichenden Meinungen haben politische Fehlentwicklungen begünstigt. 

Mitunter ließen es staatliche Stellen auch an Aufrichtigkeit mangeln – und gossen damit Wasser auf die Mühlen der unseligen Querdenker. So hatte beispielsweise das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Ende 2021 behauptet, die Inzidenz bei den Ungeimpften sei 14-mal so hoch wie bei den Geimpften – und die Differenz (in Wahrheit nur 2,8 zu 1) damit um ein Vielfaches übertrieben.

Die Staatsregierung, die mit den falschen Zahlen ihre Politik begründet hatte, weigerte sich anschließend wochenlang, die echten Daten zu veröffentlichen. Eine ehrliche Aufarbeitung wäre auch eine Chance, das Vertrauen in Staat und Politik wieder zu stärken. 
 

NEIN

Bernhard Seidenath, gesundheitspolitischer Sprecher der CSU-Landtagsfraktion

Die Pandemie war und ist ein ständiger Lernprozess. Wir haben uns von Anfang an gefragt, was wir aus der Pandemie lernen können. Die Lehren aus Corona haben wir zudem regelmäßig zu Papier gebracht. Klar ist: Fehler darf man machen, aber nur einmal!

Als Konsequenz aus Corona ist vieles passiert, das auch Bestand haben wird: etwa das Pandemiezentrallager, um Schutzausrüstung griffbereit zu haben, oder der Pflegepool. Denn Corona hat die Dramatik des Fachkräftemangels im Gesundheitsbereich noch einmal deutlich werden lassen. Seit Jahren fordern wir zudem, die Produktion wichtiger Arzneimittel nach Europa zurückzuholen. Die Pandemie hat viele Opfer gefordert. Insgesamt haben wir in Bayern die Herausforderung aber gut gemeistert.

Viele Menschenleben konnten gerettet werden, gerade dank der Menschen, die in unserem Gesundheitssystem arbeiten. Es war ein Glücksfall, dass sehr schnell Impfstoffe entwickelt werden konnten, die gut gewirkt haben. Zudem hat sich unser flächendeckendes, wohnortnahes Krankenhaussystem als wichtig erwiesen. Dies darf nun bei Überlegungen für eine Krankenhausreform nicht vergessen werden. Wir wissen aber auch, was nicht optimal lief – und wo wir noch während der Pandemie nachgesteuert hatten: Kontaktvermeidung war wichtig, um das Virus zu stoppen.

Der Mensch aber ist ein soziales Wesen. Wir brauchen deshalb ein gesundes Mittelmaß und sollten komplette Besuchsverbote in Krankenhäusern vermeiden. Zu Beginn der Pandemie etwa war eine Sterbebegleitung nicht möglich. Das war eine unwürdige Situation. Schließungen von Schulen, Kitas und außerschulischen Jugendeinrichtungen dürfen in einer künftigen Pandemiebekämpfung nur Ultima Ratio sein, auch aufgrund der psychischen Folgen.

Eine Enquetekommission ist deshalb unnötig und verursacht nur bürokratischen Aufwand. Diese Anstrengungen wären besser in die bekannten Schwachstellen, etwa die Bekämpfung des Fachkräftemangels, investiert. 
 

Kommentare (4)

  1. babulej am 27.02.2023
    Zur Aufarbeitung der Pandemie sollen Untersuchungsausschusse
    im Bundestag und in den Landtagen entstehen.
  2. am 27.02.2023
    Wir brauchen nicht nur Enquetekommission. Zur Aufarbeitung der Pandemie sollen Untersuchungsausschusse im Bundestag und in den Landtagen entstehen.
  3. am 25.02.2023
    Ja, es braucht eine Aufarbeitung. Die Coronamaßnahmen waren von irrationalen Ängsten getrieben. Vernünftige Gegenstimmen wurden nicht gehört oder zum Schweigen gebracht.

    Der menschliche, politische und ökonomische Schaden ist immens. Dafür muss jeder seinen Teil der Verantwortung anerkennen.
  4. Salvet am 24.02.2023
    Eine Aufarbeitung der "Maßnahmen" wäre nett, u. a. wegen der Diskriminierung der Bürgern ohne Nachweis der so genannten Impfung. Die Diskriminierung ist stattgefunden. Das weiß die ungespritzte Minderheit viel besser als die gespritzte Mehrheit. Die Diskriminierung war weder epidemiologisch noch moralisch zu rechtfertigen.
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