Politik

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter unterstützte seine SPD im Hofbräukeller. (Fotos: dpa, BSZ)

10.01.2025

"Noch keine Obama-Stimmung"

Wahlkampf mit der SPD: Trotz magerer Umfragewerte hält Bayerns Spitzenkandidat Carsten Träger ein Wahlergebnis von 20 Prozent für realistisch

Trotz mieser Umfragewerte ist die Stimmung bei vielen Genossen nicht am Boden. Es ist eine Mischung aus Trotz und Zweckoptimismus, die sich breitmacht. Das zeigt ein Besuch bei der Münchner Basis. Ein Spitzenpolitiker hat das Wahlergebnis derweil mit seinem Gewicht verknüpft.

Carsten Träger hat ein Versprechen abgegeben. Für jedes Prozent, das die SPD bei der Bundestagswahl in Bayern holt, will der bayerische Spitzenkandidat der Partei ein Kilo abspecken. Bis zu 20 Prozent seien drin, glaubt Träger. Der Mann hat also einiges vor. Sein aktuelles Gewicht will der Mittelfranke nicht in der Zeitung lesen. Es sei aber verraten, dass es im dreistelligen Bereich liegt und er also nicht vom Fleisch fallen würde, sollten sich seine Wahlhoffnungen erfüllen.

Beginn einer Aufholjagd?

„Um mich muss sich niemand Sorgen machen“, betont Träger. Tatsächlich liegt die SPD in Bayern derzeit bei maximal 9 Prozent. Nicht nur mit Blick auf seine Figur und Gesundheit bläst Träger nun im kurzen Wahlkampf bis zum 23. Februar zur „Aufholjagd“. Zweifel, dass diese nicht gelingen könnte, lässt Träger nicht aufkommen – trotz der Tatsache, dass Kanzlerkandidat Olaf Scholz bei den Menschen ziemlich unbeliebt ist. In der Partei verspüre er Geschlossenheit, behauptet Träger. „Wir wollen uns alle hinter Olaf Scholz versammeln, und wir tun das auch.“

Restzweifel beseitigt die SPD-Landeschefin Ronja Endres. „Der Wahlkampf-Olaf ist etwas anderes als der Kanzler-Olaf“, verspricht sie. „Viele werden überrascht sein, wie kampfeslustig er sein kann.“ In Bayern wird man das live überprüfen können, denn Scholz wird im Freistaat auf alle Fälle zwei Wahlkampfauftritte haben.

Bislang hält sich die Zahl der Wahlkampftermine prominenter Sozialdemokraten im Freistaat zwar in Grenzen. Doch in vielen Orten laufen längst die Infostände an und die Genossen in den Ortsverbänden müssen genug Freiwillige zum Plakatieren finden. Angesichts schlechter Umfragewerte und bei teils frostigen Graden kein leichtes Unterfangen.

Umso wichtiger ist es, das Gemeinschaftsgefühl der SPD-Leute zu wecken. Bei ihrem traditionellen Dreikönigstreffen im Hofbräukeller am Montag gaben sich die Münchner SPD-Spitzen deshalb gehörig Mühe, die eigenen Mitglieder in den Wahlkampfmodus zu versetzen. Rund 200 Genossinnen und Genossen sind gekommen. Der Saal ist so voll, dass manche an den Türen und im Nebenraum stehen – so auch Falko Blumenthal. Rote Rosen und eine SPD-Broschüre liegen herum. Manche Besucher trinken Bier, andere Kaffee. Ein riesiges SPD-Plakat steht neben dem Eingang.

Seit 2020 ist der Mann, der bei einem Sozialverband arbeitet, nun schon bei der SPD. Offen räumt er ein, dass die Dynamik unter den Wahlkämpfern diesmal nicht jene sei wie bei der letzten Bundestagswahl 2021. „Das ist noch keine Obama-Stimmung. Vor Weihnachten war die Stimmung echt mies“, klagt der 39-Jährige. Aber zuletzt habe sich diese deutlich verbessert. „Die Mitglieder engagieren sich. Die glauben wieder an den Wahlsieg“, sagt Blumenthal, der Beisitzer in einem Münchner Ortsverein ist.

