Politik

In Bayerns Rathäusern soll künftig mehr gefragt werden dürfen. Das Bild zeigt das Rathaus in Wasserburg am Inn. (Fto: Getty Images/Westend61)

28.05.2021

Das Recht zu fragen

Bayern hat (noch) kein Auskunftsrecht für Kommunalpolitiker*innen, andere Länder schon

Es war eine einfache Frage. In einer Sitzung des Finanzausschusses im Ingolstädter Stadtrat wollte Petra Kleine, Stadträtin der Grünen, 2018 wissen, warum ein bestimmtes Kulturprogramm, das seit mehr als 20 Jahren existierte, seit der Gründung einer kommunalen, gemeinnützigen Veranstaltungs-GmbH 2016 um die Hälfte geschrumpft ist.

Die Frage lag nahe, weil der dafür zuständige Geschäftsführer dem Ausschuss seinen Wirtschaftsplan präsentierte. Der Rechtsreferent erklärte ihr jedoch, sie habe kein Recht, diese Frage zu stellen. Das dürfe nur der Ausschuss als Ganzes. Das einzelne Stadtratsmitglied habe dagegen „kein eigenes Recht in seiner Funktion als Mitglied des Ausschusses, direkt Auskünfte einzufordern und zu erhalten“. Sie erhielt keine Antwort in der Sitzung. „Ein Unding“, beklagte Kleine.

Fragen wie diese dürften ausschließlich in der GmbH behandelt werden, betonte der Rechtsreferent. Allerdings ist Mitgliedern der Kontrollgremien der GmbH verboten, mit ihren eigenen Fraktionskolleg*innen darüber zu sprechen; die Öffentlichkeit darf also nichts erfahren. Petra Kleine kritisierte gegenüber dem damaligen Oberbürgermeister die „Abschottung hinter GmbH-Mauern“.

Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags erstellte im Jahr 2017 ein Gutachten „Zum Fragerecht von Gemeinderatsmitgliedern“ und betonte: „Abgesehen von Bayern verfügen alle Flächenländer in der Bundesrepublik über Kommunalgesetze mit ausdrücklichen Regelungen zu den Frage- und Informationsrechten von Gemeinderatsmitgliedern.“ Anlass war eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Fragerecht im Bundestag. Dort und in den Landtagen verfügen Abgeordnete über persönliche Auskunftsrechte als wichtiges Element der parlamentarischen Demokratie. Die Regierung muss antworten. Doch eine Kommunalvertretung sei kein Parlament, urteilte das Bundesverfassungsgericht.

Natürlich soll der Datenschutz trotzdem beachtet werden

In Bayern wollen die Landtags- Grünen jetzt ein individuelles Recht auf Auskunft und Akteneinsicht für jedes einzelne Stadt- und Gemeinderatsmitglied in Bayern einführen. Aber ihr Vorstoß hat Grenzen. Die Informationsrechte sollen dazu dienen, die Verwaltung zu überwachen – nicht über Gebühr auszuforschen. „Natürlich soll nicht jeder Gemeinderat in jede Personalakte schauen können“, sagt Johannes Becher, der für die Grünen im Landtagsausschuss für Kommunales sitzt.
Alle Fraktionen des Bayerischen Landtags haben dem Grünen-Antrag, Reformen der Kommunalordnung zu prüfen, zugestimmt; jetzt soll das bayerische Innenministerium sein Urteil dazu abgeben.

Bislang haben Kommunen Informationsrechte in Geschäftsordnungen und Satzungen unterschiedlich geregelt, oft restriktiver als nötig.

An dem Tag, als das Grünen-Anliegen im Kommunalausschuss des Landtags behandelt wurde, brachte auch die AfD-Fraktion eine Initiative zum Thema ein: einen Gesetzentwurf für erweiterte und individuelle Auskunftsrechte, in dem sie Regelungen aus anderen Bundesländern übernahm. Diesen Gesetzentwurf wiederum lehnten die anderen Fraktionen ab. Weil die AfD trotz vorheriger Einigkeit des Vorgehens vorpresche und damit ihr eigenes Abstimmungsverhalten konterkariere. Der Grünen-Abgeordnete Johannes Becher forderte die AfD auf, ihren Entwurf zurückzuziehen.

Die CSU ist eher skeptisch

Eine Umfrage unter den Landtagsfraktionen ergibt: Freie Wähler, SPD und FDP halten individuelle Rechte für sinnvoll. Wobei umstritten ist, ob persönliche Auskunftsrechte auch kommunale Unternehmen wie GmbHs umfassen sollen. Die CSU ist skeptisch: Manfred Ländner (CSU), Vizevorsitzender des Kommunalausschusses, hat zwar zugestimmt, dass die Forderung von seiten der Staatsregierung geprüft wird; gleichzeitig betont er aber: „Aus unserer Sicht sind neue Regelungen weder erforderlich noch zielführend.“ Die bestehende Rechtslage habe sich bewährt.

Der Juraprofessor Gerrit Manssen, der an der Uni Regensburg Verwaltungsrecht lehrt, begrüßt die Änderungspläne: „Es gibt keinen Grund, warum der Gesetzgeber ein Auskunftsrecht des Kreistagsmitglieds gegenüber der Kreisverwaltung vorsieht, ein Auskunftsrecht des Gemeinderatsmitglieds gegenüber der Gemeindeverwaltung aber nicht.“ Ein Recht auf Auskunft für alle Ratsmitglieder stärke die gesetzlich gewünschte Kontrollfunktion der Volksvertreter*innen. Besonders fraktionslose Ratsmitglieder würden davon profitieren. „Die Einführung eines Auskunftsrechts wäre ein richtiger Schritt auf dem Weg zu einer moderneren Gemeindeordnung“, sagt Manssen.

Im Mai 2020 löste ein SPD-Oberbürgermeister die CSU in Ingolstadt ab, Petra Kleine wurde Bürgermeisterin – gemeinsam mit der SPD hat sie die Veranstaltungs GmbH aufgelöst. Sodass Fragen zum Kulturprogramm jetzt also möglich wären. Dennoch: Mehr Rechte für Einzelne in Satzungen kommunaler Unternehmen wurden bislang nicht geschaffen. Christian Lange, Fraktionschef der örtlichen Unabhängigen Wählergemeinschaft, dringt indes auf Korrekturen in solchen Satzungen. Er nennt es ärgerlich, „wenn über Angelegenheiten kommunaler Unternehmen in Fraktionen oder Gruppierungen eines Gemeinderats nicht gesprochen werden darf. Da müssen wir auch in Ingolstadt noch einige Hausaufgaben machen.“
(Vinzenz Neumaier, Thomas Schuler)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Ist die geplante Hausarztpflicht sinnvoll?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
X
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.