Politik

23.06.2022

Lohnuntergrenze: Ist die geplante Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro ausreichend?

Ab Oktober soll bundesweit ein Mindestlohn von zwölf Euro gelten. Ates Gürpinar, stellvertretender Bundesvorsitzender seiner Partei und Mitglied des Bundestags hält dies jedoch keinesfalls für ausreichend. Julika Sandt, Arbeitsmarktexpertin der FDP-Landtagsfraktion ist da ganz anderer Meinung.

JA

Julika Sandt, arbeitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag

Anpassungen des Mindestlohns erfolgen normalerweise durch die Mindestlohnkommission. In dieser Kommission sind Gewerkschaften wie auch Arbeitgeber vertreten. Die gesetzliche Festlegung des Mindestlohns sollte eine einmalige Ausnahme bleiben. Sonst droht ein Überbietungswettbewerb der Parteien um Wähler. Obwohl der neue Mindestlohn noch nicht einmal in Kraft ist, fordern bereits jetzt linke Parteien weitere Erhöhungen.

Wichtig ist der FDP aber nicht nur, dass politisch unabhängig entschieden wird, sondern auch, dass die Arbeitnehmer bei einer Erhöhung des Mindestlohns tatsächlich mehr Geld im Portemonnaie haben. Denn bisher wurden die Mini- beziehungsweise Midijobs immer von Erhöhungen durch die allgemeine Lohnentwicklung abgeschnitten. Das heißt: Mit jeder Anpassung des Mindestlohns mussten Mini- und Midijobber am Ende ihre Stunden reduzieren, um die Obergrenze von 450 Euro beziehungsweise 1300 Euro monatlich nicht zu überschreiten. Die FDP hat deshalb in den Koalitionsverhandlungen erfolgreich verhandelt, dass künftig auch die Mini- und Midijob-Grenzen (520 Euro/1600 Euro) erhöht und dynamisch an den gesetzlichen Mindestlohn gekoppelt werden. Diese Änderung kommt nun 7,2 Millionen Menschen zugute. Für sie bedeutet von nun an jede Erhöhung des Mindestlohns, dass sie am Ende auch mehr in der Tasche haben.

Dabei kommt es uns auch darauf an, dass es nicht zu einer kalten Progression kommt. Denn mit steigendem Gehalt steigt in der Regel auch die Steuerlast. Gleichzeitig liegt die Inflation aktuell bei 7,9 Prozent. Um also den Menschen gerecht zu werden, die Mindestlohn erhalten, müssen wir ihre Steuern niedrig halten. Bei all dem dürfen wir auch nicht die Arbeitgeber vergessen. Sie stehen aktuell vor großen Herausforderungen. Sie benötigen Zeit, um sich auf die neuen Rahmenbedingungen einzustellen. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung mehrere Monate bis zum Eintreten des neuen Mindestlohns eingeplant.

 

NEIN

Ates Gürpinar, stellvertretender Bundes- sowie Landesvorsitzender der Linken und Mitglied des Bundestags

Es war ein Riesenerfolg, dass der Mindestlohn eingeführt und nun auf Druck von linken Kräften und Gewerkschaften auf immerhin zwölf Euro erhöht wurde. Alle Debatten, dass damit Arbeitskräfte verloren gingen, erwiesen sich schlicht als falsch. Nun wissen wir allerdings: Auch zwölf Euro reichen nicht. Dieser Mindestlohn schützt nicht flächendeckend vor Altersarmut, geschweige denn ernährt er eine Familie. Es kommt bei der gegenwärtigen Verteuerung noch schlimmer: Wer für Niedriglohn ackert, erhält durch den höheren Mindestlohn gerade einmal einen Inflationsausgleich. Er müsste also höher sein, um vor Armut zu schützen, die alten Argumente gegen die Erhöhung waren früher falsch, sie sind es heute immer noch.

Die Kritik am beschlossenen Mindestlohn geht aber tiefer: Zum einen sind die Kontrollen mehr als unzureichend. Mindestlohnbetrug ist bereits weitverbreitet. Weder die lückenlose, fälschungssichere Aufzeichnung von Arbeitszeiten ist verpflichtend, noch werden die Mindestlohnkontrollen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit spürbar ausgeweitet. Die Bundesregierung tut nichts dagegen, dass ausgerechnet Geringverdiener*innen um einen Teil ihres Lohnes geprellt werden. Im Gegenteil koppelt die Bundesregierung die Ausweitung sogenannter Minijobs an die Mindestlohnerhöhung. Es wird also nicht dazu führen, dass mehr Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein werden. Dabei ist eindeutig belegt, dass Minijobs reguläre Beschäftigung verdrängen. Es gibt keinerlei soziale Absicherung, und insbesondere für Frauen bedeuten sie oft ein Verharren in der Teilzeitfalle.

Zu guter Arbeit gehört mehr als die Debatte über deren Entlohnung: Arbeitszeit, Urlaubsanspruch, Arbeitsschutz, Altersvorsorge, Ausbildungsvergütung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sei es bei der Fürsorge für Kinder oder der Pflege Angehöriger. Diese Mindestlohnerhöhung reicht bei Weitem nicht und sie ist auch kein Zeichen von Respekt der Bundesregierung gegenüber hart arbeitenden Menschen. 
 

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