Politik

Bauen soll einfacher werden – doch der Weg dahin ist weit. (Foto: dpa/Patrick Pleul)

20.09.2019

Der Teufel steckt im Detail

Die Staatsregierung will das Baurecht reformieren – doch der Großteil der Vorschläge ist mit sehr heißer Nadel gestrickt

Etwa 80 000 Wohnungen müssten pro Jahr im Freistaat gebaut werden, um die Wohnungsnot zu lindern. Im Jahr 2017 waren es nur rund 58 500. Um Abhilfe zu schaffen, will die Staatsregierung das Bauen in Bayern einfacher und schneller gestalten. Und zwar mittels einer Reform des bayerischen Baurechts. Diese sieht unter anderem vor, dass Kommunen Baugenehmigungen innerhalb eines Quartals erteilen müssen. Schaffen sie das nicht, soll der Bauantrag automatisch als erteilt gelten. Schnellere Genehmigungen verspricht man sich zudem davon, dass der Schriftverkehr verstärkt digital stattfinden soll.

Was ist von diesen Vorschlägen zu halten? Wir haben uns umgehört.

Völlig irreal ist die ehrgeizige Dreimonatsfrist. Grund: In den Bauämtern fehlt Personal. Allein in Coburg stehen laut einem Sprecher der Stadt gerade einmal drei Mitarbeiter für die Bearbeitung von 250 bis 300 Bauanträgen im Jahr zur Verfügung. Zwar will die Staatsregierung 250 neue Stellen in der Bauverwaltung des Freistaats, der 71 Landkreise und 25 kreisfreien Städte schaffen, doch wo die Fachkräfte herkommen sollen, weiß niemand. Der Markt an Bauingenieuren ist leer gefegt. Selbst Planungsbüros haben Probleme, offene Stellen zu besetzen.

Holger Magel, Ehrenpräsident der Akademie Ländlicher Raum, spricht von purem Aktionismus. Er sieht außerdem die Gefahr, dass Kommunen, um nicht in die Falle der Dreimonatsfrist zu tappen, Bauanträge nur noch dann annehmen, wenn sämtliche Unterlagen mitgeliefert werden – also Stellungnahmen der Naturschutzbehörde, Architektenpläne etcetera. Was dann aber die Vorbereitungszeit für einen Bauantrag in die Länge ziehe. Eine Zeitersparnis finde nicht statt. Bernd Buckenhofer, Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags, sieht schon eine Klagewelle auf die Kommunen zurollen: dann nämlich, wenn Bauherren, deren Antrag wegen fehlender Unterlagen nicht angenommen würde, vor Gericht ziehen. Auch dies hätte zur Folge, dass sich das Ganze in die Länge zieht.

Der Vorstoß, verstärkt Parkplätze zu überbauen, ist dagegen zu begrüßen. Am Dantebad in München ist so etwas realisiert worden. Auf diese Weise konnte viel bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. Allerdings: Wer über oder neben einem Parkplatz wohnt, muss erdulden, dass ein- und ausfahrende Autos Lärm verursachen.

Vielleicht hat ja der neue Bauminister einen Geistesblitz

Zu Spannungen mit Nachbarn kann auch ein anderes Vorhaben der Staatsregierung führen: flexiblere Höhen und Mindestabstände. Wenn neu gebaut wird, der Neubau näher an die Grundstücksgrenze rückt oder dank Aufstockung von Gebäuden die Aussicht beeinträchtigt wird, sind Konflikte vorprogrammiert. Zuständig für die Streitschlichtung sind Städte und Gemeinden.

Die sind auch für den Plan, mittels digitaler Technik die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Bei 15 Landkreisen läuft derzeit ein entsprechendes Pilotverfahren. Der Bayerische Gemeindetag fordert nun, dass dies die Kommunen finanziell nicht zusätzlich belasten darf. Und verweist darauf, dass einige Zeit nötig sei, um ein vollständiges digitales Baugenehmigungsverfahren zu etablieren. Wobei auch hier Mangel an Fachkräften herrscht, wie Johann Keller, Geschäftsführer des Bayerischen Landkreistags, betont. Weshalb die Zeiten, in denen Ämter mit externen Stellen, die bei Bauanträgen zu konsultieren sind, noch mit Fax und Brief agieren, so schnell nicht vorbei sein dürften. In dieser Zeit findet sich vielleicht auch genügend digitalisierungskundiges Personal.

Es ist also noch viel Feinarbeit nötig, damit der Vorstoß der Staatsregierung ein Erfolg wird. Eine schnelle Entlastung des angespannten Wohnungsmarkts ist nicht zu erwarten. Vielleicht hat ja der neue Bauminister einige Geistesblitze, den sich Ministerpräsident Markus Söder suchen muss, sollte Amtsinhaber Hans Reichhart bei der Kommunalwahl 2020 tatsächlich zum Landrat von Günzburg gewählt werden.
(Ralph Schweinfurth)

Kommentare (1)

  1. Conny am 20.09.2019
    Sehr guter Text - genau solche Themen will ich in „meiner“ Staatszeitung lesen. Und nicht ständig dieses linksgrüne Gejammer über die ach so schlechte Emanzipation! Dafür gibts Emma und taz.
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