Die Opposition geißelt es als das schärfste Polizeigesetz seit 1945: Mitte Mai will die CSU-Fraktion das neue Polizeiaufgabengesetz (PAG) verabschieden. Manfred Ländner kann die Proteste dagegen nicht verstehen, es enthalte schließlich mehr Richtervorbehalte und damit Sicherheitsschranken als zuvor. Auch ist dem 59-Jährigen ein Rätsel, weshalb ausgerechnet die Kirchen gegen die Kreuzpflicht in Behörden wettern.
BSZ Herr Ländner, die CSU erhitzt im Moment ganz schön die Gemüter: Die Kruzifix-Debatte nimmt kein Ende, und gegen die Entwürfe zum Psychisch-Krankenhilfe-Gesetz und Polizeiaufgabengesetz laufen die Menschen Sturm. Waren die Gesetze so schlecht?
Manfred Ländner Nein, da waren unterschiedliche Motive im Spiel. Beim Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz haben gleich vier Ministerien daran gearbeitet und hatten natürlich auch verschiedene Ziele zu berücksichtigen. Wir haben es halt auch zu einem kleinen Teil mit psychisch kranken Menschen zu tun, die sich selbst oder andere gefährden. Darauf muss das Gesetz eine Antwort geben, weil alle Rechtssicherheit brauchen.
BSZ Auch beim PAG, dem Polizeiaufgabengesetz, gab es kurzfristig Änderungen. Ist das den scharfen Protesten des NoPAG-Bündnisses, einem Zusammenschluss von 40 Vereinen, Organisationen und Parteien, geschuldet?
Ländner Nein, die Änderungen waren marginal, sie betrafen zum Beispiel die Dauer des Prerecordings von Bodycams der Polizei. Dort wo die Formulierungen unnötige Missverständnisse hervorrufen, ist es doch sinnvoll, diese auszuräumen. Was mich ärgert ist, dass das Bündnis Menschen bewusst in die Irre führt. Es ist völliger Quatsch, dass Menschen gegen den polizeilichen Einsatz von Handgranaten demonstrieren. Die Polizei darf sie seit Jahrzehnten einsetzen, und zwar nur ein Sondereinsatzkommando als äußerstes Mittel.
BSZ Das war doch nie ein Vorwurf des Bündnisses.
Ländner Ich habe selbst einen TV-Bericht gesehen, in dem eine junge Frau erklärt, dass sie auf der Straße ist, weil sie nicht will, dass die Polizei mit Handgranaten Streife fährt.
BSZ In den sozialen Netzwerken geistern viele Falschmeldungen herum. Hauptkritikpunkt des Bündnisses aber ist der schwammige Begriff der drohenden Gefahr: Polizisten dürfen zum Beispiel die Post öffnen oder Telefonate abhören, wenn sie jemanden, der noch keine Straftat begangen hat, für gefährlich halten. Werden damit nicht Bürgerrechte massiv eingeschränkt?
Ländner Nein, die Polizei darf schon mal nicht einfach Post öffnen. Da gibt es in der Regel einen Richtervorbehalt. Den Begriff der drohenden Gefahr hat das Bundesverfassungsgericht geprägt. Außerdem steht er bereits seit dem 1. August 2017 im Gesetz. Dass SPD und Freie Wähler, die sich damals bei der Abstimmung im Landtag enthalten haben, jetzt aufregen, ist allein dem Wahlkampf geschuldet.
"Sollen wir warten, bis einer die Tat umsetzt?"
BSZ Auch die CSU steckt mitten im Wahlkampf. Hoffen Sie, mit dem Thema Sicherheit AfD-Wähler zurückzuholen?
Ländner Noch einmal: Hier findet eine Emotionalisierung bereits diskutierter und getroffener Entscheidungen statt, die mit Wahlkampf, einer Angst vor der AfD oder einem angeblichen Rechtsruck der CSU überhaupt nichts zu tun hatten.
BSZ Aber was ist mit der Befürchtung, dass Bürger, die völlig unschuldig ins Visier der Ermittler geraten, ausgespäht werden können?
Ländner Die ist unbegründet. Denn selbstverständlich braucht es zuvor eine richterliche Entscheidung. Eine drohende Gefahr ist dann gegeben, wenn man Hinweise auf eine schwere Straftat hat, Ort und Zeit aber unbekannt sind. Und sie gilt nur bei Gefährdung höchstpersönlicher Rechtsgüter, also Leben, Gesundheit, Freiheit oder sexueller Selbstbestimmung. Die Polizei muss doch ermitteln können, wenn Menschen etwas Schlimmes planen. Zum Beispiel, wenn der Ex-Ehemann damit droht, demnächst seine Frau umzubringen. Sollen wir warten, bis er seine Absicht in die Tat umsetzt? Auch die Verhinderung von Straftaten ist Aufgabe der Polizei.
