Für die CSU geht ein turbulentes Jahr zu Ende. Die Strategie des Vorsitzenden Markus Söder, die Partei vor allem mit Schimpfen auf die Ampel und populistischen Ausflügen („Gender-Wahn“, „Zwangsveganisierung“) bei der Landtagswahl wieder über 40 Prozent zu hieven, zündete nicht. Dann geriet man auch noch durch den Erdinger Auftritt des Freie-Wähler-Chefs Hubert Aiwanger („Demokratie zurückholen“) und dessen Flugblatt-Affäre unverschuldet in die Defensive. Eine Debatte schwelte in der Partei, ob es richtig gewesen war, die Grünen als Koalitionspartner komplett auszuschließen und sich dafür frühzeitig an Aiwanger gebunden zu haben. In dieser Gemengelage wurden die 37 Prozent bei der Landtagswahl allgemein als Erfolg gewertet. Söder jedenfalls sitzt weiter unangefochten im Sattel. Und strategisch wurden Lehren gezogen: Mit Blick auf die Europawahl sind nicht mehr nur Grüne und AfD erklärte Gegner, sondern nun ganz offiziell auch die Freien Wähler. Koalition hin oder her.
*
Die SPD musste lernen, dass es für sie in Bayern immer noch tiefere Tiefpunkte gibt. Mit 8,4 Prozent der Stimmen rückte die jahrzehntelang größte Oppositionspartei der gefürchteten Fünfprozenthürde wieder ein Stück näher. Am Engagement des Vorsitzenden und Spitzenkandidaten Florian von Brunn lag es nicht, er hatte einfach – wie die anderen Ampel-Parteien in Bayern auch – keine Chance, mit landespolitischen Themen im Wahlkampf dem Bundestrend zu entkommen. Auch deshalb und mangels echter Alternative darf von Brunn Partei und Fraktion weiterführen. Immerhin hat man sich bei der SPD geschworen, Wahlkampf und allgemeine Politikstrategie jetzt aber mal wirklich grundlegend zu hinterfragen. So wie man das nach den vorangegangenen verlorenen Wahlen auch schon immer vorhatte. Zu sehen ist davon noch nicht viel.
*
Die Freien Wähler zählen zweifellos zu den Aufsteigern des Jahres 2023. Umfragen hatten sie noch im Januar bei 10 Prozent gesehen – bei der Wahl im Oktober erzielten sie 15,8 Prozent. Ausschlaggebend war vor allem die Wut der Bevölkerung auf die Ampel-Politik. Die Menschen sahen ihren mühsam erarbeiteten Wohlstand wegen teurer Energiebeschlüsse bedroht. FW-Chef Hubert Aiwanger, um direkte Ansagen nie verlegen, brachte dies im Juni mit der umstrittenen Aussage auf den Punkt, die „schweigende Mehrheit“ müsse sich „die Demokratie zurückholen“. Der Koalitionspartner CSU fand das nicht witzig, die Opposition tobte. Doch bei den betroffenen Menschen hatte Aiwanger einen Volltreffer gelandet. Die Angriffe wegen der Flugblatt-Affäre katapultierten die FW dann sogar noch weiter nach oben. Leute, die nie zuvor die FW gewählt hatten, liefen aus Solidarität zu Aiwanger über. Kein Wunder, dass dieser am Abend der Landtagswahl vom „glücklichsten Tag meines Lebens“ sprach. Aiwanger befindet sich zum Grausen der CSU im Höhenrausch, will auch bei der Europawahl im Juni punkten und hat fürs Jahr 2025 den Einzug in den Bundestag vor Augen. Für die Koalitionsharmonie verheißt das spannende Monate.
