Politik

Es ist unwahrscheinlich, dass das Modell für das neue Münchner Konzerthaus (Bildmitte) tatsächlich so umgesetzt wird. (Foto: dpa/Tobias Hase)

01.12.2023

Die fetten Jahre sind vorbei

Der seit Langem geplante Münchner Konzertsaal soll deutlich billiger werden – das ist gerechtfertigt

Rund 23 Jahre lang Debatten, hochfliegende Pläne und Erwartungen: Ein Konzerthaus sollte im Münchner Werksviertel entstehen, das internationale Strahlkraft entfaltet. Ein Ort, an dem nicht nur das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks endlich ein Zuhause findet, sondern auch genug Platz ist für Tonstudios, Musikvermittlung und ein Projektlabor für die Hochschule für Musik. Im künftigen Konzerthaus wollte man Musik und Digitalität verknüpfen und neue Publikumsgruppen erschließen. Ja, sogar von einer „Bildungsplattform für ganz Bayern“ war die Rede. Sir Simon Rattle, Chefdirigent des Symphonieorchesters, hoffte schlicht auf das modernste Konzerthaus der Welt.

Und jetzt? Hat der bayerische Kunstminister Markus Blume, (CSU) deutliche Worte gefunden. Das Milliarden- soll zum Millionenprojekt schrumpfen. Mit Verweis auf Krieg, Umbruch und Unsicherheit wird also abgespeckt.

Was das genau heißt, ist zwar noch unklar. Der Traum vom prestigeträchtigen Leuchtturm allerdings, welcher der Hamburger Elbphilharmonie den Rang ablaufen und mit den besten Häusern der Welt mithalten könnte, ist geplatzt. Dort, wo jetzt interimsweise ein Riesenrad vor sich hin kreist, wird aller Voraussicht nach kein Palast entstehen, sondern lediglich ein Raum zum Musizieren. Oder wie sonst sollte Blumes Bemerkung zu verstehen sein, man werde den Blick vom Konzerthaus wieder stärker auf den Konzertsaal richten?

Der Sparkurs ist eine herbe Enttäuschung für all jene, die sich seit Jahren für das Konzerthaus starkmachen. Man könnte den Minister für kurzsichtig halten. Ist es nicht geradezu kleinmütig, nicht ganz vorn in der Weltklassemusik mitspielen zu wollen? Oder sogar: provinziell? Schließlich leuchtet die Hochkultur einer Stadt nicht nur in sie selbst hinein, sie strahlt auch ins Um- und Ausland hinaus.

Wo setzt man Prioritäten?

Von einem Konzerthaus der Extraklasse hätten nicht nur die üblichen klassikinteressierten Silver Ager profitiert. Sondern auch der Taxifahrer, der sie vom Hauptbahnhof zum Werksviertel kutschiert, der Barkeeper am Ostbahnhof und die Hotellerie.

Auch die Stadtgesellschaft selbst hätte an dem Prestigeobjekt Gefallen finden können. Denn Kultur gehört genauso wie eine gute Verkehrsanbindung, bezahlbares Wohnen, ausreichende Kinderbetreuungseinrichtungen, Sportanlagen und viel städtisches Grün zum Profil einer Stadt dazu. Sie schafft Wohlstand und Arbeitsplätze, lockt Unternehmen in die Stadt und bringt die wirtschaftliche Entwicklung voran. Darum muss kulturelle Infrastruktur gefördert und instand gehalten werden. „Kultur ist kein Luxus, sondern unverzichtbarer Bestandteil von Urbanität und städtischem Leben“, so der Deutsche Städtetag.

Anders als Bibliotheken, Museen und Musikschulen, die allen offenstehen, haben allerdings Musik, Oper und Theater ein besonderes Problem: Sie sind so elitär, dass sich eine Münchner Durchschnittsfamilie kaum die Tickets leisten kann. Je umwerfender die künstlerische Qualität ist, desto unerschwinglicher sind die Eintrittspreise. Ein paar günstige Stehplätze ohne Sicht, Studentenrabatte und erfreuliche Aktionen wie „Oper für alle“ ändern daran kaum etwas: Hochkultur ist Kultur für die wenigen.

Das ist bitter, zumal die Steuerzahler*innen jeden Opernbesuch subventionieren, auch wenn viele sich den trotzdem nicht leisten können. Laut Spiegel werden bundesweit insgesamt 10 Milliarden Euro Steuermittel jährlich für Theater und Oper ausgegeben. Ohne öffentliche Förderung könnten auch die besten Orchester und Schauspieltruppen des Landes einpacken. Was auch damit zu tun hat, dass laut Deutschem Bühnenverein lediglich ein Prozent der Theaterfinanzierung aus privaten Geldern stammt.

Kein Wunder also, dass ein Megaprojekt wie die teure Konzerthalle nicht bei allen Bürger*innen gut ankommt. Was unter dem Verdacht steht, elitär zu sein, hat ja ohnehin gerade keinen guten Lauf.

Von Neid und Missgunst sollte man sich jedoch nicht leiten lassen, von Verantwortungsgefühl dagegen schon. Deshalb ist es richtig, genauestens zu prüfen, wofür Steuergelder ausgegeben werden. Auch wenn man dabei zu dem traurigen Schluss kommt, ein fantastisches Leuchtturmprojekt angesichts knapper Kassen, vieler nötiger Sanierungen im Kulturbereich und fehlender mittelgroßer Hallen, Clubs und Übungsräume für verstiegen zu halten.

Ja, das Konzerthaus wäre eine großartige Sache gewesen. Aber aufs Ganze gesehen eben leider auch eine furchtbar unvernünftige. Klar ist: Er muss her, der klanglich erstklassige Konzertsaal, den die Spitzenmusiker und -musikerinnen des Symphonieorchesters schon lange verdienen! Für die Musizierenden, für die Zuhörenden, für die Musik selbst. „Günstiger muss nicht unbedingt schlechter bedeuten“, behauptet Blume. Jetzt geht es darum, dieser kühnen These Taten folgen zu lassen. Mögliche Empfindlichkeiten abzustreifen. Sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Die Pläne zu verschlanken. Und einen Konzertsaal zu entwickeln, der zu den besten der Welt gehört. (Monika Goetsch)
 

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