Politik

Nicht immer helfen Schlichtungsstellen bei Behandlungsfehlern weiter. (Foto: dpa/Susann Prautsch)

03.11.2023

Die nächste Petition der „Ein-Mann-Bürgerwehr“

Mehr Rechte für Behandlungsopfer: Ein Niederbayer will mit einer Initiative die Bundesregierung unter Druck setzen – die Bundestagsmehrheit hat er hinter sich

Seit rund 20 Jahren setzt sich der Niederbayer Horst Glanzer für mehr Patient*innenrechte in Deutschland ein. Der Ex-Polizist, der sich selbst als Versicherungs- und Justizopfer bezeichnet, kann dabei auch einige Erfolge vorweisen, die Millionen Menschen zugutekommen. Nun hat der Bundestag eine weitere Petition Glanzers durchgewunken. Es geht um die Beweislastumkehr bei Behandlungsfehlern sowie um die Einführung eines Härtefallfonds mit gedeckelten Ansprüchen.

Bisher müssen Opfer von Behandlungsfehlern grundsätzlich selbst nachweisen, dass der entstandene Schaden durch einen Fehler des Arztes oder der Ärztin verursacht wurde. Dabei reicht es nicht einmal, auf die hohe Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs zu verweisen. Es bedarf der sogenannten richterlichen Überzeugung – also eines Beweises, der juristisch keinen Zweifel lässt.
Die Waffengleichheit fehlt

Allein schon wegen des Wissensvorsprungs des ärztlichen Fachpersonal gegenüber medizinischen Laien herrscht da keine Waffengleichheit. Hinzu kommt, dass der menschliche Körper so komplex ist, dass juristisch gesehen eine andere Ursache des Schadens fast nie vollkommen ausgeschlossen werden kann. Das bemängeln Patientenschutzverbände, und auch der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, der SPD-Bundestagsabgeordnete Stefan Schwartze. Er sagt: „Hier bedarf es dringend einer Nachjustierung und Stärkung der Patientenrechte bei Behandlungsfehlern.“

Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung ist von der Stärkung der Stellung der Patient*innen bei Behandlungsfehlern die Rede. Auch die Einrichtung eines Härtefallfonds mit gedeckelten Ansprüchen wird darin erwähnt. Damit soll Opfern von Behandlungsfehlern schnell und unbürokratisch, also ohne langwierige Verfahren, geholfen werden. Dass sich die Texte des Koalitionsvertrags und der Petition ähneln, ist laut Glanzer kein Zufall: Während der Erarbeitung des Vertrags hat er mehrere Abgeordnete der zuständigen Arbeitsgruppe „beackert“, wie er es nennt. Schließlich hat er schon in früheren Legislaturperioden versucht, mit der Petition ein Gesetz anzustoßen – allerdings vergeblich.

In einen Gesetzentwurf der jetzigen Bundesregierung haben es die beiden Vorhaben aber bislang noch nicht geschafft – Glanzer hat nun nachgeholfen. Gegen die Stimmen von CDU/CSU und AfD stimmte der Bundestag am 28. September dafür, dass die Petition begründet ist. Nun müssen sich das Bundesgesundheitsministerium und das Bundesjustizministerium damit beschäftigen.

Bindend ist der Bundestagsbeschluss zwar nicht für die Bundesregierung. Eine Ablehnung müsste sie aber gegenüber dem Petitionsausschuss erklären. „Dieses Mal schaffe ich’s“, sagt Glanzer bestimmt. Er wird bei beiden Ministerien regelmäßig nachhaken, den Eingang seiner Petition hat man ihm immerhin schon bescheinigt. Auf Anfrage der Bayerischen Staatszeitung erklärt allerdings ein Sprecher des Justizministeriums, dass er in Bezug auf die Arzthaftung derzeit kein Gesetzgebungsverfahren ankündigen könne. Man werde sich aber mit der Petition auseinandersetzen. Es ist davon auszugehen, dass sich Horst Glanzer demnächst ein paar Mal telefonisch melden wird. Denn er ist hartnäckig.

Schon mehrere Gesetze hat er mit dieser Hartnäckigkeit angeschoben. Etwa 2011 das Gesetz zur Einführung eines Rechtsmittels gegen Zurückweisungsbeschlüsse. Vorher konnten vor Gericht Berufungen durch unanfechtbare Beschlüsse abgeschmettert werden. Oder die Reform des Versicherungsvertragsgesetzes 2013: Seitdem müssen die Versicherer bei dringlichen Heilbehandlungen spätestens nach zwei Wochen Auskunft zur Kostenübernahme erteilen.

Laut dem damaligen Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat Glanzers Einsatz auch zum Gelingen des ebenfalls 2013 eingeführten Patientenrechtsgesetzes beigetragen. Eine Änderung des Sachverständigenrechts 2016 regelte die Bestellung von Gutachtern vor Gericht neu. Deren Neutralität wird seitdem stärker überprüft.