Immer wieder grüßen ihn andere SPDler im Vorbeigehen. Die Partei macht sich Mut. „Wir stehen für Werte wie Pressefreiheit und die Demokratie auf der Straße ein.“ Es gehe auch darum, ein weiteres Erstarken der AfD zu verhindern. Aus dem großen Saal schallt derweil die Rede von Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter in Richtung von Blumenthals Stehtisch. Er ruft zur Geschlossenheit im Bundestagswahlkampf auf: „Uns geht es um bezahlbares Wohnen, Mobilität für alle, Zusammenhalt und eine starke Demokratie mit einer starken Wirtschaft.“ Die SPD mache „keine Politik im stillen Kämmerlein, sondern mit den Menschen zusammen“.

Münchens OB Reiter ruft zu Geschlossenheit auf

Mehrfach wird Reiter von lautem Beifall unterbrochen. Es sind Genossen aus allen Altersklassen gekommen. Überall an den Tischen stehen kleine rote SPD-Fahnen. Im Gang toben Kinder umher und ernten zumeist lächelnde Blicke. Für Bayerns Sozialdemokratie ist es keine Selbstverständlichkeit, dass auch viele Familien unter den Zuhörern sind. In manchen Ortsvereinen halten nur noch einzelne Alte das Banner der einst stolzen Arbeiterpartei hoch.

Auch in München sind viele Ältere dabei. Doch nicht nur diese können sich erinnern, dass die SPD immer wieder mal schwierige Wahlkämpfe für sich im Schlussspurt drehen konnte. Ex-Kanzler Schröder war dies gelungen, und auch der jetzige Regierungs- und SPD-Chef war 2021 nicht aus der Pole Position in den Wahlkampf gezogen. Trotzdem bezwang er seinen Kontrahenten Armin Laschet (CDU) am Wahlabend. „Wir sind hoffnungsvoll“, beteuert Saskia Millmann, die seit 17 Jahren bei der SPD ist. Sie glaubt, dass Scholz noch Kanzler werden könne.

Manche im Hofbräukeller zweifeln aber durchaus daran, dass Scholz der Richtige ist – nur offen sagt das keiner. Viele hier finden es richtig, dass die Bundes-SPD stark auf soziale Themen wie bezahlbare Mieten und eine steuerliche Entlastung der Gering- und Mittelverdiener gesetzt hat. Kein Wunder: München ist eine der teuersten Städte Europas.

Doch auch die bayerische Parteispitze sieht sich thematisch gut aufgestellt. Man habe sich ins Wahlprogramm der Bundes-SPD „sehr gut eingemischt“, lobt sich Landeschefin Endres. Beschäftigungssicherung stehe im Mittelpunkt. Von der Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro würden rund 20 Prozent der bayerischen Arbeitnehmer profitieren. Man habe die Forderung nach einem schnelleren Ausbau der Stromnetze bei gleichzeitiger Deckelung der Netzentgelte durchgesetzt, um die für Bayern nachteilige Einführung unterschiedlicher Strompreiszonen zu verhindern. Zudem werde das industriell starke Bayern vom „Deutschland-Fonds“ profitieren, der öffentliches und privates Kapital mobilisieren soll, um Zukunftsinvestitionen anzukurbeln. Die SPD setzt daneben auf einen „Made-in-Germany-Bonus“.

Nach der Wahl hält das SPD-Duo eine Koalition aus SPD und Union für sehr wahrscheinlich, am liebsten in dieser Reihenfolge. Ein erneutes Dreierbündnis ist für Endres nicht erstrebenswert. Die verblichene Ampel habe gezeigt, dass eine solche Konstellation hauptsächlich „verwässerte Kompromisse“ liefere.

Träger setzt auf eine möglichst starke SPD, weil nur damit garantiert sei, dass es in Deutschland nicht zu österreichischen Verhältnissen komme. „Ohne die SPD besteht die konkrete Gefahr, dass man ganz Rechts bekommt“, so Träger mit Blick auf den nun in Wien erteilten Auftrag an die FPÖ zur Regierungsbildung.

Ob und wie viel Gewicht Träger am Ende verlieren wird, bleibt angesichts ausbaufähiger Umfragewerte spannend. (Tobias Lill, Jürgen Umlauft)
 

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