Politik

Airlines in Not: Überall fehlt Personal, das Reisen ist mühsam geworden. (Foto: dpa/Patrick Pleul)

17.06.2022

Die Tücken des Sparwahns

Um das Reise-Chaos zu beenden, braucht es bessere Arbeitsbedingungen

Am Urlaubsziel ankommen, ohne Koffer. Ein Kreuzfahrtschiff, das einem vor der Nase wegfährt, weil der Flug gestrichen wurde: Das sind Szenarien, die Urlaubende fürchten. In den Pfingstferien wurden jetzt etliche Fluggäste damit konfrontiert. An manchen Flughäfen herrschten chaotische Zustände. Am schlimmsten war es in Frankfurt. „München ist mit einem blauen Auge davongekommen“, so ein Pilot der Lufthansa. Anderswo fielen Flüge aus, blieb Gepäck stehen, wurden aufgebrachte Fluggäste handgreiflich.

Der Grund: Nach der schwersten Krise der Luftfahrt überhaupt sind Fernreisen endlich wieder möglich. Es fehlt den Flughäfen aber an Personal, rund ein Fünftel allein in den Bereichen Check-in, Catering, Bodenverkehrsdienste und Luftsicherheit. Die Lufthansa hat deshalb angekündigt, im Juli rund 900 Flüge in Frankfurt und München zu streichen.

Die Flughafen München GmbH (FMG) gibt sich dagegen optimistisch: Gegenwärtig verfüge man konzernweit über genügend Beschäftigte, um das aktuelle Verkehrsaufkommen bewältigen zu können, so ein Sprecher. Um den Verkehrszuwächsen der kommenden Monate zu begegnen, habe man in einzelnen Bereichen wie der Flugzeugabfertigung oder der Flughafengastronomie bereits damit begonnen, zusätzliches Personal zu rekrutieren.

Aus Sicht der Gewerkschaft Verdi sieht die Sache dramatischer aus, und zwar auch in der bayerischen Landeshauptstadt – jedenfalls, was die Flugzeugabfertigung betrifft. Laut Ralf Krüger, Vertrauensmann am Flughafen München, fehlen bei der Aeroground rund 300 Leute. Bei der Konkurrenz sehe es nicht besser aus. Gerade mal zehn neue Flugzeugabfertiger habe man bei der Aeroground in den letzten Wochen eingestellt. „Statt das Problem zu lösen, verharren die Flughäfen in Schockstarre.“

Weniger Geld für die harten Jobs: Warum?

Was Krüger vor allem empört: dass die Flugzeugabfertiger 25 bis 30 Prozent weniger Lohn bekommen als Beschäftigte in anderen Jobs rund ums Fliegen. Das Kontrollpersonal zum Beispiel, das die Abfertiger am Flughafen durchcheckt, wenn sie zur Arbeit gehen: Laut Krüger bekommen sie rund 16 Euro pro Stunde. Der Abfertiger selbst dagegen, der die Kontrolle über sich ergehen lässt, erhält 12,69 Euro – für einen knochenharten Job, der an die Gesundheit geht.

Die Sicherheitskräfte wiederum, die am Flughafen die Passagiere checken, werden nach dem Tarif des öffentlichen Dienstes bezahlt, ein Münchner Sonderweg, der mit ein Grund dafür sein könnte, warum das Chaos bisher weitgehend ausblieb.

Krüger fragt sich längst nicht mehr, warum die „Loader“ abwandern. Er fragt sich vielmehr, warum überhaupt noch jemand bleibt, wo sich auch für Ungelernte überall am Flughafen mehr verdienen ließe. Vielleicht ist es das: „Am Flieger zu stehen: Das ist der Geschmack der großen Welt.“ Vielleicht könne, wer an seinem Job als Loader festhält, aber auch einfach nicht rechnen, mutmaßt der Gewerkschafter.

Bald werden auch die Pilot*innen knapp

Schon vor der Krise wurden in der Abfertigung händeringend Arbeitskräfte gesucht. Leiharbeitsfirmen rekrutierten ihr Personal in Kroatien oder Ungarn. Als Corona die Flughäfen lahmlegte, blieben viele zu Hause und orientierten sich um. Manche, die aus Ungarn stammen, arbeiten jetzt am Wiener Flughafen, weiß Krüger. Da fällt das Pendeln leichter.

Die einzige Lösung für das Problem aus Sicht der Gewerkschaft: ein höheres Einstiegsgehalt. Auch viele Flugbegleiter*innen haben sich während der Pandemie umorientiert. Etwa zur Bahn, erklärt Daniel Kassa Mbuambi, Vorstandsvorsitzender der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation (UFO). „Die Pandemie ist nach wie vor da, und die Menschen möchten nicht erneut krisenbedingt vom Jobverlust bedroht sein.“ Aus Sicht der UFO hat der Job als Flugbegleiter oder Flugbegleiterin allerdings derzeit „ein Attraktivitätsproblem“. Auch hier könnten faire Gehälter und verbesserte Arbeitsbedingungen helfen. Und die Pilot*innen? „Es ist eng, aber es herrscht kein totaler Mangel“, so ein Lufthansa-Pilot. Allerdings verabschieden sich die geburtenstarken Jahrgänge sehr bald in die Rente. Fraglich, ob die Posten nachbesetzt werden können. Die Konditionen haben sich verschlechtert, die Ausbildung ist teurer geworden. Am Traumberuf ist längst der Lack ab.

Den Fluggästen bleibt, online einzuchecken, das Gepäck vielleicht schon am Vorabend aufzugeben und zweieinhalb Stunden vor Abflug im Terminal zu stehen. Sollte eine Kreuzfahrt anstehen: lieber einen Tag früher losfliegen und eine Nacht im Hotel einplanen, damit man Puffer hat, falls man auf einen späteren Flug umgebucht wird. Sollte trotzdem was schiefgehen, fällt zwar die ersehnte Urlaubsentspannung flach. Aber es kann bei der Fluggesellschaft eine Ausgleichszahlung beantragt werden. Zumindest das. (Monika Goetsch)

 

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