Politik

Sattelte auf Antisemitismus um: Ex-Model Michele Renouf.

28.05.2010

Die Society-Antisemitin hält Hof

Beim Prozess gegen Bischof Williamson tummelten sich Neonazis und Holocaustleugner

„Der sieht ja aus wie ein Jude!“ giftet jemand aus dem Publikum. Der: Das ist der Rechtsanwalt Matthias Loßmann, der den Holocaustleugner Richard Williamson vor dem Regensburger Amtsgericht vertritt. Doch es ist nicht Loßmanns Aussehen, das ihn in den Augen der Zuhörer verdächtig macht, sondern das, was er sagt: Der Coburger Anwalt legt gleich zu Beginn der Verhandlung Wert auf die Feststellung, er vertrete einen Mandanten, dessen Ansichten er in keiner Weise teile. Der Stuhl des Angeklagten indes blieb leer. Die ultraorthodoxe Piusbruderschaft hatte ihrem Bischof Richard Williamson untersagt, am 16. April zur Verhandlung vor dem Regensburger Amtsgericht zu erscheinen. Nach sechsstündiger Verhandlung wurde der 70-Jährige in Abwesenheit wegen Volksverhetzung zu 10 000 Euro Geldstrafe verurteilt. Staatsanwalt und Verteidigung haben dagegen Rechtsmittel eingelegt. Williamson hatte am 1. November 2008 in einem Priesterseminar südlich von Regensburg in einem Interview mit einem schwedischen Fernsehreporter ein antisemitisches Statement abgeliefert, das den Paragrafen 130, Absatz 3 des Strafgesetzbuchs geradezu bilderbuchmäßig erfüllt. Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird demnach bestraft, wer den von den Nazis begangenen Völkermord öffentlich billigt, leugnet oder verharmlost. Es war nicht das erste Mal, dass Williamson vor ein deutsches Gericht zitiert werden sollte. Allerdings war es am 22. Januar 2009 nicht die Justiz, sondern der Angeklagte Horst Mahler, der selbst vor dem Landgericht Landshut der Volksverhetzung angeklagt war und nun Williamson als Entlastungszeugen vorgeladen haben wollte. Drei Tage zuvor war der Spiegel mit der Vorabmeldung von Williamsons antisemitischen Tiraden im schwedischen Fernsehen erschienen (das erst am 21. Januar 2009 ausgestrahlt wurde). Horst Mahler, der glühende Antisemit und notorische Holocaust-Leugner, zeigte sich vor dem Landgericht Landshut sichtlich begeistert von seinem neuen Kronzeugen (dessen Anhörung dann freilich vom Gericht abgelehnt wurde): Ein bekennender deutscher Nationalsozialist, der märtyrerhaft vor einem deutschen Gericht steht, wird in seinen antisemitischen Wahnideen von einem leibhaftigen katholischen Bischof in vollem Umfang bestätigt – so hatte sich Mahler das vorgestellt. Und dieser katholische Bischof war zwar aufgrund seiner von Rom nicht genehmigten (aber dennoch gültigen) Weihe seinerzeit exkommuniziert worden, nun aber durch einen Erlass von Papst Benedikt gnädig wieder in den Schoß der heiligen Mutter Kirche aufgenommen worden. Ratzingers „Akt der Barmherzigkeit“ erwies sich vor dem Landshuter Landgericht als Wasser auf die Mühlen deutscher Neonazis. Das Publikum in Landshut wie in Regensburg: einschlägig vorbestrafte Neonazis, deren Lebensinhalt darin besteht, die ermordeten Juden auch posthum noch zu schmähen – was sie unter sich ja auch dürfen. Strafbar wird diese gruselige Leidenschaft laut Strafgesetzbuch erst, wenn sie öffentlich begangen wird, „in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“. Diesen Umstand indes könnte man bei Michele Renouf durchaus als erfüllt ansehen. Das eigens aus England eingeflogene einstige Model und Mitglied der High Society, das vor ein paar Jahren auf Antisemitismus umgesattelt hat, bemüht sich zumindest nach Kräften, das Andenken der ermordeten Juden möglichst öffentlichkeitswirksam zu verunglimpfen. Am vergangenen Freitag stand sie in den Verhandlungspausen im Gang des Regensburger Amtsgerichts und gab ein TV-Interview nach dem anderen. Oberstaatsanwalt Edgar Zach, der die Anklage gegen Williamson vertrat, hat davon aber „nichts wahrgenommen“, wie er der BSZ sagte. Als Richard Williamson am 25. Februar 2009, aus Argentinien ausgewiesen, in London landete, war er von David Irving und dessen „Chief Cheerleader“ Michele Renouf empfangen worden. Renouf, die 2006 bei der Teheraner „Holocaust-Konferenz“ antisemitische Tiraden ins Mikrofon spuckte, leugnet nicht nur den Völkermord an den Juden, sondern auch die Existenz Jesu – was Williamson nicht groß zu stören scheint: Der gemeinsame Hass auf die Juden ist einfach stärker. In einem mit schmissiger Musik unterlegten Propagandafilmchen auf Youtube wird sie als „Face of Freedom“ verherrlicht, verbunden mit der Aufforderung: „Den Holocaust in Frage stellen – den Holocaust leugnen!“ Über all dem Williamson-Trubel wird gern vergessen, worum es eigentlich geht. Das hat die römische Historikerin Anna Foa vor einem Jahr im Osservatore Romano auf den Punkt gebracht. Die Leugnung des Holocaust, so Foa, sei nur ein neues Gesicht beziehungsweise eine schlechte Tarnung des alten Hasses auf die Juden. Sie schließe sich „im Geiste an den Plan der Nationalsozialisten an, als sie die Spuren der Vernichtungslager verwischten, die Gaskammern dem Erdboden gleichmachten und die Deportierten verhöhnten, indem sie sagten: Auch wenn es euch gelingen sollte zu überleben – niemand auf der Welt wird euch glauben!“ Zum Völkermord gehört, dass die Täter und deren Anhänger hinterher behaupten, es habe ihn nicht gegeben. Die Leugnung des Holocaust ist nichts anderes als seine Vollendung. (Florian Sendtner)

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