Politik

Seit Kurzem sind Landkreise und kreisfreie Städte für Corona-Tests verantwortlich, oft helfen externe Dienstleister. (Foto: dpa/Sebastian Gollnow)

18.09.2020

Ein neues Wagnis

Künftig sollen Landkreise und kreisfreie Städte die Corona-Tests organisieren – die Umsetzung ist schwierig

Bisher hat der Freistaat die Corona-Tests an den Autobahnen durchgeführt. Seit Ende August haben die Landkreise und kreisfreien Städte diese Aufgabe übernommen. Für Metropolen wie München ist das leichter zu stemmen als für kleine kreisfreie Städte. In Kempten etwa war das Ganze „nur mit ehrenamtlichen Hilfskräften in der vorgegebenen Zeitspanne umzusetzen“, berichtet Andreas Weber von der Stadtverwaltung Kempten. Die Kommune schätzt die monatlichen Kosten für das Testzentrum auf 175 000 Euro.

Wieder mal sind also die Ehrenamtler gefragt, unter anderem vom Bayerischen Roten Kreuz. Die mussten bereits bei den Kontrollen an den Autobahnen einspringen – und waren später der Buhmann, als das Desaster bei den Testergebnissen bekannt wurde.

Ob das BRK aber nun dauerhaft als Lückenbüßer einspringt? Fraglich. Andere kleinere kreisfreie Städte schaffen die gestellte Aufgabe nur, weil sie mit dem benachbarten Landkreis kooperieren – wie beispielsweise das mittelfränkische Ansbach, so Stadtsprecherin Anne Ziegler. In Nürnberg wiederum profitiert man davon, an das bereits bestehende Testzentrum am Flughafen andocken zu können. Derzeit sind dort 3000 Tests am Tag geplant, mittelfristig will man auf 1500 am Tag absenken, da es ja kaum noch Urlaubsrückkehrer gibt.

Die Vorgabe der Staatsregierung lautet: „Die Testzentren sollten als Orientierungsgröße eine Kapazität für die Testung von zwei bis drei Promille der Einwohnerzahl der jeweiligen Gebietskörperschaft pro Tag verfügbar haben.“ Ist das zu schaffen? „Die Kapazitäten der möglichen Tests pro Tag scheinen angemessen, sind aber letztlich durch die Laborkapazitäten begrenzt“, sagt Johann Keller, Geschäftsführer des Bayerischen Landkreistags.

Ein weiteres Problem ist der Mangel an Ärzten im öffentlichen Dienst. Auch hier setzen die Kommunen zunächst auf provisorische Lösungen. Keller: „Der Mangel ist allgemein bekannt und soll ja mithilfe des Pakts für den Öffentlichen Gesundheitsdienst behoben werden. Das geht nicht von heute auf morgen.“

Doch was wird der Freistaat den Kommunen tatsächlich erstatten? Das Innenministerium erklärt, es werde „die für die Organisation und den Betrieb der Testzentren notwendigen und angemessenen Kosten“ übernehmen. Der Landkreistag rechnet ohnehin nicht damit, dass es am Ende das gesamte aufgewendete Geld zurück gibt: Die Erfahrungen zeigten, dass „nicht überall 100 Prozent Ausgleich der tatsächlich entstandenen Kosten erwartbar“ seien.

Der externe Dienstleister ist offenbar überfordert

Immerhin: Der Freistaat lässt den Kommunen Freiraum bei der konkreten Umsetzung der Tests. So sei es in Ordnung, wenn die Tests „von niedergelassenen Ärzten oder einem externen Dienstleister“ durchgeführt würden. Die Firma Ecolog Deutschland GmbH mit Sitz in Düsseldorf ist einer der Dienstleister; ab Montag kommt sie in Bayern erstmals wegen Corona für die Kommunen zum Einsatz. Wie gut Ecolog die Tests bewältigt, muss sich zeigen.

Tatsächlich sind die Beurteilungen über Ecolog zumindest im Internet vernichtend. Ein User aus Memmingen schreibt: „Total überfordert: Haben freiwilligen PCR-Test vor vier Tagen gemacht. Bis heute kein Ergebnis.“ Ein anderer aus Nürnberg beanstandet: „Die Mitarbeiter sprechen schlecht Deutsch.“ Einen weiteren Kunden ärgert: „Die Hotline kann man total in die Tonne kicken. Seit zwei Tagen erreiche ich da keinen. Sicher 50 Mal angerufen.“

Die schlechte Erreichbarkeit ist der Hauptkritikpunkt der Kunden an Ecolog. Und nirgends findet sich ein frei zugängliches Organigramm mit Ansprechpartnern für Medien – wie man es eigentlich von einem laut Eigenwerbung „weltweit tätigen“ Unternehmen erwartet. Die von der Staatszeitung befragten Kommunen verfügen nur über die Nummer einer Service-Hotline. Dort wird man aufgefordert, die Durchwahl des jeweiligen Mitarbeiters anzugeben. Wer die nicht hat, fliegt aus der Leitung.

Keine guten Aussichten für künftige Tests. Die Gesundheit der Bürger*innen wird wesentlich einem Unternehmen anvertraut, das für diese lieber nicht erreichbar sein möchte.
(André Paul)

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