Politik

Sparsamkeit und Expansionsdrang: Die Zeitungsvielfalt nimmt ab. (Foto: dpa/Peter Kneffel)

03.09.2021

Ein schwieriges Geschäft

Regionalzeitungen haben es immer schwerer – wie man jüngst am Beispiel des „Donaukurier“ sehen konnte

Simone Tucci-Diekmann betonte es zweimal, als liege es ihr besonders am Herzen. Kurz nach der Übernahme des Donaukurier (DK) durch den Verlag der Passauer Neuen Presse (PNP) versicherte die neue Verlegerin den Leser*innen des DK im Januar 2017 im Interview: „Der Donaukurier bleibt der Donaukurier.“ Seine Unabhängigkeit sei „von elementarer Bedeutung“; der Umbruch sei eine Chance und kein Grund für Angst und Verunsicherung.

Doch offenbar waren das nur Phrasen. Ehrlicher war im Rückblick wohl, was sie dem Redaktionsleiter des DK im Stile einer Pressemitteilung diktierte: Der Kauf sei „ein konsequenter Schritt im Rahmen der Wachstumsstrategie unseres Hauses und ein klares Bekenntnis zum regionalen Zeitungsgeschäft in Deutschland. Der digitale Wandel fordert genauso wie der immer stärker umkämpfte Werbemarkt unsere volle Konzentration. Deshalb ist es für Regionalverlage immer wichtiger, Größenvorteile zu nutzen, um im Wettbewerb bestehen zu können.“

Ähnlich äußerte sie sich jetzt wieder. Nach dem Mauerfall hatte die PNP ihren Verlag massiv in angrenzende Länder im Osten ausgedehnt. Durch Verkäufe ist sie nun in der Lage, in Bayern weiter zu expandieren.

Im Juli verkündete die Passauer Verlagsgruppe (PVG), dass sie mit der Mittelbayerischen Zeitung auch die Regionalzeitung in Regensburg übernehme. Ein Branchenblatt sprach von einem Megadeal, durch den ein neuer Verlagsriese heranwachse, der – ähnlich wie die Verlage der Augsburger Allgemeinen und der Süddeutschen Zeitung – große Teile der bayerischen Tageszeitungen beherrsche.

Eine gefährliche Größe? In den Jahren 2012 und 2014 hat die PNP bereits Lokalblätter in Trostberg, Reichenhall und Freilassing übernommen. Künftig würde sie in den Regionen Ingolstadt, Regensburg und Passau täglich fast 350 000 Exemplare verkaufen und den Anzeigenmarkt beherrschen.

Quantität statt Qualität

Ist der Donaukurier der Donaukurier geblieben? Wurde die Unabhängigkeit tatsächlich gestärkt? Ein Blick in die Zeitung und ihr Impressum zeigt eine andere Wirklichkeit – was auch die Kundschaft und das Redaktionsteam bemerken. Artikel, die im Politikressort erscheinen, stammen nun nicht mehr von zwei Redaktionen, sondern von einer: der PNP – so spart man Geld. Auf der Strecke bleibt dabei die Vielfalt Der Digitalchef der PNP bestimmte auch die Digitalstrategie des DK und sitzt mittlerweile als Stellvertreter in beiden Chefredaktionen. Der stellvertretende PNP-Chefredakteur Alexander Kain publiziert seine Artikel über bayerische Politik wortgleich im DK, der sein Münchner Büro noch zu Zeiten der Eigenständigkeit aufgelöst hatte.

In Ingolstadt galt 2016 die Augsburger Allgemeine als aussichtsreicher Kaufinteressent. Doch die PNP habe am Ende einen höheren Preis bezahlt. Mitarbeitende der MZ in Regensburg seien verunsichert, berichten der Bayerische Journalistenverband und Verdi, die den Verlust der Pressevielfalt beklagen. Ständiges Konfliktpotenzial ist die Tarifflucht; allerdings waren auch MZ und DK aus dem Tarif ausgestiegen. Ein ehemaliger DK-Redakteur, der die Zeit nach der Übernahme miterlebt hat, berichtet von unguter Stimmung in der Folgezeit und mehreren Schritten, Personal einzusparen: Zunächst seien Personalabteilung und Buchhaltung nach Passau verlegt worden, offene Stellen seien nicht besetzt worden, dann sei allen gesagt worden, es stehe ihnen frei, die Zeitung zu verlassen – allerdings ohne Abfindung. Aus Passau habe es geheißen, Zeitverträge würden nicht verlängert. Hohe Seitenzahlen der Zeitung seien der Verlegerin wichtig, nicht die Qualität der Texte. Ressorts seien umstrukturiert und Zuständigkeiten nach Passau verlagert worden.

Als Chefredakteur Stefan König im April 2021 zu einer Agentur wechselte, soll er gesagt haben: Er wolle die Einsparungen nicht länger mittragen. König widerspricht auf Nachfrage. „Total falsch!“ Das habe er „nie gesagt“. Mit den Veränderungen in Verlag und Redaktion habe sein Weggang nichts zu tun. Mehr wolle er nicht sagen.

Sein Nachfolger Gerd Schneider ist einer seiner Vorgänger. Schneiders Rückkehr auf die Position, die er bereits von 2011 bis 2014 inne-hatte, erhält aus heutiger Sicht Bedeutung, denn Jahre davor leitete er die Sportredaktion der Mittelbayerischen Zeitung. Wird er bald eine neue Rolle bei der Integration der MZ spielen? Anfragen an PNP und MZ zum Grund der Übernahme und weiteren Vorgehen blieben unbeantwortet.

Sparsamkeit und Expansionsdrang liegen in der DNA der Passauer Neuen Presse; beides geht zurück auf ihren Gründer Hans Kapfinger. Er war einst beim Straubinger Tagblatt vom Volontär zum Chefredakteur aufgestiegen und schrieb dort früh gegen Adolf Hitlers Nazi-Bewegung an. Nach 1945 erhielt er von den Amerikanern eine Lizenz für die PNP. Mehrfach scheiterten seine Pläne, bundesweit dem Spiegel konservative Konkurrenz zu machen. Kapfingers Tochter Angelika Diekmann wurde PNP-Redakteurin im Feuilleton. Ihre Tochter Simone studierte Jura und führt die Geschäfte seit 2006.

Offen ist, ob und wie intensiv das Kartellamt die Übernahme prüfen wird. Bis jetzt habe die Verlagsgruppe Passau den Kauf noch nicht angemeldet, so das Kartellamt. Der Medienrechtler Kai von Lewinski von der Uni Passau erklärte kürzlich, die Frage, ob ein bedrohliches Zeitungsmonopol entstehe, stelle sich für ihn „gar nicht so sehr“. Denn es gebe in ländlichen Gebieten ohnehin oft nur mehr eine Monopolzeitung. Bei sich überschneidenden Verbreitungsgebieten „wäre allerdings Alarm geboten“.

Genau das sei teilweise der Fall, argumentiert der Verlag des Straubinger Tagblatts, der im August spontan eine Regensburger Zeitung startete und beim Kartellamt Beschwerde gegen die Übernahme einreichen will. Verlagsleiter Klaus Huber sagt: „Wir blicken mit großer Skepsis auf die entstehende Presse-Fusion.“ (Thomas Schuler)

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