*
Die Landtagswahl beendete alle Hoffnung der Grünen. Im Januar 2020 hatte es noch so ausgesehen, als wäre eine Regierungsbeteiligung ohne sie nicht möglich – damals lag die Partei bei 25 Prozent und Söder umarmte Bäume. Doch in Krisenzeiten scheinen den Menschen die persönlichen Sorgen wichtiger zu sein als der Klimaschutz. Hinzu kam für die Grünen der Verdruss über die Ampel-Politik. Vor allem der Plan von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zur Wärmepumpenpflicht kam kurz vor der Landtagswahl zur Unzeit. So reichte es für die Grünen bei der Landtagswahl nur für Platz vier. Immerhin könnten sie noch zur stärksten Oppositionsfraktion werden, sollte die AfD einen ihrer Abgeordneten verlieren. Co-Fraktionschef Ludwig Hartmann gab nach der Wahl seinen Posten mehr oder weniger freiwillig ab und überließ seiner Tandempartnerin Katharina Schulze das Feld. 2028 ist sie über 40 Jahre alt und könnte laut Verfassung zumindest theoretisch Ministerpräsidentin werden.
*
„Bis in fünf Jahren“, sagte FDP-Fraktionschef Martin Hagen nach dem Ausscheiden aus dem Landtag. Tatsächlich hat es die FDP in Bund und Bayern immer wieder zurück ins Parlament geschafft. Im Fußball spricht man von einer Fahrstuhlmannschaft. Gerecht war der Abschied nicht. War die Partei doch während der Corona-Pandemie zur Erleichterung vieler maßgeblich daran beteiligt, dass bundesweit Geschäfte und Restaurants wieder öffnen durften, und auch im Freistaat trieb sie Söder mit ihren Forderungen vor sich her. Tatsächlich spiegelt das Wahlergebnis wohl mehr die Unzufriedenheit mit der Bundes-FDP wider. Die hat als kleinster Koalitionspartner nicht viel zu melden und wird für abstruse Ampel-Entscheidungen in Mithaftung genommen. Der frühere Landeschef Albert Duin fordert, die Ampel-Regierung zu verlassen. Aktuell läuft eine bundesweite Mitgliederbefragung dazu – Ausgang offen.
*
Gemessen am Ergebnis der Landtagswahl darf sich auch die AfD als Gewinnerin sehen: Im Vergleich zu 2018 legte sie von 10,2 auf 14,6 Prozent zu. Und fungiert deshalb nun als stärkste Oppositionsfraktion im Landtag. Dort tritt sie überaus krawallig auf. Kein Wunder, die eher gemäßigten Kräfte der Partei sind inzwischen zahlenmäßig im Hintertreffen. Kurz vor der konstituierenden Sitzung des Landtags wurde ein neuer AfD-Abgeordneter verhaftet, der Vorwurf: Volksverhetzung. Das machte es den anderen Fraktionen leicht, die AfD von Posten fernzuhalten, die ihr laut Wahlergebnis eigentlich zustehen. Die AfD auszuschließen wird deren Höhenflug kaum bremsen. Zumal bei ihrem zentralen Angriffspunkt Migration noch immer wenig greifbare Ergebnisse vorliegen.
*
Für Bayerns Linke war 2023 ein Katastrophenjahr: Bei der Landtagswahl halbierte sich der Stimmenanteil der Partei. Mit 1,5 Prozent landete die Truppe von Spitzenkandidatin Adelheid Rupp hinter der ÖDP. Der selbst ernannten Arbeiterpartei fehlen die Arbeiter – die wählten lieber AfD. Mit der „Jeder, der will, darf nach Deutschland“-Politik der Linken kann der Bandarbeiter ebenso wenig anfangen wie die Kinderpflegerin. Ab kommendem Jahr dürfte die bayerische Linke endgültig zur Splitterpartei werden. Denn die Wagenknecht-Partei steht in den Startlöchern, um jene Unzufriedene, die eigentlich nicht AfD wählen wollen, für sich zu gewinnen. Der frühere Linken-Chef Klaus Ernst hat gute Chancen, für die Partei im Juni bei der Europawahl als bayerischer Spitzenkandidat in spe den Sprung nach Straßburg zu schaffen. (jum, loh, ta, till)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!