Manchmal wiederholt sich Geschichte eben doch. Jedenfalls so ähnlich. Zehn Milliarden Euro neue Staatsschulden im Eiltempo, quasi binnen weniger Tage: Das galt einmal als undenkbar. Doch als Ende 2008 die im Zuge der Finanzkrise schwerst angeschlagene Bayerische Landesbank vor der Pleite stand, blieb dem Freistaat nichts anderes übrig, als die Bank mit einer Finanzspritze zu retten. Dafür musste die Staatsregierung selber zehn Milliarden Euro neue Schulden machen - und das im Prinzip innerhalb weniger Tage.
Heute, gut elf Jahre später, heißt der Ministerpräsident nicht mehr Horst Seehofer wie damals, sondern Markus Söder. Heute ist es Söder, der aufgrund äußerer Umstände gezwungen ist, quasi über Nacht zehn Milliarden Euro neue Schulden anzukündigen. Der Grund ist aber keine Bank, sondern das Coronavirus, das nicht nur weite Teile des öffentlichen Lebens lahmlegt, sondern auch eine Bedrohung für die Wirtschaft im Freistaat ist: Große und kleine Unternehmen, kleine Freiberufler bis hin zu großen Konzernen - weithin wird sich die Corona-Krise finanziell auswirken. Und das teilweise dramatisch.
Umsatzeinbußen
80 Prozent der Betriebe erwarteten Umsatzeinbußen, hatte der Präsident des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags, Eberhard Sasse, schon Ende vergangener Woche prognostiziert. Die Betriebe bräuchten "Liquidität, Liquidität, Liquidität". Söder räumte ein, man sei "im ökonomischen Corona-Schock", in Deutschland stehe eine Rezession unmittelbar bevor - und versprach, kräftig gegenzusteuern.
Inzwischen sind die Eckpunkte klar: Zum Schutz der Wirtschaft vor den Folgen der Corona-Krise schnürt der Freistaat ein Hilfspaket in Höhe von zehn Milliarden Euro. Die Förderbank LfA springt mir Bürgschaften ein. Es gibt ein Soforthilfeprogramm für Freiberufler, Selbstständige sowie kleine und mittlere Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern - Anträge und erste Auszahlungen sollen sogar noch diese Woche möglich sein. Und über einen "Bayernfonds" sollen vorübergehende staatliche Beteiligungen an "systemrelevanten" Betrieben in Bayern möglich sein.
Der Staat hilft
"Nirgendwo in Deutschland gibt es eine so schnelle, direkte, unbürokratische und in der Höhe so substanzielle Hilfe", sagt Söder nach dem Kabinettsbeschluss am Dienstag. "Wenn der Staat Geschäfte schließt und das zwangsweise anordnet, wenn der Staat das öffentliche Leben runterführt, dann muss er auch die Instrumente bieten, dass die Wirtschaft und die Menschen dabei überleben." Deshalb die hohe Summe.
Und wie damals bei der BayernLB-Rettung soll - oder muss - es auch diesmal schnell gehen. Deshalb macht auch der Landtag Tempo, der wegen der Corona-Krise im Übrigen seine eigenen Regeln ändert und nur noch in Schrumpf-Besetzung mit einem Fünftel der Abgeordneten tagt.
Grünes Licht
Statt wie geplant am 1. April soll der Nachtragshaushalt schon an diesem Donnerstag (19. März) endgültig beschlossen werden. Dann will sich die Staatsregierung auch gleich grünes Licht für das Hilfspaket von zehn Milliarden Euro holen. Diese seien "vollständig im angepassten Entwurf des Nachtragshaushalts 2019/2020 der Staatsregierung enthalten, über den der Landtag endgültig am Donnerstag entscheiden wird", so das Finanzministerium. Schon am Dienstagabend nimmt das Hilfspaket eine entscheidende Hürde: Der Haushaltsausschuss billigt die Pläne - und zwar einstimmig, wie Ausschusschef Josef Zellmeier (CSU) anschließend berichtet.
Fakt ist: Die in Artikel 82 der Landesverfassung festgeschriebene Schuldenbremse, die die Nettokreditaufnahme verbietet, wird für ein Jahr sozusagen außer Kraft gesetzt. Dies ist laut Verfassung unter anderem möglich "bei Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen". Für die sich verschärfende Corona-Krise dürfte dies zweifellos zutreffend sein.
Rücklagen gut gefüllt
Eine Alternative gibt es eigentlich auch nicht. Der Freistaat steht zwar finanziell blendend da - auch wenn die Schuldentilgung zuletzt quasi auf Eis gelegt wurde, etwa zugunsten eines milliardenschweren High-Tech-Pakets. Auch die Rücklagen sind gut gefüllt. Aber zehn Milliarden, und das auf die Schnelle, können Söder und Finanzminister Albert Füracker (beide CSU) nicht aus dem Ärmel schütteln.
Sogar aus den Reihen der Opposition gibt es große Zustimmung für den Schritt. "Die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen und die negativen Auswirkungen abzufedern, ist unsere gemeinsame Aufgabe", sagt der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Tim Pargent. "Dem Hilfspaket für bayerische Unternehmen und auch Kulturschaffende werden wir zustimmen. Das Aussetzen der Schuldenbremse ist in diesem Fall angemessen." Und auch SPD-Fraktionschef Horst Arnold sagt: "Ich befürworte ausdrücklich den bayerischen Schutzschirm von bis zu zehn Milliarden Euro zur Stützung der Wirtschaft." Die SPD werde deshalb der Lockerung der Schuldenbremse für den Freistaat zustimmen.
Doch bei allen Ähnlichkeiten zur BayernLB-Rettung, etwa was die Summe und das Tempo angeht, gibt es auch gewichtige Unterschiede zur heutigen Lage. Damals war halbwegs davon auszugehen, dass die zehn Milliarden zur Rettung der Bank ausreichen würden. Heute kann das so genau keiner sagen, da keiner weiß, wie die Corona-Krise weitergeht und wie dramatisch die Auswirkungen auf die Wirtschaft am Ende sein werden. Die Sorgenfalten bei Haushältern im Landtag sind tief.
(Christoph Trost und Marco Hadem, dpa)
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