Politik

Schluss mit Bargeld: Die Staatsregierung arbeitet aktuell an der Einführung einer sogenannten Flüchtlingskarte, die EC-Karte und Personalausweis vereinen und Bargeldausgaben verhindern soll. (Foto: dpa/Friso Gentsch)

29.06.2023

Der Traum vom gläsernen Geflüchteten

Die Staatsregierung arbeitet an einer Flüchtlingskarte, um den Bargeldverkehr von Asylbewerber*innen einzuschränken

Die Staatsregierung plant, die Finanzausgaben von geflüchteten Menschen zu kontrollieren und zu steuern. Da dies mit Bargeld nur schwer möglich ist, arbeitet Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) aktuell an der Einführung einer sogenannten Flüchtlingskarte, die EC-Karte und Personalausweis vereinen soll. Künftig sollen alle staatlichen Finanzhilfen nur noch digital auf diese Karte ausbezahlt werden. Dadurch können Überweisungen überwacht, Abhebungen eingeschränkt, Konten gesperrt und Zahlungen auf vorgegebene Regionen beschränkt werden.

Begonnen haben die Planungen bereits im Jahr 2016. Für die Entwicklung der Karte stand das Ministerium ab dieser Zeit in Kontakt mit Jan Marsalek vom Münchner Skandal-Zahlungsdienstleister Wirecard. Das belegen interne Dokumente, deren Einsicht sich das Informationsfreiheitsportal Frag den Staat erstritten hatte. Obwohl zu dieser Zeit schon vor dubiosen Geschäften des Unternehmens gewarnt wurde, gratulierte der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) laut den Unterlagen Herrmann für dieses „Leuchtturmprojekt“. Initiator der Idee soll das International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) gewesen sein. Die Organisation steht in der Kritik, weil sie zum Beispiel mit den Küstenwachen in Libyen oder Marokko zusammenarbeiten soll.

Die Rechtsgrundlagen für die Flüchtlingskarte wurden bereits geschaffen

Trotz der Insolvenz von Wirecard wird die Entwicklung der Flüchtlingskarte weiter vorangetrieben – das bestätigte das bayerische Innenministerium jetzt auf zwei schriftliche Anfragen der Grünen-Landtagsfraktion, die der Staatszeitung vorliegen. Weitere Treffen mit dem ICMPD habe es zwar nicht gegeben. „Derzeit wird aber eine erste Ausschreibung zur Einführung eines Bezahlsystems vorbereitet“, heißt es in der Antwort. Die Rechtsgrundlagen im Aufnahmegesetz und in der Asyldurchführungsverordnung seien bereits geschaffen.

Die Staatsregierung erhofft sich von der Flüchtlingskarte, dass das ausbezahlte Taschengeld nur für den eigenen Bedarf und nicht etwa für Geldtransfers an die Familie in der Heimat oder Schlepper ausgegeben wird. Ob und wie oft dies in der Vergangenheit der Fall war, kann das Haus von Innenminister Herrmann allerdings nach eigener Aussage nicht sagen. Manche bayerische Landkreise haben den Einsatz einer Flüchtlingskarte bereits 2015 getestet – aber aufgrund eines „nicht vertretbar hohen Verwaltungsaufwands“ wieder eingestellt. 

Ob die Einführung dieses Mal ein Erfolg wird, bleibt abzuwarten. Das Innenministerium versichert, dass von den Asylbewerber*innen keine biometrischen Daten erfasst und keine Bewegungsprofile angelegt würden. Allerdings sollen statistische Bezahldaten anonymisiert ausgewertet werden. Die Landtags-Grünen befürchten durch die Flüchtlingskarte einen „Eingriff in das persönliche Leben von Geflüchteten“. Außerdem müssten vor einer Entscheidung die zuständigen Ausschüsse im Landtag einbezogen werden. Nachdem die Staatsregierung die Entwicklung der Flüchtlingskarte lange abgestritten hatte, sollte sie jetzt endlich mit offenen Karten spielen. (David Lohmann)

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