Politik

Wer in den Biergarten will, muss Namen und Adresse hinterlassen – was passiert eigentlich mit diesen Daten? (Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich)

04.06.2021

Datenschutz? Nicht so wichtig

Eingeschränkte Grundrechte in der Pandemie

Neulich beim Corona-Test: Die Apothekerin fragt nach dem Namen der Getesteten. Um gut hörbar zu verkünden: „Ihr Test war negativ.“ Will man, dass das alle Anwesenden wissen? Was, wenn der Test positiv ausgefallen wäre? Leider ist das nicht das einzige Datenschutzproblem in der Pandemie.

Erstaunlich, wie locker viele Menschen derzeit das Thema Datenschutz sehen. Mit Blick darauf beispielsweise, welche Empörungswellen neue Datenschutzregeln bei Whatsapp ausgelöst hatten.

Beispiel Gastronomie: Trotz niedriger Inzidenzen sind Lokale weiterhin verpflichtet, die Kontaktdaten ihrer Kundschaft zu erheben. Heißt: Wer kommt da, und wo wohnen die? Wer nicht will, dass der Wirt nebenan so viel über einen weiß, muss daheim essen. Die Restaurants sind lediglich gehalten, die Daten so aufzubewahren, dass sie nicht von Unbefugten einsehbar sind, teilt eine Sprecherin des bayerischen Gesundheitsministeriums mit. Und die Daten müssen nach vier Wochen gelöscht werden.

Immerhin: Die Polizei hat inzwischen keinen Zugriff mehr auf die Gästelisten. Noch im Herbst 2020 konnten Ordnungskräfte jederzeit Namen und Adressen sämtlicher Restaurantbesucher*innen einsehen. Nach massiven Protesten wurde diese Praxis gestoppt. Was die Polizei nicht daran hindert, jetzt noch viel weitgehendere Rechte einzufordern, nämlich den Zugriff auf die Impfdaten des Robert Koch-Instituts. Um damit Impfbetrügereien aufzudecken. Protest kam lediglich von der FDP. Es könne nicht sein, dass der Datenschutz ausgehöhlt werde, nur weil der Staat es nicht schafft, fälschungssichere Impfpässe bereitzustellen, so der Fraktionsschef der Landtags-FDP, Martin Hagen.

Ein Graus mit Blick auf den Datenschutz ist zudem die Kontaktnachverfolgungs-App Luca, die Daten von Restaurant- oder Theatergästen digital erfasst. Für Gastgeber sind die Kontaktdaten zwar nicht sichtbar. Aber es werden immer wieder Sicherheitslücken entdeckt. Die jüngste war so gravierend, dass man die an die App angebundenen Gesundheitsämter hätte lahmlegen können.

Reagiert haben die Luca-Zuständigen erst, nachdem es zu negativer Berichterstattung gekommen war, kritisiert Benjamin Adjei, Digital-Experte der Landtags-Grünen. Er fordert die Staatsregierung nun auf, die Luca-App einer umfangreichen und unabhängigen Sicherheitsanalyse zu unterziehen. Denn der Freistaat, der für die Jahreslizenz 5,5 Millionen Euro zahlt, hält trotz der anhaltenden Kritik an der Luca-App fest.

Wildfremde Menschen haben Einblick in persönliche Gesundheitsdaten

Dabei gäbe es längst eine Alternative, die deutlich datensparsamer ist: die Corona-Warn-App des RKI mit ihrer neuen Check-in-Funktion. Da sie einen anonymen Ansatz verfolgt, wird nicht das Gesundheitsamt über einen kritischen Kontakt informiert, sondern nur die Person, die die App nutzt. Diese kann sich dann eigenverantwortlich testen lassen.

Eine Eigenverantwortung, auf die man in Bayern nicht vertrauen möchte. Lieber lässt man zu, dass der kommerzielle Luca-Anbieter einen Wust an persönlichen Daten sammelt. Die Behörden wiederum werden von „großen Datenmengen mit nicht relevanten Kontaktdaten“ überschwemmt, wie das Münchner Gesundheitsreferat moniert. Dort unterstützt man die Forderung des Bundesdatenschutzbeauftragten, auch das Einchecken mit der Corona-Warn-App rechtlich möglich zu machen.

Ein Datenschutz-GAU ist schließlich die Forderung, dass Menschen, die von der Maskenpflicht befreit sind, den Grund hierfür offenlegen müssen. Zwar sind laut Infektionsschutzmaßnahmenverordnung nur Behörden, die für den Vollzug des Infektionsschutzrechts zuständig sind, berechtigt, eine Diagnose einzusehen. Allerdings kommt es immer wieder vor, dass auch Unternehmen und teilweise auch Behörden ohne Vollzugsaufgaben im Infektionsschutzrecht die Vorlage „sprechender Atteste“ verlangen. Bayerns Datenschutzbeauftragter Thomas Petri nennt das „besonders problematisch – erst recht, wenn die Betroffenen dann ein solches Attest vorlegen und trotzdem keinen Zugang in den Supermarkt und so weiter erhalten“.

Tatsächlich ist es inakzeptabel, wenn bei Kontrollen in Bus und Bahn oder auch am Arbeitsplatz wildfremde Menschen Auskunft fordern über persönliche Gesundheitsdaten. Zumal es Diagnosen gibt, die heikler sind als Asthma oder schwere Allergien. Datenschützer Petri nennt etwa das Trauma von Vergewaltigungsopfern, denen der Mund zugehalten wurde und die deshalb Angstzustände beim Masketragen erfahren. FDP-Mann Hagen schlägt vor, jeweils zwei Atteste auszustellen: eines mit und eines ohne Diagnose.

Er ist ohnehin der Ansicht, dass die erheblichen Grundrechtsbeschränkungen im Zuge der Pandemie baldmöglichst zurückgenommen werden müssten. Heißt: wenn alle, die es wollen, geimpft sind.

Apotheken und Testcenter, erfährt man übrigens vom Gesundheitsministerium, dürfen die Namen ihrer Kundschaft sowie deren Testergebnisse nicht laut hinausblöken. Und wenn die das trotzdem tun? Man möge sich doch, lässt das Ministerium wissen, in solchen Fällen an den Datenschutzbeauftragten wenden. Gut zu wissen – allerdings ist es in solchen Fällen leider bereits zu spät.
(Angelika Kahl, Waltraud Taschner)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Sollen Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.