Politik

Astrid Freudenstein will für die CSU den Chefsessel des Regensburger Rathauses erobern. (Foto: privat)

22.08.2019

"Da wird schon viel gegockelt"

Die Bundestagsabgeordnete und Regensburger Oberbürgermeister-Kandidatin Astrid Freudenstein (CSU) über den eklatanten Mangel an Frauen in der Kommunalpolitik, männlich geprägte Strukturen und ihre OB-Ambitionen

Wo sind die Frauen in der Kommunalpolitik? Nur fünf der 71 Landkreise in Bayern werden von Frauen geführt. Und lediglich 8 Prozent der Rathauschefs sind weiblich. In keinem anderen politischen Bereich des Freistaats ist der Frauenanteil so gering wie auf kommunaler Ebene. Die 45-jährige Regensburgerin Astrid Freudenstein (CSU) will das ändern. Sie will Oberbürgermeisterin ihrer Heimatstadt werden.

BSZ: Frau Freudenstein, in der Kommunalpolitik ist der Anteil der Frauen besonders gering. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Astrid Freudenstein: Bürgermeisterin oder Oberbürgermeisterin ist halt eine Rund-um-die-Uhr-Aufgabe. Das schreckt schon viele Frauen ab, die ja oft auch daheim gebraucht werden. Dabei gibt es ganz wunderbare weibliche Vorbilder in solchen Positionen, die zeigen, dass es klappen kann.

BSZ: Was hat Sie selbst dazu bewogen, kommunalpolitisch aktiv zu werden?
Freudenstein: Ich stamme schon aus einem politischen Elternhaus. Die Tagesschau war bei uns Pflichtprogramm, am großen Familientisch wurde immer über Politik diskutiert. Mein Vater war jahrzehntelang in unserer kleinen Heimatgemeinde kommunalpolitisch aktiv. Zu uns kamen immer Leute ins Haus, die über die Flurbereinigung geschimpft haben oder Dachgauben bauen wollten. Ich kenne das eigentlich gar nicht anders. Mitglied einer Partei bin ich trotzdem erst spät geworden, ich war 30. Vorher war dafür gar keine Zeit. Ich wollte lernen, studieren, arbeiten, Familie gründen, Haus bauen, die Welt sehen. All das war und ist mir schon sehr wichtig. Politik als Beruf war ja nie mein Plan. Ich bin da eher reingerutscht.

"Wenn es mehr Frauen in den Gremien werden, verändert sich auch etwas"

BSZ: Wie schwer ist es für Sie persönlich, Familie und Politik zu vereinbaren?
Freudenstein: Der liebe Gott hat uns ein gesundes, unkompliziertes, gut aufgelegtes Kind geschenkt - inzwischen ein Teenager, größer als ich. Wenn das nicht so wäre, dann ginge es sowieso nicht. Wir hatten keine Omas und Opas am Ort, aber dank Kindergarten, Hort und Ganztagsschule haben wir das immer geschafft. Mein Mann fängt natürlich vieles auf, er kocht zum Beispiel besser und lieber als ich. Und wir haben auch eine gute Seele zum Saubermachen und Bügeln. Ich bin ja auch nur ein Mensch, und auch meine Tage haben nur 24 Stunden. Ich glaube, wir sind als Familie einfach ganz gut organisiert und Glück hatten wir auch.

BSZ: Jetzt wollen Sie OB von Regensburg werden. Warum?
Freudenstein: Das ist eine Entscheidung des Herzens. Daheim ist daheim, und Regensburg ist nun einmal meine Stadt, wo mir die Menschen am Herzen liegen. Gerade jetzt, wo es die Stadt kommunalpolitisch so gebeutelt hat, kann ich auch wirklich helfen. Regensburg braucht dringend einen neuen Anfang. Viele Menschen in Regensburg haben den Eindruck, dass in der Stadt nichts mehr vorwärts und rückwärts geht. Völliger Stillstand. Und das wirklich Schöne an der Kommunalpolitik ist, dass man einfach über Parteigrenzen hinweg an guten Lösungen arbeiten kann, ganz pragmatisch. Das gefällt mir.

