Politik

So menschen- und autoleer wie hier ist der Münchner Odeonsplatz selten. (Foto: dpa/Peter Kneffel)

18.06.2021

Der Traum von der autofreien City

Anwohnerparkplätze sind – noch – günstig. Das könnte sich ändern

Autofans kommen in der Münchner Altstadt mitunter ins Staunen: Ferraris, Porsches und andere PS-Boliden parken dort zuhauf. Für Eltern mit Kinderwagen erschwert die Blechansammlung das Vorbeikommen oft massiv. SPD und Grüne wollen das nun ändern. Die Rathauskoalition will die innerhalb des Altstadtrings gut 3500 oberirdischen öffentlichen Parkplätze bis 2025 komplett streichen. So wolle man den sogenannten Park-Such-Verkehr deutlich verringern, sagt der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Stadtratsfraktion, Nikolaus Gradl. Denn wenn es keine Parkplätze gibt oder die Autos in Parkgaragen stehen, muss niemand ewig durchs Viertel kurven, so zumindest die SPD-Hoffnung. „Zudem entsteht dadurch Platz, der etwa für Grünflächen oder Parkbänke genutzt werden kann“, weiß Gradl.

Zwölf Quadratmeter verbraucht ein Parkplatz im Schnitt, so Grünen-Verkehrsexpertin Gudrun Lux. Perspektivisches Ziel sei eine weitgehend autofreie Innenstadt. „Ein Vorbild ist Wien“, sagt Lux. Zum einen hat die österreichische Hauptstadt einen sehr gut ausgebauten ÖPNV. Zum anderen gibt es dort in der Innenstadt eine riesige Fußgängerzone, die von zwei Zonen umschlossen ist, in denen jeweils Tempo 20 herrscht und die parkplatzfrei sind.

Um die Menschen in München sowie von außerhalb in die Busse und Bahnen oder aufs Rad zu bringen, will die bayerische Landeshauptstadt manche Straßen für den Autoverkehr sperren. In der seit einigen Jahren autofreien Sendlinger Straße war die Aufregung zunächst groß. Einzelhändler fürchteten, die Kundschaft würde ausbleiben. Dazu kam es ebenso wenig wie in Wien

ADAC und CSU warnen

Dort, wo das Parken noch erlaubt bleibt, soll es den grün-roten Plänen zufolge deutlich teurer werden. Wer aus dem Umland in die Stadt kommt, soll möglichst bereits im Umland oder zumindest an der Stadtgrenze parken und in den Nahverkehr umsteigen. „Deshalb sollen dort die Parkplätze umsonst oder sehr günstig sein“, sagt Gradl. In der Innenstadt verteuerte die Stadt dagegen zuletzt das Parken deutlich. Abends etwa muss man nun 2,50 Euro pro Stunde berappen. Künftig solle, wer unbedingt mit dem Auto in die Stadt wolle, eines der diversen privaten Parkhäuser nutzen. „Die stehen zum Teil leer, weil es draußen billiger ist“, sagt Lux.

Ein Dorn im Auge ist der Stadt auch, dass die Anwohner*innen in der Innenstadt ihre Autos beinahe zum Nulltarif auf der Straße parken dürfen. Maximal 30,70 Euro jährlich dürfen bayerische Kommunen für Anwohnerparkausweise laut geltender Rechtslage derzeit verlangen. Zum Vergleich: Wer sich einen Platz in einer Garage mietet, zahlt an der Isar schnell einen niedrigen dreistelligen Betrag – pro Monat.

Umwelt- und Fahrradverbände begrüßen, dass in einigen Jahren in der Altstadt nur noch Zulieferer, Taxis oder Schwerbehinderte am Straßenrand parken können. Doch es gibt auch Kritik: „Wer darauf angewiesen ist, muss auch weiterhin mit dem Auto in die Stadt fahren können“, sagt Manuel Pretzl, Chef der CSU-Stadtratsfraktion. Von einer guten Erreichbarkeit hänge die Existenz vieler Gewerbebetriebe ab. Die bestehenden Parkgaragen seien zu klein und zu teuer. Er wirft Grün-Rot vor, „die Verkehrswende mit der Brechstange durchsetzen“ zu wollen.

Auch in anderen Städten tobt der Kampf um die Straßenhoheit. Chemnitz strich zuletzt Tausende Gratis-Parkplätze. Der ADAC ist alarmiert. Eine deutliche Verteuerung des Parkraums würde Beschäftigte im Niedriglohnbereich benachteiligen.

Anwohnerparkausweise: viel zu billig

Doch klar ist: Der Verkehrsbereich ist der einzige Bereich, in dem die Kohlendioxid-Emissionen in den vergangenen Jahren stagnierten oder gar stiegen. Kommunen, die die Blechlawine eindämmen wollen, bremste bislang allerdings der Gesetzgeber aus. Die bundesweite Obergrenze für Anwohnerparkausweise werde mittlerweile von vielen Kommunen voll ausgeschöpft und sei nicht mehr zeitgemäß, so ein Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB). Und auch Bernd Buckenhofer, Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags, ist überzeugt: „Eine Neuregelung der Gebühren für das Anliegerparken und für Parkgebühren wird vor allem von größeren Städten als notwendig eingeschätzt.“ Die Gebührengrenze für Anwohnerparkplätze wurde drei Jahrzehnte lang nicht angehoben. Die Preise für Fahrkarten oder auch für Fahrräder explodierten dagegen.

Der DStGB fordert vom Gesetzgeber, den Kommunen endlich „mehr Gestaltungsmöglichkeiten für die Verkehrswende einzuräumen“. So etwa bei der Anordnung von Parkraummanagement oder der Einrichtung sogenannter Lieferzonen. Das rechtlich-regulative Korsett sei „zu eng“. Seit Oktober haben die Länder immerhin die Möglichkeit, den Kommunen bei der Höhe der Parkgebühren mehr Freiheiten zu geben. Bayerns Innenministerium arbeitet bereits an einem Beschlussvorschlag. Parken könnte dann teurer werden.
(Tobias Lill)

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