Politik

Büste von Max Brose, den Firmengründer des Autozulieferers Brose auf dem Werksgelände in Coburg. Dessen Rolle in der NS-Zeit sorgt in Coburg, dem Stammsitz des Unternehmens, für heftige Diskussionen. (Foto: dpa)

20.05.2015

Coburg ringt mit der Vergangenheit

Im Streit um eine Max-Brose-Straße steht nun eine Entscheidung bevor

Eine 40 000-Einwohner-Stadt widmet einem erfolgreichen Unternehmensgründer eine eigene Straße. Na und? Auf den ersten Blick ist die für Donnerstag geplante Entscheidung des Coburger Stadtrats kommunalpolitisches Alltagsgeschäft. Auf den zweiten Blick aber ist die Sache kompliziert und brisant. Coburg will Max Brose (1884-1968) ehren, den Gründer eines heute weltweit aktiven Automobilzulieferers mit fünf Milliarden Euro Jahresumsatz. Aber eben auch: NSDAP-Mitglied und Wehrwirtschaftsführer in der NS-Zeit.
Seit Monaten gibt es deshalb heftigen Streit, der weit über die Region hinaus verfolgt wird. Die einen sagen, da gehe es schlichtweg um einen erfolgreichen Unternehmer, der viel für Coburg getan hat und ein Straßenschild zu seinen Ehren verdient hat. Die anderen sagen: Da lässt sich eine Stadt von einem Weltkonzern und einer schwerreichen Familie in die Knie zwingen und ignoriert die dunkle Seite der Geschichte.
Als in Deutschland die Nazis herrschten, beschäftigte Max Brose Zwangsarbeiter und war als IHK-Präsident Wehrwirtschaftsführer. Wie der Historiker Andreas Dornheim der "Süddeutschen Zeitung"  sagte, war Brose zudem Abwehrbeauftragter seines Unternehmens: "Diese Leute wurden vom Oberkommando der Wehrmacht oder Reichsführer SS ernannt und arbeiteten eng mit der Gestapo zusammen." Es sollte die Arbeiterschaft überwacht werden. "Es gibt Indizien dafür, dass Brose letztlich als "Hilfsorgan" der Gestapo funktionierte."

Max Broses Enkel: "Es gibt keinen Beleg, dass er das NS-Regime unterstützt hat"

Der Zentralrat der Juden, Vertreter der evangelischen Kirche, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hatten sich in den vergangenen Wochen und Monaten bereits an den Coburger Stadtrat gewandt und sich gegen eine Max-Brose-Straße ausgesprochen.  
Anders sieht Michael Stoschek, Max Broses Enkel und Vorsitzender der Gesellschafterversammlung von Brose, die Sache. In Interviews kurz vor der morgigen Stadtratssitzung erklärte er, dass bewiesen sei, "dass sich Max Brose in einer schwierigen Zeit anständig verhalten hat". Weiter sagte er in der "Neuen Presse": "Es gibt bis heute keinen Beleg dafür, dass mein Großvater in irgendeiner Form das NS-Regime unterstützt hat."  
Im "Coburger Tageblatt" erklärte er: "Die Akten belegen, dass er sich einige Male mutig gegen das Nazi-Regime gestellt hat. Vor diesem Hintergrund erwarte ich eine sehr deutliche Mehrheit im Stadtrat und hoffe, dass die frei gewählten Vertreter der Bürgerschaft eine sachgerechte und keine ideologische Entscheidung treffen werden."
Stoschek verweist auf eine Studie der Universität Erlangen, die das Unternehmen in Auftrag gegeben hatte, und das Urteil der Entnazifizierungskammer. Sein Großvater sei ein Vorbild, hatte er bereits Ende April erklärt.
Auf Kritik stößt das unter anderem bei Björn Mensing. Der Landeskirchliche Beauftragte für evangelische Gedenkstättenarbeit hatte zusammen mit dem Coburger Pfarrer Dieter Stößlein mit einem offenen Brief in die Debatte eingegriffen. Nun sagt er: "Es ist betrüblich, dass diese Stimme und eine ganze Reihe anderer Stimmen offensichtlich bei den Entscheidungsträgern nichts bewirkt haben." Die Debatte in Coburg sei für ihn unbegreiflich, sagt der promovierte Historiker, der sich nach eigenen Worten ausführlich mit Entnazifizierungsverfahren auseinandergesetzt hat. Die Akten als Belege für Untadeligkeit herzunehmen sei "hanebüchen".  
Der Historiker Dornheim hat dem Coburger Stadtrat empfohlen, die Entscheidung zu vertagen. Die Forschungslage sei noch unklar, es lägen noch nicht alle Fakten auf dem Tisch. Einen Antrag zur Vertagung haben die Grünen gestellt, er dürfte aber Beobachtern zufolge keine Mehrheit finden. Michael Stoschek will, so sagte ein Unternehmenssprecher, beim öffentlichen Teil der Stadtratssitzung selbst dabei sein. (Kathrin Zeilmann, dpa)

Kommentare (1)

  1. WAT am 02.06.2015
    Kalimera an die Redaktion !

    Es sieht so aus als bevorzuge die (demokratisch gewählte) Mehrheit in Deutschland die Farbe Braun. Auch wenn sie stinkt. Anders ist die Entscheidung des Coburger Stadtrates nicht zu verstehen. Während man in München die Meiserstr. umbenennt, geht man in Coburg in die entgegengesetzte Richtung. Ein überzeugter Nazi bekommt einen Straßennamen. Ich bin der Überzeugung, daß eine nationalsozialistische Diktatur jederzeit wieder möglich ist in Deutschland. Man lese nach bei Heine. Der wußte es schon im voraus.
    Gruß aus Piräus, Aghia Sophia. Κάλο μίνα !
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