Politik

Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber und Finanzminister Markus Söder in Feierlaune. Was sie feiern? Sich selbst! (Foto: dpa)

03.03.2016

Die große Stoiber-Söder-Sause

Es ist ein ganz spezieller Festakt an diesem Donnerstag in der Residenz: Mit mehreren Hundert Gästen feiert der Finanzminister zehn Jahre ausgeglichenen Haushalt. Die Opposition ätzt: "Phantasiejubiläum"

Er ist wieder da, im alten Glanz. Im Kaisersaal, einem der Pracht-Säle der Münchner Residenz, steht am Donnerstag nach vielen Jahren wieder einmal Edmund Stoiber im Mittelpunkt. Eingeladen wurde der frühere bayerische Ministerpräsident von seinem politischen Ziehsohn: Markus Söder. Zusammen mit seinem Mentor will der Finanzminister in politisch angespannten Zeiten einmal ausgiebig feiern: zehn Jahre ausgeglichenen Haushalt in Bayern.

Festredner Stoiber bezeichnet es als einen "politischen Meilenstein", dass man 2006 den ersten ausgeglichenen Haushalt in Bayern erreicht habe. "Bayern ist mit dem Verzicht auf neue Schulden nicht schwächer, sondern stärker geworden, nicht ärmer, sondern reicher." Finanzpolitik habe auch eine moralische Dimension: "Wir versündigen uns wirklich an der Zukunft, wenn wir über die Schulden verbrauchen, was unsere Kinder und Enkel erst noch erwirtschaften müssen." Der schuldenfreie Haushalt sei mittlerweile ein Markenzeichen bayerischer Politik, sagt Stoiber, auch unter der Regierung von Horst Seehofer.

Tatsächlich konnte Finanzminister Söder bekanntgeben, dass der Freistaat im vergangenen Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich erwirtschaftet habe. Somit habe man insgesamt 3,3 Milliarden Euro auf der hohen Kante. "Das ist in Deutschland singulär", sagte Söder. "Bayern ist der Stabilitätskern Deutschlands." Gleichzeitig warnte er aber vor der Herausforderung durch die Flüchtlingskrise. Trotz der dafür nötigen Ausgaben wolle man aber weder zusätzliche Steuern erheben noch Leistungen kürzen. "Hilfe ist gut, aber wir wollen die einheimische Bevölkerung nicht vergessen", sagt Söder - und erhält spontanen Applaus.

Stoiber startete schmerzhaftes Sparprogramm, vieles wurde wieder zurückgenommen

Söder und Co. feiern, aber gibt es wirklich Grund dazu? Fakt ist: Im Bundesvergleich steht der Freistaat finanziell bestens da, kein Land kann auch nur annähernd mithalten. Teurer Nebeneffekt: Mehr als die Hälfte des Länderfinanzausgleichs schultert Bayern im Alleingang.

Andererseits erinnern sich an diesem Tag viele in Bayern auch daran: dass Stoiber, der als Ministerpräsident einst den Weg zum ausgeglichenen Haushalt ohne neue Schulden einschlug, dies in relativ drastischer Art und Weise tat: mit einem schmerzhaften Sparprogramm, unter dem am Ende auch die ganze CSU politisch leiden musste.

Ironie dabei: Viele Sparmaßnahmen wurden inzwischen wieder rückgängig gemacht: die Arbeitszeitverlängerung für die Beamten beispielsweise. Politisch verantwortlich dafür: Stoibers Nach-Nachfolger Seehofer. Der fehlt an diesem Donnerstag in der Residenz - er habe sich wegen langfristiger Termine entschuldigt, sagt Söder.

SPD-Chef Rinderspacher rechnet vor, dass der Freistaat wegen der BayernLB-Rettung immer noch 40.000 Euro Zinsen zahlen müsse - pro Stunde

Aber auch aus anderen, finanziellen Gründen hält nicht nur die Opposition den Feier-Anlass für fragwürdig. Zum einen wuchsen die Staatsausgaben in Bayern noch nie zuvor so stark an wie in den vergangenen Jahren - der Etat hat die 50-Milliarden-Euro-Marke längst überschritten, mit ungewissen finanziellen Folgen für die Zukunft.

Und zum anderen hat - so argumentieren etwa SPD und Grüne - noch keine andere Staatsregierung so viele neuen Schulden gemacht wie Seehofer in der vergangenen Legislaturperiode. Tatsächlich hatte der Freistaat 2008 die krisengeschüttelte BayernLB vor der Pleite retten müssen, mit einer Finanzspritze von zehn Milliarden Euro. Das wurde freilich nicht im normalen Haushalt verbucht, sondern in einem Sonderkapitel. Deshalb lässt die CSU diese zehn Milliarden bei ihrer prunkvollen Zehn-Jahre-schuldenfrei-Feier auch weitgehend außen vor - jedenfalls beim Zusammenzählen des Schuldenstands. Sie verweist stattdessen auf den zusätzlich eingeleiteten Schuldenabbau.

Die Opposition spricht von einem "Phantasiejubiläum". "Diese Selbstbeweihräucherung ist nicht angebracht", lästert SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher über die Söder-Stoiber-Feier. Er rechnet vor, dass der Freistaat wegen der BayernLB-Rettung immer noch 40 000 Euro Zinsen zahlen müsse - pro Stunde. Und er listet auf: Von den jährlichen Zinsen könnte man 250 Kilometer Staatsstraßen oder 700 Sporthallen sanieren - oder 6500 Lehrer oder mehrere Tausend Polizisten einstellen. Und dann halte mit Stoiber ausgerechnet derjenige die Festrede in der Residenz, der das Landesbank-Desaster einst mit verursacht habe. (Christoph Trost und Judith Issig, dpa)

Kommentare (2)

  1. Zitrone am 04.03.2016
    siehe Bericht Altersarmut. Waren die 67000 auch eingeladen um sich einmal satt zu essen?
    Die gesamte CSU Spitze mit Landtagsabgeordneten müsste wegen Scheinheiligkeit und Verunglimpfung des Christentums exkommuniziert werden.
  2. Zitrone am 03.03.2016
    Wer suggeriert, dass er ( zusammen mit Gott oder allein ) den Freistaat Bayern mit Bergen und Seen erschaffen hat, feiert sich auch für eine Fata Morgana! Welchen Aufwand verursacht eigentlich diese Feier und wer bezahlt sie? WIR! Wieviel Überstunden musste die Ministerialbürokratie dafür wieder leisten ? Wieviel politisch gewollte Steuerschlupfllöcher hätte sie in dieser Zeit schließen können ? Wann wird es eine Feier geben, in der der Finanzminister nachprüfbar vorträgt, wir haben alle Steuerschlupflöcher geschlossen, die kalte Progression beseitigt, kein/e Bayer/in benötigt mehr die Grundsicherung, alle Bayern haben bezahlbaren Wohnraum usw. Das wäre eine Feier wert. Hört auf mit der Selbstbeweihräucherung, den fauligen Geruch des Versagens in der sozialen Frage kann auch das grosse Weihrauchfass in Santiago de Compestala nicht überdecken.
    Gott mit Dir Du Land der Bayern!
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