Politik

Der frühere Regensburger Domkapellmeisters, Georg Ratzinger (r), steht neben seinem Bruder Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI. (Foto: dpa)

23.06.2016

Ein Tag des Dankes - kein Tag zum Feiern

Ratzinger-Brüder sind seit 65 Jahren Priester

Eigentlich wollten beide Brüder nicht feiern. "Das 65. Priesterjubiläum ist ein Tag des Dankes und der Freude, kein Tag zum Feiern", sagt Georg Ratzinger. Doch Papst Franziskus sieht es anders und feiert mit seinem Vorgänger Benedikt XVI. am kommenden Dienstag (28. Juni) im Vatikan das seltene Jubiläum. Beide Ratzinger-Brüder, der langjährige Leiter der Regensburger Domspatzen, und der vor drei Jahren zurückgetretene Papst mit dem bürgerlichen Namen Joseph Ratzinger wurden am 29. Juni 1951 im Freisinger Mariendom zu Priestern geweiht.

Nur selten fühlt sich ein Brüderpaar gemeinsam berufen für das Priesteramt. Dass der heute 92-jährige Georg und der drei Jahre jüngere Joseph Ratzinger dann auch noch an ein und demselben Tag miteinander die Weihe empfingen, kommt noch seltener vor - obwohl: An diesem Samstag (25. Juni) wurden in Regensburg zwei 53-jährige Zwillingsbrüder als Spätberufene ebenfalls zu Priestern geweiht.

Weltberühmter Knabenchor


Papst wird wohl keiner von ihnen werden und Leiter eines weltberühmten Knabenchores auch nicht. Denn das ist das wirklich Besondere an den Ratzinger-Brüdern: Jeder hat auf seine Weise Karriere gemacht. Wohin es beide zog, zeichnete sich bereits in der Schule ab. Im Traunsteiner Knabenseminar, einem Internat für Priesteranwärter, hatten die Brüder Spitznamen. Joseph Ratzinger war der Bücherratz, weil er sich schon damals in jeder freien Minute in dicke Wälzer vertiefte, der ältere Bruder hieß Orgelratz, weil er nicht vom Harmonium oder der Orgelbank wegkam.

Georg Ratzinger studierte nach der Priesterweihe zusätzlich katholische Kirchenmusik. 1964 wurde er Domkapellmeister in Regensburg und damit Chef der Domspatzen. Das Amt behielt er 30 Jahre. Als er längst im Ruhestand war, holte ihn der Skandal um Misshandlungen und sexuellen Missbrauch bei den Domspatzen ein. Zwar räumte er die eine oder andere Ohrfeige ein, bestritt aber, von Missbrauchsfällen gewusst zu haben.

2005 zum Papst gewählt


Die Karriere von Joseph Ratzinger ist bekannt: Mit 32 Jahren Professor für Dogmatik an der Uni Bonn, wenig später Berater des Kölner Kardinals Joseph Frings während des Zweiten Vatikanischen Konzils. Der aufstrebende Theologe Joseph Ratzinger fällt damals als progressiver Kirchenmann auf. Nach weiteren Hochschulstationen in Münster, Tübingen und Regensburg wird er 1977 Münchner Erzbischof und noch im selben Jahr Kardinal. Fünf Jahre später macht ihn Papst Johannes Paul II. zum Präfekten der Glaubenskongregation und damit zu seinem engsten Mitarbeiter. Am 19. April 2005 wählen die Kardinäle Joseph Ratzinger zum Papst. Am 28. Februar 2013 gibt er das Amt auf.

Auf seine Priesterweihe hat der heute zurückgezogen im Vatikan lebende emeritierte Papst einen verklärten Blick: "Man soll nicht abergläubisch sein. Aber als in dem Augenblick, in dem der greise Erzbischof mir die Hände auflegte, ein Vöglein - vielleicht eine Lerche - vom Hochaltar in den Dom aufstieg und ein kleines Jubellied trällerte, war es mir doch wie ein Zuspruch von oben: Es ist gut so, du bist auf dem rechten Weg", schreibt Ratzinger in seinen 1998 erschienenen Erinnerungen "Aus meinem Leben".

Feier mit zwei Päpsten


Georg Ratzinger wird nicht zur Feier am 28. Juni mit zwei Päpsten nach Rom fliegen. Er ist fast vollständig erblindet und hat Probleme mit dem Gehen. Doch auch er erinnert sich noch genau an seine Priesterweihe: "Das ist ein Tag von ganz besonderem Gewicht, der für das ganze Leben entscheidend ist." 42 Männer wurden an jenem 29. Juni 1951 von Kardinal Michael Faulhaber zu Priestern geweiht - eine in Zeiten des Priestermangels heute undenkbar hohe Zahl. Immerhin zehn von ihnen leben noch, wie Ratzinger weiß.

Beide Brüder sehen sich auch im hohen Alter regelmäßig in Rom. Vor der Wahl zum Papst kam der damalige Kurienkardinal Joseph Ratzinger mehrmals im Jahr nach Regensburg. Bei seinem Besuch in Bayern im Herbst 2006 besuchte Benedikt XVI. seinen Bruder in dessen Haus - zum letzten Mal, wie er damals sagte. Stattdessen fliegt Georg Ratzinger regelmäßig nach Rom. Der nächste Besuch beim "Papa emeritus" im idyllischen Kloster "Mater Ecclesiae" mit Blick auf den Petersdom ist im August eingeplant, wie der ältere der Priester-Brüder verrät.
(Paul Winterer, dpa)

Kommentare (1)

  1. Angelika Oetken am 24.06.2016
    Was auch immer Georg und Joseph Ratzinger dazu bewogen haben mag, die Priesterlaufbahn zu wählen, von Art und Verbreitung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen durch Angehörige ihres Berufsstandes, wissen sie ganz sicher und das auch schon sehr lange. Es ist keine Frage des Glaubens, sondern der eigenen Haltung.

    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen Erwachsenen in Deutschland, die in ihrer Kindheit und/oder Jugend Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden
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