Politik

26.08.2022

Cancel Culture: Peinliche Selbstzensur

Ein Kommentar von Tobias Lill

Wer Menschen mit Dreadlocks oder Rastalocken kennt, weiß, dass es viele Gründe gibt, warum sie hierzulande ihre Haarpracht so tragen. Manche finden es schick, bei anderen verfilzte die Matte – und wieder andere finden jene Kulturen, in denen die Haare oft so aussehen, einfach gut.

Letzteres ist nichts Schlechtes. In einem Land, in dem noch vor nicht einmal einem Jahrhundert viele Menschen meinten, die weiße Rasse sei die auserwählte und die anderen wertlos, ist Interesse oder gar Bewunderung anderer Kulturen eine gute Sache. Das müsste man zumindest meinen.

Doch eine kleine, aber schlagkräftige pseudo-linke Woke-Truppe schwingt sich in den Sozialen Medien und zunehmend auch im echten Leben seit geraumer Zeit zum Ober-Zensor auf. In der Schweiz wurde ein Konzert der Band Lauwarm abgebrochen, weil sich einige Gäste an deren jamaikanischer Musik störten und die weißen Mitglieder der Band teils afrikanische Kleidung und Dreadlocks trugen.

Was ist mit Touristen, die Lederhosen tragen?

In Deutschland hatten die Klimaaktivist*innen von Fridays for Future vor einiger Zeit eine weiße Musikerin wegen ihrer Dreadlocks von einer Demo ausgeladen. Der Vorwurf ist immer derselbe: kulturelle Aneignung. Damit ist gemeint, dass Menschen sich einer Kultur bedienen, die nicht ihre eigene ist. Kritisiert wird vor allem, wenn Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft sich einzelner Elemente der Kultur einer Minderheit bemächtigen.

Wie absurd derlei Kritik ist, wird klar, wenn man auf das Oktoberfest geht. Auf der Wiesn zwängen sich Jahr für Jahr Menschen aus aller Herren Länder in Bayerns Nationaltracht: die Lederhose. Es ist ein Zeichen der Verbundenheit – was soll daran schlecht sein?

Doch der Kreuzzug der kleinen Zensur-Clique nimmt immer absurdere Züge an. Jüngstes Opfer: Der Ravensburger Verlag stoppte die Auslieferung von Winnetou-Kinderbüchern. Die Firma begründete den Schritt damit, dass man „die Gefühle anderer verletzt habe“. Die Bücher zeichneten angesichts der geschichtlichen Wirklichkeit der Unterdrückung der indigenen Bevölkerung ein „romantisierendes Bild mit vielen Klischees“. Auch von kultureller Aneignung ist die Rede. Das ist peinliche Selbstzensur. Beziehungsweise vorauseilender Gehorsam.

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