Politik

30.04.2025

Soll zur Stärkung der Wirtschaft ein Feiertag gestrichen werden?

Wirtschaftsfachleute haben vorgerechnet: Die Abschaffung eines bundesweiten Feiertags könnten das Bruttoinlandsprodukt im Milliarden Euro steigern. Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, ist einer der Verfechter. Klar dagegen spricht sich Verena Di Pasquale, die stellvertretende Vorsitzende des DGBN in Bayern, aus

JA

Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung 

In Dänemark wurde 2023 ein Feiertag abgeschafft, um die Rüstungsanstrengungen bewältigen zu können. Auch die deutsche Volkswirtschaft soll in den nächsten Jahren mehr leisten als bisher. Die Infrastruktur des Landes ist teilweise marode, und die Politik hat gerade beschlossen, in den kommenden zwölf Jahren die öffentlichen Investitionen deutlich zu steigern.

Außerdem muss Deutschland mehr für seine Verteidigung tun. Dafür müssen mehr Rüstungsgüter produziert werden. Darüber hinaus braucht Deutschland mehr Soldaten – es wird sogar über die Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutiert. Dadurch würden Arbeitskräfte beansprucht, die dann woanders fehlen.

Dass für Infrastruktur und Rüstung Kredite bereitgestellt werden, sichert die Finanzierung. Aber woher soll die Arbeitskraft kommen, die all dies umsetzt? Wenn nicht mehr Arbeitskraft zur Verfügung steht als bisher, werden diese Ausgabenprogramme die Löhne in der Rüstungs- und Bauindustrie erhöhen, sodass Arbeitskräfte aus anderen Bereichen abwandern. Andere Industriesektoren müssten schrumpfen und in wichtigen Dienstleistungssektoren wie Gesundheit und Pflege würde Personal knapper. Überall würden die Preise steigen. Viele Bürger müssten den Gürtel enger schnallen.

Wenn man diese Verknappung verhindern will, müssen Maßnahmen ergriffen werden, die das Produktionspotenzial erhöhen. Das Streichen eines Feiertags wäre ein Beitrag dazu.

Man kann einwenden, dass man die Produktion auch durch mehr private Investitionen oder durch mehr Ausbildungsanstrengungen steigern kann. Das trifft zu, aber angesichts der Arbeitskräfteverknappung durch den demografischen Wandel wird man alle Möglichkeiten zur Stabilisierung des Arbeitsangebots nutzen müssen.
Natürlich würde die Abschaffung eines Feiertags allein das Problem nicht lösen. Aber immerhin würde die Wirtschaftsleistung dadurch nach Schätzungen um gut 8 Milliarden Euro pro Jahr zunehmen. 

NEIN

Verena Di Pasquale, stellvertretende Vorsitzende des DGB Bayern

Einen Feiertag streichen, um aus der Wirtschaftsschwäche herauszukommen? Das ist zum einen nichts anderes als eine versteckte Lohnkürzung. Zum anderen ist es mal wieder typisch, ganz nach dem Motto: Fehlen uns die Ideen, müssen das die Beschäftigten ausbaden und einfach noch mehr arbeiten. Dabei haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland zuletzt mit rund 55 Milliarden Stunden so viel gearbeitet wie nie zuvor.

Übrigens: Bayern hat mit 13 die meisten gesetzlichen Feiertage aller Bundesländer und liegt beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf dennoch auf Platz zwei hinter Hamburg. Auch die Arbeitsproduktivität lag 2023 in Bayern mit 72,79 Euro pro Stunde deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 66,84 Euro.

Fakt ist: Wir haben kein Feiertags-, sondern ein Fachkräfteproblem. Und das löst sich nicht, indem freie Tage gestrichen werden. Stressbedingte Erkrankungen bei den Beschäftigten haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Viele sind bereits heute extrem belastet oder sogar überlastet. Viele müssen viel zu früh erwerbsgemindert aus dem Arbeitsleben ausscheiden.

Statt noch größeren Druck brauchen Beschäftigte Zeit zum Durchatmen. Deshalb sollten Politik und Arbeitgeber besser für faire Löhne, ein gesundes Arbeitsumfeld und Arbeitszeiten sorgen, die zum Leben passen. Auch die Rahmenbedingungen für Betreuung und Pflege müssen endlich ausgebaut werden. Das ermöglicht wiederum eine bessere Arbeitsmarktintegration insbesondere von Frauen und damit der Personengruppe mit dem größten Fachkräftepotenzial. Darüber hinaus gilt es, Erwerbslose, Ältere, Menschen mit Behinderung sowie mit Migrationsgeschichte und die vielen jungen Menschen ohne Ausbildung in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Das sind die Lösungsansätze, von denen die Beschäftigten profitieren und die gleichzeitig dabei helfen, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Eine Win-win-Situation für beide Seiten. 
 

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