Politik

Markus Söder wird beim Politischen Frühschoppen Gillamoos mit einer Blaskapelle empfangen. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

02.09.2019

Die neue Farbenlehre am Gillamoos

In diesem Jahr bestimmten die Ost-Wahlen und der Klimaschutz den politischen Schlagabtausch. Besonders scharfe Attacken gab es gegen die AfD, die in Sachsen und Brandenburg kräftig zugelegt hat

Einen Tag nach der AfD-Wahlerfolgen in Sachsen und Brandenburg hat die Auseinandersetzung mit den Rechtspopulisten auch stark den traditionellen politischen Schlagabtausch beim Gillamoos-Jahrmarkt im niederbayerischen Abensberg geprägt. Neun Parteien traten am Montag bei dem Polit-Spektakel an, darunter erstmals die Linke. Die schickte Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow nach Niederbayern. Und der teilte ebenso kräftig gegen die AfD aus wie die Redner bei CSU, SPD, Grünen und Freien Wählern. Die Rechtspopulisten waren bei den beiden Landtagswahlen jeweils mit zweistelligen Zuwächsen auf dem zweiten Platz gelandet. Auch FDP, ÖDP und Bayernpartei beteiligten sich an dem politischen Frühschoppen.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) betonte den Abgrenzungs-Kurs seiner Partei und sagte: "Franz Josef Strauß hätte die AfD aufs Messer bekämpft und genau das machen wir auch." Eine Zusammenarbeit mit der AfD hat Söder auf allen politischen Ebenen ausgeschlossen und fordert dies auch von der CDU. Letztlich sieht er CSU und CDU aber nicht nur im Wettbewerb mit der AfD, sondern auch mit den Grünen.

"Die AfD ist nicht der Stammtisch einsamer Konservativer, ist auch keine Selbsthilfegruppe nach dem Motto, da darf man mal offen sagen, was man denkt", betonte Söder, der der AfD schon länger vorwirft, sich sukzessive in Richtung einer NPD zu entwickeln. Thematisch versucht Söder schon länger, den Rechtspopulisten das Wasser abzugraben. Dabei setzt die CSU etwa in der Asylpolitik auf die Förderung derer, die im Land bleiben dürfen, und die konsequente Abschiebung von Straftätern und jenen, die sich gegen die Integration sperren.

Kühnert: Ordentliche Neonazis werden gewählt

Eine noch klarere Abgrenzung von der AfD und von rechten Ideologien forderte Juso-Bundeschef Kevin Kühnert. Es dürfe nicht hingenommen werden, dass "ordentliche Neonazis in diesem Land wieder für Parlamente kandidieren und gewählt werden", sagte er. Sie machten keinen Hehl daraus, dass sie Sommercamps von Neonazi-Gruppen besuchten, und hätten kein Problem mit alten Fotos, auf denen sie mit Hitlergruß posieren. "Wenn das mit Schulterzucken zur Kenntnis genommen wird, weil Nazi in Deutschland immer erst bei Hitlerbart und Gaskammern anfängt, und wir gleichzeitig eine Parteivorsitzende ein halbes Jahr durchs Land jagen, weil sie mal "Bätschi" in eine Kamera gesagt hat, dann ist was aus dem Lot geraten", kritisierte Kühnert.

Er prangerte ein "politisches Gaffertum" in Bezug auf die ostdeutschen Bundesländer an. "Wir betrachten die Entwicklung im Osten wie einen Autounfall, wo alle vorbeifahren und traurig sind, was da passiert ist." Man dürfe nicht nur über die Menschen in Sachsen und Brandenburg reden, wo die rechtspopulistische AfD jeweils zweitstärkste Kraft wurde. Man müsse mit ihnen sprechen.