BSZ Fehler ausgeschlossen?
Ländner Wo Menschen beteiligt sind, kann es natürlich Fehler geben. Unsere Aufgabe ist es aber, sie so weit als möglich auszuschließen. Deshalb stehen im neuen PAG mehr Richtervorbehalte als im alten. Wir haben wirksame Sicherheitsschranken. Und wir werden eine Stelle schaffen, die prüft, welche Erkenntnisse verwertet werden dürfen und welche zum Schutz der Persönlichkeitsrechte nicht, weil sie zum Beispiel intime Details enthalten.
BSZ Das klingt nach einer Menge Mehrarbeit für die bayerische Polizei, die bereits jetzt über zwei Millionen Überstunden angehäuft hat.
Ländner Ich glaube nicht, dass da viel Mehrarbeit auf die Polizei zukommt. Die meiste Arbeit für Polizisten machen linke Landesregierungen, die den Sicherheitskräften nicht die nötigen Werkzeuge an die Hand geben. Natürlich bedeutet es einen Mehraufwand, wenn eine Nachfrage bei einem Richter erforderlich ist. Aber Gottseidank haben wir im Bereich schwerer Straftaten und der Anschlagsverhinderung nicht sehr viele Fälle. Außerdem stellen wir mehr Polizisten ein. Wir schaffen 3500 Stellen bis 2023. Übrigens: Die hohe Belastung unserer Beamtinnen und Beamten ist vor allem den vielen Einsätzen bei Demonstrationen, Fußballspielen oder Veranstaltungen, auch im Wahlkampf, geschuldet.
BSZ 500 Stellen gehen aber gleich mal an die neue bayerische Grenzpolizei. Wie sinnvoll ist das, wo der Schutz der Grenzen eine Bundesaufgabe ist?
Ländner Natürlich werden wir jetzt nicht einfach mal 500 Polizisten nach Passau verschieben. Wir werden stattdessen sukzessiv Beamte speziell für den grenzpolizeilichen Dienst aus- oder weiterbilden. Sie werden die Bundespolizisten wie bereits bisher unterstützen. Eine Grenzpolizei der alten Fassung wird das nicht sein, sie wird vor allem verstärkt Maßnahmen wie die Schleierfahndung wahrnehmen.
"Ich rate in der Kreuzdebatte zur Mäßigung"
BSZ Es ist also nur eine Verstärkung der Schleierfahndung, die man bayerische Grenzpolizei nennt, weil es einfach schöner klingt. Gerade in den Grenzregionen gab es ja überproportional viele AfD-Wähler.
Ländner Das ist jetzt eine eigenwillige Interpretation. Es entsteht ein eigener Polizeiverband, weil sich unter einem solchen Dach Fortbildungsmaßnahmen und Spezialisierung besser organisieren lassen. Ebenso können Erkenntnisse leichter ausgetauscht werden. Man muss an der Grenze andere Dinge wissen als in Würzburg. Zum Beispiel braucht man ein geschultes Auge für Pässe und Dokumente.
BSZ Noch ein ganz anderes Thema zum Schluss: Hat sich Ministerpräsident Markus Söder mit seiner Provokation, in jeder Staatsbehörde ein Kreuz aufzuhängen, angesichts des massiven Widerstands auch aus kirchlichen Kreisen verkalkuliert?
Ländner Wir machen unsere Politik aus Überzeugung, hier deutlich sichtbar von einem christlichen Wertefundament ausgehend. Wenn es darum geht, was diese Gesellschaft zusammenhält, darf man seine Überzeugung nicht aufgeben, nur weil es Widerspruch gibt. Im Übrigen denkt die Mehrheit der Menschen in Bayern so wie wir, wie eine BR-Umfrage zeigt.
BSZ Unter den Anhängern der AfD finden sich die meisten Befürworter. Und was ist mit dem Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche?
Ländner In den meisten Behörden hängen doch ohnehin bereits Kreuze. Wenn ein neues Amtsgebäude übergeben wird, ist es oft üblich, es segnen zu lassen. Und dabei wird meist auch ein Kreuz übergeben. Beim Fototermin will dann jeder mit auf das Bild, auch die ganzen Leute, die jetzt schimpfen.
BSZ Kardinal Marx spricht von einer Spaltung und Unruhe durch Söders Erlass. Der Münchner Weihbischof Wolfgang Bischof kritisiert den Missbrauch des Kreuzes als Wahlkampflogo. Stimmt Sie das nicht nachdenklich?
Ländner Für mich als einfachen Bürger ist es nicht ganz nachvollziehbar, dass sich gerade die christlichen Kirchen so massiv beschweren. Als politisch denkender Mensch möchte ich aber gerade in dieser Frage zu etwas Mäßigung raten.
(Interview: Angelika Kahl)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!