Eine unabhängige Kommission, welche die Corona-Maßnahmen evaluiert: Immer wieder wurde das für Bayern gefordert. Vergeblich. Bis es so weit ist – hier die Empfehlungen der BSZ-Redaktion.
Informationspolitik:
Vor einiger Zeit empfahl RKI-Chef Wieler den Corona-genervten Deutschen, die vorgeschriebenen Maßnahmen nicht zu hinterfragen – „machen Sie es einfach!“ Ganz Enthemmte wie Bayerns Gemeindetagspräsident Brandl plädierten für eine Aushebelung des Datenschutzes bei Handydaten, um Coronasünder zu enttarnen. So geht das nicht! Es muss Schluss damit sein, die Deutschen wie Dreijährige zu behandeln. Nötig ist eine sachliche und ehrliche Informationspolitik ohne Panikvokabular. Was auch schön wäre: Verlässlichkeit. So dozierte Söder monatelang, es werde keine Impfflicht geben – jetzt stellt er eine solche fürs Pflegepersonal in Aussicht. Dabei ist noch nicht mal klar, ob Geimpfte andere tatsächlich nicht anstecken können.
Impfungen:
Abgesehen davon, dass Impfstoff fehlt und die Online-Anmeldung bisher eine Katastrophe ist – statt über Impfpflichten zu fabulieren, sollte man besser aufklären. Personen des öffentlichen Lebens sollten sich, damit es Vorbilder gibt, impfen lassen, jetzt schon. Wie namhafte Juristen bezeugen, sind die vorgesehenen Priorisierungen rechtlich ohnehin nicht haltbar. Deplatziert ist die Debatte um „Vorrechte“ für Geimpfte. Sollte sich herausstellen, dass Geimpfte andere Menschen nicht anstecken, sollte selbstverständlich sein, dass die Grundrechtseinschränkungen Geimpfter aufgehoben werden.
Ladenschließungen:
Doch! Wir wollen es bitte erklärt bekommen, weshalb Lebensmittelmärkte und Drogerien öffnen dürfen, Blumenläden und Parfümerien aber nicht. Warum Edeka Riesenumsätze mit Tulpen machen darf und die Drogerie massenhaft Lippenstifte und Parfüms verkauft. Das ergibt keinen Sinn, zumal jetzt, da FFP2-Masken in Läden Pflicht sind.
Freizeit:
Verständlich, dass Hotels geschlossen sind, in denen sich Menschen nah kommen. Aber weshalb gönnt man den Leuten nicht kleine Auszeiten in einer Ferienwohnung – in der sie genauso unter sich sind wie zu Hause. Wer nicht immer nur verbietet, sondern auch gezielt lockert, erhöht die Akzeptanz der Maßnahmen. Das gilt auch für die 15-Kilometer-Regel, die selbst Virologen für Unsinn halten.
Maskenpflicht:
Aus infektiologischer Sicht ist die FFP2-Maskenpflicht in Einzelhandel und ÖPNV absolut richtig. Sinnvoll ist sie aber nur dann, wenn die rund 3 Euro teuren FFP2-Masken, in der Regel Einmalprodukte, allen zur Verfügung stehen. Gut also, dass Bayern ärmeren Menschen Gratismasken zur Verfügung stellt.
Online-Unterricht:
Schön, dass die Lernplattform Mebis endlich läuft. Doch die Schulen haben noch immer große Defizite bei der Digitalisierung, es fehlt an Hardware und auch an Kompetenzen. Hier muss nicht nur das Kultusministerium seine Hausaufgaben machen. Das Digitalministerium muss aufgewertet werden und ebenfalls liefern. Wo sind dessen Beiträge für die Digitalisierung des Unterrichts?
Kontaktbeschränkungen:
Gewiss sind Kontaktbeschränkungen weiterhin nötig. Doch übermäßige Verbote und fragwürdige Eingriffe in die Freiheitsrechte untergraben die Akzeptanz. Völlig überzogen ist zum Beispiel, dass in Bayern die Ein-Personen-Regel bei Treffen selbst für Dreijährige gilt. Alleinerziehende, die ihre kleinen Kinder ja schlecht zu Hause lassen können, werden damit in eine Isolation gezwungen.
Nächtliche Ausgangsperren:
Ursprünglich war die Ausgangssperre nach 21 Uhr nur für Corona-Hotspots eingeführt worden. Schon damals war wenig ersichtlich, worin das Ansteckungsrisiko bestehen soll, wenn Menschen in kalten Winternächten durch Straßen spazieren oder in Parks joggen. Aktuell gilt die absurde Regel für ganz Bayern – obwohl der landesweite Inzidenzwert wieder unter 200 liegt. Vielleicht sollen aber auch gar nicht die Menschen von der Straße ferngehalten, sondern von abendlichen Besuchen bei Freunden abgehalten werden. Ein solches Besuchsverbot ist bei den ohnehin rigiden Kontaktbeschränkungen aber unverhältnismäßig. Auch Homeoffice-Leute brauchen soziale Kontakte.
Finanzhilfen:
Die notwendige Software für die Auszahlung der Novemberhilfe läuft in Bayern erst seit dieser Woche. Die Software des Bundes für die beantragten Dezemberhilfen fehlt leider immer noch. Nicht nur diese Verzögerungen sind für viele Betriebe existenzgefährdend. Dass der Bund nun auch noch nachträgliche Änderungen bei den erstattungsfähigen Fixkosten vorgenommen hat – und zwar zu Lasten der Betriebe – ist ebenfalls ärgerlich.
(Angelika Kahl, Waltraud Taschner)
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