Ramelow zeigt sich trotz der deutlichen Verluste seiner Partei in Sachsen und Brandenburg optimistisch für die anstehende Wahl in Thüringen (27. Oktober). Die Linke war am Wochenende in beiden Ländern nur noch bei knapp über 10 Prozent der Stimmen gelandet, ein Verlust von fast der Hälfte der Anteile im Vergleich zu 2014. Aber, so Ramelow: "Meine Partei ist in Thüringen auf Platz eins." Der Linken-Politiker kritisierte das Verhalten von AfD-Politikern als populistisch und spalterisch. "Auschwitz ist nicht aus dem Nichts gekommen", sagte er zum starken Abschneiden der Partei bei den beiden Ostwahlen und ihrem Auftreten danach.

Schulze: "Markus Söder ergrünt, ohne rot zu werden"

Bayerns AfD-Landtagsfraktionschefin Katrin Ebner-Steiner sieht ihre Partei nach den Erfolgen in Sachsen (27,5 Prozent) und Brandenburg (23,5) unaufhaltsam auf dem Vormarsch. "Uns gehört die Zukunft", sagte sie und griff Söder und Grünen-Landtagsfraktionschefin Katharina Schulze an. Der Ministerpräsident sei von der "Grünen-Ober-Schülersprecherin" benebelt. Das C in CSU stehe heute für "CO2-religiös". AfD-Landeschef Martin Sichert bezeichnete die AfD als "die Partei der sozialen Gerechtigkeit".

Schulze hält indessen den Klimakurs von Söder nicht für glaubwürdig. "Markus Söder ergrünt, ohne rot zu werden", sagte sie. Er gebe neuerdings gerne den Öko. Bayerns Ministerpräsident komme einem aber vor wie ein Heiratsschwindler. "Man kann sich nicht vorstellen, dass er wirklich die Liebe zur Umwelt entdeckt hat." Angesichts der jüngsten AfD-Wahlerfolge forderte sie "klare Kante gegen Rechts".

Nach dem Einzug der Freien Wähler (FW) in den Brandenburger Landtag wünscht sich der Bundesvorsitzende Hubert Aiwanger eine Regierungsbeteiligung seiner Partei. "Ich hoffe, es gelingt auch den Freunden in Brandenburg, dass sie als Zünglein an der Waage akzeptiert werden", sagte Aiwanger, dessen Partei in Bayern Juniorpartner in einer Koalition mit der CSU ist.

Bayerns FDP-Landeschef Daniel Föst forderte nach dem schlechten Abschneiden der FDP bei den Wahlen am Sonntag noch mehr Einsatzbereitschaft von seiner Partei. Die Liberalen kamen in Sachsen und Brandenburg nicht in die Landtage.

Der Gillamoos ist einer der ältesten Jahrmärkte in Niederbayern, immer Anfang September. Am letzten Tag des fünftägigen Festes treten traditionell Spitzenpolitiker parallel in Bierzelten auf, die nur einen Steinwurf voneinander entfernt sind. Nach dem politischen Aschermittwoch ist dies das größte Politikspektakel in Niederbayern. Mehr als 250 000 Besucher strömen jedes Jahr auf das Volksfest.
(dpa)

Kommentare (1)

  1. LinksRechts am 02.09.2019
    Diesmal reicht es mit Hängen und Würgen noch für die schwarz rot grüne „Kenia-Koalition“. Doch die AfD braucht nur noch zwei oder drei Prozentpunkte mehr und auch diese Koalitionen sind rechnerisch nicht mehr möglich. Dann also auch noch die Linkspartei dazu? Spätestens das würde die CDU zerreißen. Und wenn die Etablierten Parteien Schaum vor dem Mund vor Wut bekommen: Die Ossis werden sich, anders als wir, nicht einreden lassen, dass Migration in die Sozialsysteme, ständig neu eröffnete Moscheen und immer mehr verschleierte Frauen im Straßenbild eine Bereicherung für ihr Leben sind. Von Kriminalität gar nicht zu reden. Sie wollen es nicht. Basta, um Altkanzler Gerd Schröder zu zitieren.
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