Als einer der ersten Rechnungshöfe im deutschsprachigen Raum nutzt der Bayerische Oberste Rechnungshof künstliche Intelligenz. Das soll den Beschäftigten mit Blick auf die zunehmende Datenflut die Kontrolle bei der Haushaltsprüfung erleichtern.
Der Bayerische Oberste Rechnungshof (ORH) prüft die Staatsfinanzen in Bayern – also, ob mit Steuergeldern ordnungsgemäß, wirtschaftlich und sparsam umgegangen wird. Dabei erhalten die Rechnungsprüfer von Ministerien und deren nachgeordneten Behörden, von Hochschulen sowie Staatsbeteiligungen teilweise mehrere Gigabyte an Daten – das entspricht vielen Tausend Word-Dokumenten. „Das ist für jeden Prüfer erst mal eine Herausforderung“, sagt Gerhard Schwarz, Referatsleiter Digitalisierung beim ORH.
Was spricht also heutzutage dagegen, künstliche Intelligenz zu nutzen? Leider erst mal einiges. Zwar gibt es vom bayerischen Finanzministerium im staatlichen Rechenzentrum als Pilotprojekt die sogenannte BayernKI für Behörden, die neben einem Chatbot auch die Zusammenfassung und Übersetzung von Texten anbietet. Sie läuft offiziell auf Open-Source-Software. „Aber da steckt die Microsoft-Cloud drin“, warnt Schwarz. Deshalb dürfe der ORH dort keine personenbezogenen oder sensiblen Daten hochladen. Genau die werden aber geprüft – etwa Steuerdaten, Sozialdaten oder Betriebsgeheimnisse. „Bei der Prüfung von staatlichen Beteiligungen erhalten wir zum Beispiel vertrauliche Vorstandsprotokolle und die Geschäftsführergehälter.“
ORH-Präsidentin Heidrun Piwernetz plante daher, eine eigene KI-Lösung aufzubauen. „Wir wollen unsere Prüfungstätigkeit und Verwaltung noch effizienter machen, die ohnehin hohe Qualität weiter steigern und die Beschäftigten spürbar entlasten“, erklärt sie der Staatszeitung. Konkret könne die Technik ab Anfang August Prüfungsergebnisse zusammenfassen. In ein paar Monaten soll sie bei Prüfungen auch die Gesetzeslage mit dem jeweiligen Prüfungsjahr abgleichen oder Daten auf Anomalien untersuchen. Eine Prognose, wie viel Zeit sich dadurch einsparen lässt, will der ORH nicht abgeben. Fachleute schätzen allgemein Einsparpotenziale von 20 bis 30 Prozent.
"Die Daten können nicht zu Microsoft abfließen"
Um ins KI-Zeitalter zu starten, hat der ORH zu Beginn des Jahres zwei KI-Experten eingestellt, ein dritter soll bald folgen. Zudem wurde ein eigener KI-Server angeschafft, der Open-Source-Software nutzt. Kompatibilitätsprobleme gebe es dabei nicht. Über einen Windows-Browser können die Beschäftigten auch ohne einschlägige technische Vorkenntnisse auf die KI zugreifen. „Daten können dabei nicht zu Microsoft abfließen“, versichert Schwarz. Es gebe Verbindungen zu Datenbanken, aber keine Verbindung zum Internet – und die Server liefen autark. Das hätten sowohl der Datenschutzbeauftragte des ORH als auch eine Risikoanalyse nach BSI-Grundschutz durch den IT-Sicherheitsbeauftragten des ORH bestätigt.
Von der KI-Unterstützung können auch die geprüften Stellen profitieren. Denn bei einer Prüfung sind deren Angestellte oft sehr lange damit beschäftigt, Daten aufzubereiten. Dank der neuen Technik können diese – vereinfacht gesagt – öfter einfach im Rohzustand übermittelt werden.
„Unser KI-Team leistet hier ausgezeichnete Pionierarbeit“, betont Piwernetz. Das belegten auch die Kontaktanfragen von Rechnungshöfen aus Österreich und der Schweiz. Der Grund für den Vorsprung ist die Fachkräftegewinnung: Der ORH hat sich laut eigener Aussage schneller als andere um eigenen Nachwuchs gekümmert und bei Netzwerktreffen offensiv für das Projekt geworben – mit Erfolg.
Die Umstellung wird vom Juristen und Informatiker Matthias Grabmair von der Technischen Universität München begleitet. Er prüft, wie zuverlässig die Ergebnisse sind und wie sie zukünftig weiter verbessert werden können. Denn für Fehler haften weiterhin die Prüferinnen und Prüfer. Der Personalrat hat dem neuen Arbeitsmittel zwar zugestimmt – doch Zahlen, Paragrafen und Rechtsgrundlagen sollten die Beschäftigten weiterhin persönlich prüfen. Das frisst natürlich zumindest einen Teil der erhofften Arbeitsersparnis wieder auf.
Ganz allein ist der ORH bei der KI-Nutzung im Freistaat nicht. Das bayerische Digitalministerium verweist auf Anfrage etwa auf das JuKI-Projekt am Landratsamt Augsburg. Dort hilft die KI, die Anträge zur Kostenbeitragsberechnung vorzusortieren. Ähnliches testet die Stadt Nürnberg beim Wohngeld. Und schließlich ist da noch das umstrittene KI-Datenanalyseprogramm VeRA des US-Herstellers Palantir, das die Bayerische Polizei zur Auswertung und Verknüpfung verschiedener Datenbanken nutzt. Seit letzter Woche läuft dagegen eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe.
Der Landtag hat dem Rechnungshof die KI-Stellen genehmigt. Der rechtspolitische Sprecher der Landtags-SPD, Horst Arnold, glaubt ebenfalls, dass KI in Staatsregierung und Behörden zu effektiveren und schnelleren Lösungen führen kann. Dabei sei aber wichtig, dass die letztliche Entscheidung immer von einem Menschen getroffen werde und aus Datenschutzgründen keine Programme bei privaten Anbietern eingekauft werden. Arnold kritisiert: „Die bisherige Rechtslage dazu ist im Freistaat absolut ungenügend.“ (David Lohmann)
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