Hätte es all die Gesetze schon vor 20 Jahren gegeben, würde es ihm heute ganz anders gehen, davon ist Horst Glanzer überzeugt. Denn 2003 erkrankte er an einer Kieferhöhlenentzündung. Seine Versicherung habe ihm daraufhin eine Behandlung in einer Spezialklinik in der Schweiz empfohlen, sagt Glanzer. Doch die Zahlungszusage der Versicherer für eine OP kam doch nicht. Glanzer wurde monatelang nicht behandelt, der Eiter breitete sich im Körper aus. Als die Zahlungszusage doch kam, war sein Körper schon dauerhaft geschädigt.
„Ich bin finanziell ruiniert“
Viele Organe sind heute noch beschädigt, er hat überall chronische Schmerzen, Unverträglichkeiten, Knochenschwund, Fieberattacken. Immer wieder muss er sich in Krankenhäusern behandeln lassen. Und er hat hohe Schulden durch Anwalts-, Gerichts- und Gutachterkosten und ist auf Spenden angewiesen. Denn die Schadenersatzprozesse gegen seine Versicherungen verlor er. „Ich bin finanziell ruiniert“, sagt Glanzer, der wegen seines Gesundheitszustands schon lange nicht mehr arbeiten kann.

Trotzdem macht er, die selbst ernannte „Ein-Mann-Bürgerwehr“, mit seiner ehrenamtlichen Arbeit weiter. „Der Bürger hat ja sonst keine Lobby“, sagt Glanzer.

Immerhin: Glanzer ist bei Weitem nicht der Einzige, der Initiativen anstößt. Im vergangenen Jahr erreichten den Petitionsausschuss des Bundestags insgesamt 13242 Petitionen, 1575 mehr als 2021. Ganz klar wieder an der Spitze: das Thema Gesundheit – was vor allem der Corona-Pandemie geschuldet ist.
(Thorsten Stark)

(Für Horst Glanzer wurde ein Spendenkonto eingerichtet, und zwar bei der VR-Bank Passau (IBAN: DE66 7409 0000 0003 3335 23, BIC: GENODEF 1 PA 1).

Kommentare (2)

  1. Horst Glanzer am 25.01.2025
    Sehr geehrte Kritikerin, oder auch sehr geehrter Kritiker, Sie sollten bitte bei ihrer " nicht berechtigten Kritik die unbedingt zu berücksichtigende Netiquette bitte in Zukunft einhalten, " weil ihre " absolut ganz und gar nicht berechtigte, und auch ihre noch dazu wahrheitsverfälschende Kritik schon sehr auffallend angriffslustig und besonders Menschenrechtsverletzend gestaltet worden war, und ihre unhaltbaren Anschuldigen, und auch ihre irrsinnigen Behauptungen hatten bereits auch schon strafrechtlichen Charakter erlangt " !!!

    Falls Sie nicht so feig wären, wie Sie sich absolut daneben benommen hatten gegenüber meiner Person, dann schreiben Sie bitte nicht anonym, weil dass ist nämlich feig, und auch sehr unfair. Sie sollten sich besser informieren, bevor Sie irgendwelchen Blödsinn, und auch Unwahrheiten verbreiten, dass würde ich Ihnen anraten, bevor wir Ermittlungen anstellen werden !!!
  2. joyjoejoe am 25.11.2024
    Mich stört an den Berichten zu Horst Glanzer (die größtenteils aus Interviews mit diesem selbst bestehen) - trotz teilweise berechtigter Forderungen nach Gesetzesänderungen/-verbesserungen - dass dieser sich immer wieder als "Justizopfer" darstellt.
    Dass er - wohl durch seine frühere Tätigkeit als Polizist - an die Privatnummern von Journalisten, Abgeordneten und Funktionsträgern kommt und diese entsprechend mit Anrufen/SMS/Forderungen drangsaliert, mag man so oder so sehen.
    Dass er immer wieder behauptet, "aufgrund von starken Allergien ausschließlich in einer Spezialklinik in der Schweiz behandelt werden zu können" irritiert jedenfalls enorm.
    Dass er sich während der mehr als 10 Wochen ungeklärten Kostenübernahme (seine Atteste reichten dafür wohl - gerichtlich festgestellt - nicht aus) nicht behandeln ließ und sich eine banale Entzündung der Nebenhölen, zu einer tatsächlich lebensbedrohlichen Situation entwickelt, sehe ich nicht als Schuld der Krankenkasse.
    Die Behauptung, dass einzig eine Schweizer Privatklinik mit seinen Allergien umgehen kann, halte ich schlicht für falsch.
Die Frage der Woche
X
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.