Politik

Viele Menschen würden derzeit gern ein neues Fahrrad kaufen – das Angebot ist auch hier mau. (Foto: Getty Images/Jorg Greuel)

09.09.2022

Das Konsumdilemma

Alles wird teurer, viele Produkte wie Fahrräder gibt’s nur eingeschränkt – was tun?

Egal ob es um ein neues Auto geht, ein neues Fahrrad oder eine neue Lampe – was vor Corona problemlos erhältlich war, ist inzwischen häufig zur Mangelware geworden. Gründe hierfür sind gestörte Lieferketten durch Personalengpässe. Die strikte Null-Covid-Politik Chinas sorgt dort für Lockdowns und Arbeitsausfälle.

Hierzulande wiederum sorgen Corona-Infektionen und Isolationspflicht für fehlendes Personal. Das führt dazu, dass man auf einen Neuwagen zwischen einem halben und einem Jahr warten muss. Aktuell ist fast jeder Hersteller betroffen. Manche Fahrzeuge haben allerdings viel längere Wartezeiten als andere. Das liegt zum Teil an Ausstattungen, deren Komponenten momentan schwer zu bekommen sind. Einparkhilfe, Rückfahrkamera, 360-Grad-Kamera, LED-Lichter, Zweifarbenlackierung, Glasschiebedach, Allrad, Leichtmetallfelgen, Navigationssystem und Assistenzpakete sind Ausstattungsmerkmale, die zu längerer Lieferzeit führen können. Wer sich also mit weniger technischem Schnickschnack in seinem Auto zufrieden geben kann, kann den Neuwagen auch schneller in Empfang nehmen.

Auch beim Kauf von Haushaltsgeräten wie Spülmaschinen, Waschmaschinen oder Kühlschränken ist Anpassungsfähigkeit gefragt. Denn nicht jeder Wunschtyp ist auch gleich verfügbar. „Wenn man aber ein wenig flexibel ist, erhält man auch sofort etwas. Dann ist es eben nicht der Wunschkühlschrank in Rot, sondern einer in einer anderen Farbe“, sagt Hans Henning, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands des Elektro-Großhandels (VEG). Doch nicht nur bei Haushaltsgeräten gibt es Engpässe. Auch bei Wärmepumpen, Photovoltaikanlagen und den dazugehörigen Wechselrichtern und Speichern sowie bei der Ladeinfrastruktur für E-Autos ist nicht alles verfügbar, was man sich wünscht. „Teilweise muss man bis zu einem Jahr warten“, so Henning.

Weihnachtsgeschenke am besten schon mal sichern

Um Enttäuschungen vorzubeugen, empfiehlt Bernd Ohlmann, Geschäftsführer des Handelsverbands Bayern, so früh wie möglich die Weihnachtsgeschenke zu ordern. „Das erspart Kunden und Händlern viel Stress“, betont er. Der bayerische Einzelhandel erwartet für dieses Jahr einen Umsatz von rund 72 Milliarden Euro – eine minimale Steigerung gegenüber 2021. Das liegt nicht nur an der schlechtesten Verbraucherstimmung seit Aufzeichnung dieses Wertes. Sondern zusätzlich eben an Lieferengpässen. „Denn 20 Prozent unserer Händler klagen über Lieferprobleme“, erläutert Ohlmann. Eine fatale Entwicklung. „Die Kunden raffen sich trotz hoher Preise auf, etwas zu kaufen, und erhalten in den Geschäften eine Abfuhr, weil die Ware nicht lieferbar ist. Online ist das inzwischen genauso“, sagt Ohlmann. In den beiden Corona-Jahren konnte man wenigstens noch auf elektronischem Weg die gewünschten Artikel bestellen.

Jetzt sorgt noch ein weiterer Grund für schlechte Umsätze: Die explodierenden Energiepreise sorgen für Ausfälle. So haben in der bayerischen Papierbranche bereits einige Unternehmen wegen der exorbitanten Gaspreise die Produktion eingestellt. „Für sie rechnet es sich schlicht nicht mehr“, erläutert Thorsten Arl, Hauptgeschäftsführer der bayerischen Papierverbände. Er fordert vom Bund, dass schnellstmöglich die nötigen Genehmigungen dafür erteilt werden, dass Betriebe von Gas auf Öl umstellen. Denn das ist nicht so einfach möglich. Zwar können die Unternehmen jetzt schneller einen Öltank und die dazugehörigen Anlagen bauen, aber für die Inbetriebnahme ist der gleiche Genehmigungsweg nötig wie bisher. „Damit bringt eine Umstellung des Brennstoffs für diesen Winter gar nichts“, klagt Arl.

Am 26. August, dem internationalen Tag des Toilettenpapiers, warnte die deutsche Papierindustrie bereits vor möglichen Engpässen. „Im Hygienepapier-Produktionsprozess sind wir besonders auf Gas angewiesen. Bei einem Wegfall können wir die Versorgungssicherheit nicht mehr gewährleisten“, sagte Martin Krengel, Vizepräsident des Verbands „Die Papierindustrie“ und Vorstandschef von Wepa aus Arnsberg in Nordrhein-Westfalen, dem drittgrößten Hygienepapierhersteller Europas mit einem Jahresumsatz von circa 1,3 Milliarden Euro. Konkurrent Hakle aus Düsseldorf hat wegen stark gestiegener Rohstoff- und Energiekosten diese Woche bereits Insolvenz angemeldet.

Die hohen Gaspreise könnten auch zu Engpässen bei Lebensmitteln und Getränken führen. Für die Produktion wird CO2 gebraucht, um Fleisch, Wurst oder Käse haltbar zu machen oder die Kohlensäure in Sprudelgetränken zu erzeugen. CO2 entsteht als Nebeneffekt bei der Produktion von Ammoniak, das wiederum für die Herstellung von Düngemitteln benötigt wird. Wegen des hohen Gaspreises haben die Düngemittelfabriken zuletzt aber ihre Produktion gedrosselt oder sogar komplett eingestellt.

Die Ampel in Berlin ist gut beraten, diese Baustellen schnellstmöglich zu versorgen. Sonst könnte sich der Wutwinter weit schlimmer gestalten als befürchtet.
(Ralph Schweinfurth)

 

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