Politik

Die Verkaufszahlen für das neue 49-Euro-Ticket sind gut. Offen ist, wie lange das Projekt laufen soll. (Foto: dpa/Sebastian Gollnow)

02.06.2023

Ein Ticket, viele Fragezeichen

Sieben Millionen Menschen haben das neue Deutschlandticket gekauft – jetzt muss dringend der ÖPNV ausgebaut werden

Rein von den Verkaufszahlen her ist das Deutschlandticket ein Erfolg: Bundesweit sicherten sich rund sieben Millionen Menschen im ersten Monat ein Ticket. Mit diesem monatlich kündbaren Aboticket können sie in ganz Deutschland mit jedem Regionalzug und jedem Linienbus fahren. Über Tarifzonen oder Ländergrenzen müssen sie sich keine Gedanken machen. Doch ob damit das oberste Ziel der Bundesregierung – weniger Verkehr auf der Straße, mehr auf der Schiene – erfüllt werden kann, ist unklar.

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) jubilierte, dass der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) zwei Millionen Neukund*innen gewonnen habe. Allerdings gibt es zur Nutzung noch keine aussagekräftigen Daten. Denn die digitale Fahrkarte wurde an Schaltern ebenso gekauft wie online, bei der Bahn oder bei den regionalen Verkehrsunternehmen. Diese Daten müssen erst zusammengeführt werden. Auch eine Auswertung nach Regionen dauert noch.

Aktuell dürfte sich die Neukundschaft, auf die es die Politik abgesehen hat, in Grenzen halten. Unter den sieben Millionen werden vor allem Pendelnde sein, die ihre teurere Monatskarte gegen das 49-Euro-Ticket eingetauscht haben. Insofern sind die Straßen nicht leerer als vor dem Mai.

Mehr Reisende

Das bestätigt auch die Deutsche Bahn, die allein bisher 1,3 Millionen Tickets verkauft hat. „Anders als bei der Einführung des 9-Euro-Tickets haben wir beim Deutschlandticket keinen sprunghaften Anstieg der Reisendenzahlen vom einen auf den anderen Tag gesehen“, erklärt eine Sprecherin. Man rechne aber weiterhin mit einer stetigen und spürbaren Zunahme der Reisendenzahlen, vor allem in den Metropolregionen und in Urlaubsregionen. Das Ticket sei ein „starkes Argument“, vom Auto auf klimafreundliche Verkehrsmittel umzusteigen.

Auch bei den regionalen Verkehrsunternehmen war die Nachfrage nach der Fahrkarte hoch. Im Münchner Verkehrsverbund (MVV) wurden beispielsweise über 450.000 Tickets verkauft. Weit mehr, als man erwartet hatte. Rund 170.000 Verkäufe waren es im Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN). Trotzdem nahm der Berufsverkehr offenbar auch nicht zu.

Was die Verkehrsunternehmen vor große Probleme stellte, war die Kraftanstrengung vor und während der Einführung. Lange war nicht klar, wann das Ticket startet, zu welchen Konditionen und wie die Einnahmen verteilt werden. Die Politik, so ein Sprecher des VGN, habe deutlich unterschätzt, wie komplex das Projekt ist.

Stillgelegte Strecken reaktivieren

Wie soll es weitergehen? Das langfristige Potenzial des Tickets sieht der Dachverband VDV bei fünf bis sechs Millionen Menschen, die zu den rund elf Millionen Stammkund*innen hinzukommen. Die Bahn plant, stillgelegte Strecken zu reaktivieren, der VDV will den Komfort auf bestehenden Strecken verbessern.

Investitionen wären aber nur sinnvoll, wenn gleichzeitig die Finanzierung des Tickets langfristig gesichert ist. Momentan ist diese nur bis Ende 2024 geklärt. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) fordert den Bund auf, noch in diesem Sommer klare Aussagen über die konkrete Ausgestaltung und die Beteiligung des Bundes an den Mehrkosten für das kommende Jahr zu treffen. Die Verkehrsunternehmen bräuchten Planungssicherheit, auch über 2024 hinaus. Bernreiter sagt: „Das Geld, das Bayern für das Deutschlandticket aufwenden muss, wäre besser in die Infrastruktur investiert gewesen.“ So bräuchten die Länder dieses Geld für die Infrastruktur obendrauf.

Freistaat in der Pflicht

Markus Büchler, verkehrspolitischer Sprecher der Landtags-Grünen, sieht vor allem den Freistaat in der Pflicht: „Schließlich hat Bayern in weiten Teilen des Landes einen äußerst schwach ausgeprägten ÖPNV.“

Andreas Barth vom Landesverband des Fahrgastverbands Pro Bahn hat schon Menschen getroffen, die einen Umstieg vom Auto auf den ÖPNV erwägen. „Aber so eine Entscheidung trifft man nicht sofort.“ Zuerst müsse man wissen, ob die Alternative von Dauer ist. Deswegen fordert auch Barth von der Politik klare Aussagen. Ohne weitere Investitionen in das Angebot werde es nicht funktionieren. „Wir haben uns Jahrzehnte der Illusion hingegeben, der ÖPNV könne sich selbst finanzieren.“
(Thorsten Stark)

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