Seit rund 20 Jahren setzt sich der Niederbayer Horst Glanzer für mehr Patient*innenrechte in Deutschland ein. Der Ex-Polizist, der sich selbst als Versicherungs- und Justizopfer bezeichnet, kann dabei auch einige Erfolge vorweisen, die Millionen Menschen zugutekommen. Nun hat der Bundestag eine weitere Petition Glanzers durchgewunken. Es geht um die Beweislastumkehr bei Behandlungsfehlern sowie um die Einführung eines Härtefallfonds mit gedeckelten Ansprüchen.
Bisher müssen Opfer von Behandlungsfehlern grundsätzlich selbst nachweisen, dass der entstandene Schaden durch einen Fehler des Arztes oder der Ärztin verursacht wurde. Dabei reicht es nicht einmal, auf die hohe Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs zu verweisen. Es bedarf der sogenannten richterlichen Überzeugung – also eines Beweises, der juristisch keinen Zweifel lässt.
Die Waffengleichheit fehlt
Allein schon wegen des Wissensvorsprungs des ärztlichen Fachpersonal gegenüber medizinischen Laien herrscht da keine Waffengleichheit. Hinzu kommt, dass der menschliche Körper so komplex ist, dass juristisch gesehen eine andere Ursache des Schadens fast nie vollkommen ausgeschlossen werden kann. Das bemängeln Patientenschutzverbände, und auch der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, der SPD-Bundestagsabgeordnete Stefan Schwartze. Er sagt: „Hier bedarf es dringend einer Nachjustierung und Stärkung der Patientenrechte bei Behandlungsfehlern.“
Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung ist von der Stärkung der Stellung der Patient*innen bei Behandlungsfehlern die Rede. Auch die Einrichtung eines Härtefallfonds mit gedeckelten Ansprüchen wird darin erwähnt. Damit soll Opfern von Behandlungsfehlern schnell und unbürokratisch, also ohne langwierige Verfahren, geholfen werden. Dass sich die Texte des Koalitionsvertrags und der Petition ähneln, ist laut Glanzer kein Zufall: Während der Erarbeitung des Vertrags hat er mehrere Abgeordnete der zuständigen Arbeitsgruppe „beackert“, wie er es nennt. Schließlich hat er schon in früheren Legislaturperioden versucht, mit der Petition ein Gesetz anzustoßen – allerdings vergeblich.
In einen Gesetzentwurf der jetzigen Bundesregierung haben es die beiden Vorhaben aber bislang noch nicht geschafft – Glanzer hat nun nachgeholfen. Gegen die Stimmen von CDU/CSU und AfD stimmte der Bundestag am 28. September dafür, dass die Petition begründet ist. Nun müssen sich das Bundesgesundheitsministerium und das Bundesjustizministerium damit beschäftigen.
Bindend ist der Bundestagsbeschluss zwar nicht für die Bundesregierung. Eine Ablehnung müsste sie aber gegenüber dem Petitionsausschuss erklären. „Dieses Mal schaffe ich’s“, sagt Glanzer bestimmt. Er wird bei beiden Ministerien regelmäßig nachhaken, den Eingang seiner Petition hat man ihm immerhin schon bescheinigt. Auf Anfrage der Bayerischen Staatszeitung erklärt allerdings ein Sprecher des Justizministeriums, dass er in Bezug auf die Arzthaftung derzeit kein Gesetzgebungsverfahren ankündigen könne. Man werde sich aber mit der Petition auseinandersetzen. Es ist davon auszugehen, dass sich Horst Glanzer demnächst ein paar Mal telefonisch melden wird. Denn er ist hartnäckig.
Schon mehrere Gesetze hat er mit dieser Hartnäckigkeit angeschoben. Etwa 2011 das Gesetz zur Einführung eines Rechtsmittels gegen Zurückweisungsbeschlüsse. Vorher konnten vor Gericht Berufungen durch unanfechtbare Beschlüsse abgeschmettert werden. Oder die Reform des Versicherungsvertragsgesetzes 2013: Seitdem müssen die Versicherer bei dringlichen Heilbehandlungen spätestens nach zwei Wochen Auskunft zur Kostenübernahme erteilen.
Laut dem damaligen Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat Glanzers Einsatz auch zum Gelingen des ebenfalls 2013 eingeführten Patientenrechtsgesetzes beigetragen. Eine Änderung des Sachverständigenrechts 2016 regelte die Bestellung von Gutachtern vor Gericht neu. Deren Neutralität wird seitdem stärker überprüft.
Hätte es all die Gesetze schon vor 20 Jahren gegeben, würde es ihm heute ganz anders gehen, davon ist Horst Glanzer überzeugt. Denn 2003 erkrankte er an einer Kieferhöhlenentzündung. Seine Versicherung habe ihm daraufhin eine Behandlung in einer Spezialklinik in der Schweiz empfohlen, sagt Glanzer. Doch die Zahlungszusage der Versicherer für eine OP kam doch nicht. Glanzer wurde monatelang nicht behandelt, der Eiter breitete sich im Körper aus. Als die Zahlungszusage doch kam, war sein Körper schon dauerhaft geschädigt.
„Ich bin finanziell ruiniert“
Viele Organe sind heute noch beschädigt, er hat überall chronische Schmerzen, Unverträglichkeiten, Knochenschwund, Fieberattacken. Immer wieder muss er sich in Krankenhäusern behandeln lassen. Und er hat hohe Schulden durch Anwalts-, Gerichts- und Gutachterkosten und ist auf Spenden angewiesen. Denn die Schadenersatzprozesse gegen seine Versicherungen verlor er. „Ich bin finanziell ruiniert“, sagt Glanzer, der wegen seines Gesundheitszustands schon lange nicht mehr arbeiten kann.
Trotzdem macht er, die selbst ernannte „Ein-Mann-Bürgerwehr“, mit seiner ehrenamtlichen Arbeit weiter. „Der Bürger hat ja sonst keine Lobby“, sagt Glanzer.
Immerhin: Glanzer ist bei Weitem nicht der Einzige, der Initiativen anstößt. Im vergangenen Jahr erreichten den Petitionsausschuss des Bundestags insgesamt 13242 Petitionen, 1575 mehr als 2021. Ganz klar wieder an der Spitze: das Thema Gesundheit – was vor allem der Corona-Pandemie geschuldet ist.
(Thorsten Stark)
(Für Horst Glanzer wurde ein Spendenkonto eingerichtet, und zwar bei der VR-Bank Passau (IBAN: DE66 7409 0000 0003 3335 23, BIC: GENODEF 1 PA 1).
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