BSZ: Wie könnte man mehr Frauen für kommunalpolitische Ämter gewinnen?
Freudenstein: Frauen bewerben sich nicht so ohne Weiteres. Sie zweifeln mehr an ihrer Kompetenz, Familienpflichten werden oft ernster genommen. Das ist einfach anders als bei Männern, die gerne mal "Hier!" rufen.  Deshalb: Wir müssen Frauen noch mehr ermuntern, mitzumachen. Manchmal muss man sie auch regelrecht überreden. Wenn sie erst einmal dabei sind, dann läuft die Sache ausgezeichnet - jedenfalls ganz sicher nicht schlechter als bei den Männern.

BSZ: Sehen Sie in den politischen Strukturen Hemmnisse für Frauen? Sitzungen zum Beispiel gehen oft bis tief in die Nacht.
Freudenstein: Ich habe oft überlegt, was man besser machen könnte. Aber wann hat eine Mutter, wenn sie kleine Kinder hat, schon problemlos frei? Es wird immer so sein, dass sich Frauen für die Politik Zeit nehmen müssen. Sie müssen das wirklich wollen. Die Strukturen in der Politik sind natürlich schon sehr männlich geprägt. Da wird auch viel gegockelt. Es könnten die Redebeiträge zum Beispiel oft viel prägnanter und kürzer sein, es müsste sich nicht der fünfte Kollege zum selben Thema gleich äußern. Aber gut. Wenn es mehr Frauen in den Gremien werden, verändert sich auch etwas.
(Interview: Angelika Kahl)

Einen Hintergrundbericht über den Frauenmangel in der Kommunalpolitik finden Sie in der Ausgabe der Bayerischen Staatszeitung vom 23. August 2019.

Kommentare (1)

  1. Kommunalpolitiker am 22.08.2019
    Ein in Summe ziemlich undifferenzierter und sexistischer Beitrag. Dass es mit Frauen ausgezeichnet läuft, zumindest aber nicht schlechter lässt sich so nicht sagen. Es liegt an den jeweiligen Individuen. Es gibt in kommunalen Ratsgremien meiner Erfahrung nach sowohl kompetente Männer als auch Frau und höchst inkompetente Mandatsträger beider Geschlechter ebenso. Auch neigen Frauen im gleichen Maße dazu, das bereits Gesagte nochmals zu sagen, wie Männer.

    Die Strukturen sind auch nicht männlich geprägt. Vielmehr muss man in ehrenamtlich besetzten Gremien auf die Abende ausweichen, um nicht zu viel Konflikte mit den Arbeitgebern zu produzieren. Wer sich kommunalpolitisch engagiert, wird ohnehin in Vorstellungsgesprächen mal mehr mal weniger offen abgelehnt. Das muss man nicht noch verstärken. Aber selbst wenn. Mir ist kein Antrag einer weiblichen Mandatsträgerin bekannt, der die "männlich geprägten Strukturen" verbessern würde. Ich erlebe eher große Offenheit. Der Bezirkstag Mittelfranken hat seine Sitzungen einstimmig aufgrund eines Antrags eines männlichen Bezirksrates zeitlich nach hinten verschoben, damit er sein Kind stressfreier in die KiTa bringen kann.

    Was Frau Freudenstein unter "Gegockelt" verstehe, weiß ich nicht. Aber das "Gehenne", um beim Jargon zu bleiben, ist kein Stück besser. Ich wünsche mir mehr Bürgeraufmerksamkeit. In 99% der Sitzungen sind die Besucherränge leer. Dann könnten sich die Bürger vielleicht selbst ein Bild davon machen, wer im Gremium gehaltvoll mitarbeitet und wer nicht und diese Mär von den schrecklich benachteiligten Frauen und den bösen Männern endgültig ad acta legen.
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