Politik

Experte mahnt: Es braucht eine Professionalisierung des Personals, das auf individualisierte Förderung meist nicht vorbereitet ist. (Foto: dpa/Gollnow)

04.06.2021

Büffeln in den Ferien

Die Corona-Pandemie hat der Idee der „Summer School“ zu neuem Schwung verholfen – doch bei der Umsetzung ist Bayerns Kultusministerium reichlich spät dran

Sommerschule ’21: Das bayerische Kultusministerium fordert alle Schulen auf, Ferienkurse anzubieten. Sie sollen Kindern und Jugendlichen dabei helfen, Lernrückstände aufzuholen und ihre Sozialkompetenz zu fördern. An sich eine gute Idee, doch bei den Lehrerverbänden ist man angesichts der vielen offenen Fragen wenig begeistert: Wo bekommt man das Personal her? Und: Werden die Kinder das Angebot überhaupt nutzen?

In den Sommerferien zur Schule gehen: Das war lange die heilige Kuh von Eltern, Schüler*innen und Lehrkräften. Die Corona-Pandemie hat der Idee der „Summer School“ nun zu neuem Schwung verholfen. „Sommerschule ’21“ nennt das Kultusministerium die bayerische Variante des Ferienunterrichts, der in den USA längst erfolgreich praktiziert wird. Es fordert alle Schulen dazu auf, Ferienkurse anzubieten, um Schüler*innen dabei zu helfen, Lernrückstände aufzuholen und ihre Sozialkompetenz zu fördern.

Das ist natürlich längst überfällig. Denn individuelle Förderung in den Ferien hätte vielen Schüler*innen schon vor der Krise gutgetan. Jetzt ist es erst recht nötig, dass Kinder und Jugendliche aufholen: beim Lernen, beim Sport, beim Spiel.

Studierende sollen zur Mitarbeit gewonnen werden

Aber so richtig die Idee auch ist: Die Umsetzung wird knifflig. Noch ist wenig dazu bekannt, wie der Ferienunterricht aussehen könnte. Immerhin: Das bayerische Kultusministerium will nach und nach Informationen bereitstellen, die den Schulen bei der Orientierung helfen.

Fachliche Unterstützung bietet das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung ISB auf dem Themenportal www.brueckenbauen.bayern.de an, das in Kürze, wie ein Sprecher des Kultusministeriums mitteilt, freigeschaltet wird. Dort sollen auch konkrete Umsetzungs- und Good-Practice-Beispiele für Ferienkurse zur Verfügung stehen.

In den kommenden Wochen wird außerdem eine digitale Broschüre veröffentlicht zu „Förderung, Lernstandserhebung und Freizeitpädagogik“. Ein eigenes Fortbildungsangebot für Lehrkräfte und pädagogisches Personal, das bei der Sommerschule ’21 mitmacht, reift heran. Und ab Mitte Juni soll es eine Themenseite bei der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung Dillingen geben: alp.dillingen.de/themenseiten/brueckenbauen.

Das Kultusministerium will sich außerdem an die Universitäten und Hochschulen wenden und eine Social-Media-Kampagne ankurbeln, um Studierende für die Mitarbeit in der Sommerschule zu gewinnen. Eine zentrale Vermittlungsbörse auf der Internetseite des Kultusministeriums soll die Schulen bei der Personalakquise unterstützen.

Das alles ist bemerkenswert – kommt allerdings ein bisschen spät. Und stellt die Schulen so vor eine riesige Herausforderung. Erwartungsgemäß sind Lehrkräfte und Direktor*innen nicht allzu amüsiert über das, was da auf sie zurollt.

„Ferien sind für die Schülerinnen und Schüler zunächst Zeit zur Erholung, daher stellt sich die Frage, wer die Angebote nutzt“, so ein Sprecher des Bayerischen Philologenverbands. Viele Schulen täten sich schwer, genügend geeignetes Personal zu finden. Und: Sommerkurse seien zwar beim Aufholen von Stoff ein guter Anfang, aber man könne die Lücken aus einem Jahr nicht in zwei Wochen aufholen. „Es ist wie beim Fußball: Ein zweiwöchiges Trainingslager kann Angebote machen und einem Spieler punktuell helfen. Um sein Können jedoch langfristig zu verbessern, muss er am Ball bleiben und wöchentlich ins Training gehen.“

Darum erneuert der Philologenverband seine Forderung, mehr Lehrer anzustellen. Auch Simone Fleischmann vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) verweist auf den Lehrermangel: „Wir sind einfach nicht genug! Wo bekommt man das Personal her? Finden alle Schulen, die es wirklich brauchen, gute Angebote? Wollen die Kinder zu diesen Angeboten gehen?“ Ihr Resümee: „Viele Fragezeichen!“

Erlebnispädagogische Maßnahmen sind wichtig

An 31 Realschulen und Gymnasien der Erzdiözese Augsburg herrscht unterdessen schönste Planungssicherheit. Das Timing könnte nicht besser sein: Die Studierenden im Projekt „BrückenWerk“, das von der Universität Augsburg und dem Schulwerk der Diözese im Januar gestartet wurde, haben ihre Schulungen bereits erhalten. Im Juni stehen Schulbesuche an. Und am Anfang und Ende der Sommerferien werden sie ihre Schüler*innen je eine Woche lang in Deutsch, Mathe und Englisch unterrichten – individualisiert in Kleingruppen, wie sie es gelernt haben.

Der Schulpädagoge Klaus Zierer, der das Projekt betreut, hat die Forschung zu „Summer Schools“ längst gesichtet. Eine ordentliche Lernstandsdiagnose zu Beginn sei besonders wichtig, erklärt der Professor von der Augsburger Universität, um „Blindflüge“ zu vermeiden. Außerdem: eine Professionalisierung des Personals, das auf individualisierte Förderung meist nicht vorbereitet ist. Und: erlebnispädagogische Maßnahmen. „Die Sommerschule darf nicht einfach eine Verlängerung der Schulwoche sein“, so Zierer. „Im Zentrum muss die Freude am Lernen stehen und die Freude an der Gemeinschaft.“ Nur so könne der „flying start“, wie es in Amerika heißt, ins nächste Schuljahr gelingen.
(Monika Goetsch)

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