Politik

Nahrungsergänzungsmittel sind nicht nur in Apotheken äußerst beliebt. Doch beim Kauf der Produkte muss man sehr genau hinschauen und sich gut informieren. (Foto: dpa/Jens Büttner)

14.07.2023

Viel hilft oft nicht viel

Immer mehr Nahrungsergänzungsmittel, die in Bayern auf den Markt kommen, werden beanstandet – das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit schlägt Alarm

Bayerns Lebensmittel sind sicher. Das ist ein Ergebnis des jüngsten Jahresberichts des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) aus Erlangen. Lediglich 0,2 Prozent der 2021 und 2022 untersuchten Lebensmittel wiesen gesundheitliche Risiken auf. Alarmierend ist allerdings die hohe Zahl an Nahrungsergänzungsmitteln, die von der Behörde beanstandet wurden. Falsch eingenommen, können sie sogar die Gesundheit schädigen. Kontrollen allein helfen da nicht – die Politik ist gefragt.

Das LGL hatte in den vergangenen beiden Jahren eine jeweils dreistellige Zahl von Proben von Nahrungsergänzungsmitteln untersucht. Dabei fielen 37 Prozent der im Jahr 2021 analysierten Proben negativ auf und im vergangenen Jahr sogar 54,1 Prozent – also mehr als jede zweite Probe. Jeweils rund 10 Prozent dieser Proben wiederum attestierte das Amt gesundheitliche Risiken.

Ein Verfahren zur Zulassung gibt es nicht

Nahrungsergänzungsmittel muten oft an wie medizinische Produkte. Sie sind es aber nicht. Oft gibt es sie in kleinen Dosierungen, als Kapseln oder Tabletten. Sie enthalten Vitamine, Mineralien oder andere Nährstoffe wie Omega-3-Fettsäuren, die – wie es der Name sagt – die normale Ernährung ergänzen sollen.

Die Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel regelt unter anderem, welche Inhaltsstoffe erlaubt sind. Doch angesichts einer Flut von neuen Produkten von unzähligen Herstellern tun sich die Behörden schwer, mit den Kontrollen hinterherzukommen.

Die Mittel kaufen außerdem viele nicht nur in Drogerien, Supermärkten oder Apotheken, sondern auch im Internet. Und das macht bekanntlich nicht vor Bundesgrenzen halt – auch wenn für in Deutschland im Netz bestellte Waren eigentlich dieselben Gesetze gelten wie im stationären Handel. Hinzu kommt, dass es EU-weit keine einheitlichen Höchstwerte für die Nahrungsergänzungsmittel gibt – in Deutschland gibt es auch nur Empfehlungen.

Anders als bei Arzneimitteln benötigen die Hersteller in Deutschland zudem kein Zulassungsverfahren, bei dem nachgewiesen werden muss, dass die Mittel gesundheitlich unbedenklich sind. Sie müssen lediglich beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit anzeigen, wenn sie ein neues Produkt auf den Markt bringen. Und das Amt leitet diese Information dann weiter an die jeweils zuständigen Behörden in den Ländern.

Das LGL setzt neben diesen Hinweisen auch auf wiederkehrende Schwerpunktkontrollen, weil es um die Probleme weiß: „Bei Nahrungsergänzungsmitteln ergeben sich regelmäßig vergleichsweise hohe Beanstandungsquoten“, heißt es aus dem Landesamt.

Mal sind die Versprechen der Hersteller zweifelhaft, mal fehlen Hinweise zur richtigen Dosierung. Oder die Waren sind direkt gesundheitsschädlich oder verboten: So untersuchte das LGL in den vergangenen beiden Jahren 105 Proben von mit Cannabidiol (CBD) oder Tetrahydrocannabinol (THC) angereicherten Produkten – und beanstandete alle diese Hanfprodukte.

Die Hälfte sah das LGL nicht als Nahrungsergänzungsmittel, sondern als nicht zugelassene neuartige Lebensmittel. 13 Proben waren laut LGL wegen ihres hohen THC- oder CBD-Gehalts gesundheitsschädlich, 36 Produkte wurden wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz Polizei und Staatsanwaltschaft vorgelegt. Die übrigen vier Proben enthielten keine Hanfextrakte, sie wurden aber wegen ihrer irreführenden Aufmachung beanstandet. 

Aber die Hanfprodukte sind nur ein kleiner Teil der Nahrungsergänzungsmittel, die den Behörden Kopfzerbrechen bereiten. Die Produkte sind mittlerweile ein Milliardenmarkt. Der Umsatz betrug 2022 laut dem Lebensmittelverband Deutschland 1,8 Milliarden Euro – wohlgemerkt ohne Internetversand. 

Verkaufsspitzenreiter ist Magnesium, dicht gefolgt von Vitamin C. Während die Einnahme von Vitamin C unbedenklich ist, weil der Körper den Stoff wieder ausscheidet, kann es bei Magnesium oder einer Kombination mehrerer Stoffe schnell zu einer Schädigung der Gesundheit kommen. Die Konsument*innen sind oft mit den Angaben überfordert – etwa, wie hoch der zulässige Tagesbedarf ist und wie viel sie von dem Stoff ohnehin schon über ihre Nahrung aufgenommen haben.

Bei jedem Verstoß ergeht ein Bescheid der zuständigen Kontrollbehörde an die Hersteller. Doch, wie LGL-Leiter Christian Weidner bei der Vorstellung des Jahresberichts im Umwelt- und Verbraucherschutz-Ausschuss des Landtags den Abgeordneten erklärte, komme es oft vor, dass die Hersteller dann gegen den Bescheid klagten und sich die Parteien vor Gericht wiedersehen.

Denn den Nachweis zu erbringen, dass jemand absichtlich die Verbraucher*innen irreführen wollte, ist offenbar gar nicht so einfach. Mit Überwachung allein werden die Behörden des Themas wohl nicht Herr. Das sieht man auch beim LGL so: „Notwendig wären hier striktere Regulierungen auf europäischer Ebene“, erklärt eine Sprecherin des Amtes. 

EU-Initiative will ein Gesetz ab 2024

Immerhin gibt es mittlerweile bei der EU-Kommission und bei der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde Arbeitsgruppen, die sich mit dem Thema Höchstwerte für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln beschäftigen. Eine EU-Initiative plant eine gesetzliche Regelung ab 2024.

Auch Rosi Steinberger (Grüne), die Vorsitzende des Umwelt- und Verbraucherschutz-Ausschusses im Landtag, sieht die EU als Gesetzgeber in der Pflicht. Aber auch die Staatsregierung um Ministerpräsident Markus Söder (CSU) müsse handeln, fordert sie: „Man muss die Leute warnen.“

Steinberger stellt sich eine Aufklärungskampagne über die Verbraucherzentralen vor. Dazu müssten auch Apotheken, Drogerien und Supermärkte sensibilisiert werden. Aus Steinbergers Sicht muss auch beim LGL das Personal aufgestockt werden. „Die kommen nicht mehr hinterher“, sagt sie. (Thorsten Stark)
 

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